Vorwurf der Verleumdung:Bündnis zeigt Söder und zwei Minister an

Vorwurf der Verleumdung: Die Klimaaktivisten der "Letzten Generation" haben viele Kritiker, gerade aus der CSU. Aber auch Unterstützer - und die stellten nun Anzeige gegen führende Politiker.

Die Klimaaktivisten der "Letzten Generation" haben viele Kritiker, gerade aus der CSU. Aber auch Unterstützer - und die stellten nun Anzeige gegen führende Politiker.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Nach einer Razzia bei der "Letzten Generation" stellen Initiativen und Kleinstparteien unter der Führung der Linken Anzeige gegen Politiker. Dabei geht es gar nicht um die Durchsuchungen.

Von Johann Osel

Nach der Razzia bei Klima-Aktivisten der "Letzten Generation" (LG) hat die Linkspartei in Bayern Strafanzeige gegen Ministerpräsident Markus Söder, Justizminister Georg Eisenreich und Innenminister Joachim Herrmann (alle CSU) sowie gegen Generalstaatsanwalt Reinhard Röttle gestellt. Dies teilte Landeschefin Adelheid Rupp am Mittwoch mit. Es geht bei der Anzeige nicht um die Durchsuchungen bei den Klimaklebern an sich. Sondern um die Sperrung der Homepage der LG mit dem öffentlichen Hinweis der Ermittlungsbehörden, es handele sich um eine kriminelle Vereinigung. Angezeigt werden Verleumdung und Beleidigung.

Die Unschuldsvermutung sei durch diese unzulässige Feststellung hier ignoriert worden, erklärte Rupp, es gehe um "einer Demokratie rechtspolitisch nicht würdige Handlungen einer Staatsregierung". Es handele sich dabei zudem um Vorsatz, da die Politiker oder der Generalstaatsanwalt Kenntnis davon hätten, dass die Unschuldsvermutung zu berücksichtigen ist. Ohnehin sehe sie die staatliche Repression gegen die Letzte Generation als "primär politische Kraftmeierei". Die Anzeige gegen den Ministerpräsidenten und die führenden Politiker erfolge deshalb, weil nicht klar sei, ob und inwieweit die Generalstaatsanwaltschaft von Söder oder einzelnen Ministerien zu ihrem Agieren angewiesen wurde.

Vergangene Woche hatten Beamte in mehreren Bundesländern Wohnungen und Geschäftsräume der LG durchsucht, im Auftrag der bei der Generalstaatsanwaltschaft München angesiedelten Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus. Der Tatvorwurf lautet auf Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Die Letzte Generation macht regelmäßig mit Sitzblockaden und Festklebe-Aktionen auf den Klimawandel aufmerksam; auch Attacken etwa auf Einrichtungen der Ölindustrie werden ihnen vorgeworfen. Mehrere Aktivisten wurden auch schon wegen Straftaten verurteilt, teils zu Haftstrafen.

Umstritten war vor allem die Abschaltung der Internetseite. "Die Letzte Generation stellt eine kriminelle Vereinigung gemäß § 129 StGB dar", hieß es. Die Behörden entfernten den Hinweis später und mussten einräumen, es bestehe bislang nur ein Anfangsverdacht dazu. Das Justizministerium hatte auf Nachfrage der SZ klargestellt, eine politische Weisung an die Generalstaatsanwaltschaft sei nicht erfolgt. Und die Entscheidung über das Vorliegen einer Strafbarkeit laut Vorwurf der Bildung krimineller Vereinigungen "obliegt letztlich den Gerichten in richterlicher Unabhängigkeit". In Münchner Regierungskreisen war zuweilen auch von einer unerklärlichen "Panne" die Rede - was aber die Zulässigkeit der Entscheidung der Staatsanwaltschaft nicht mindere.

Unterstützung kam unter anderem von CSU-Generalsekretär Martin Huber. Er nannte auf Twitter die Letzte Generation "antidemokratische Chaoten", sie nähmen durch blockierte Rettungseinsätze die Gefährdung von Menschenleben billigend in Kauf: "Es muss endlich hart durchgegriffen werden." Neben der Debatte, ob die Klimakleber eine kriminelle Vereinigung sind, hatte zuvor CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt auch deren Verfassungstreue in Zweifel gestellt und die LG auf dem Weg zu einer "Klima-RAF" gezeichnet. Dem hatte allerdings Bayerns Verfassungsschutz widersprochen, die Bewegung sei "nicht geprägt oder gesteuert durch Linksextremisten, sondern immer noch im bürgerlichen Potenzial verankert".

Vorwurf der Verleumdung: Die Linken-Vorsitzende Adelheid Rupp unterschreibt die Strafanzeige gegen führende bayerische Politiker wegen deren Vorgehen gegen die Letzte Generation.

Die Linken-Vorsitzende Adelheid Rupp unterschreibt die Strafanzeige gegen führende bayerische Politiker wegen deren Vorgehen gegen die Letzte Generation.

(Foto: Johann Osel)

Die Linke erstattet die Anzeige zusammen mit weiteren Initiativen, Kleinstparteien und Aktivisten. Beim Pressetermin am Mittwoch sprach eine Vertreterin der LG, die 16-jährige Layla Sommer. Sie wünsche sich eine friedliche, sichere und lebenswerte Welt, sagte die Gymnasiastin, auf einer drei Grad heißeren Erde werde es diese aber nicht geben. Man lasse sich beim "zivilen Widerstand" nicht einschüchtern. Jörg Jovy von der Initiative NoPAG gegen das bayerische Polizeiaufgabengesetz sagte, die Demokratie in Bayern bewege sich "weg vom Rechtsstaat". Vieles spreche gegen eine Entscheidung des Staatsanwalts "im nicht-politischen Raum", die Razzia sei nicht "einfach so" gekommen. Strafanzeige und Strafantrag gehen nun an die Münchner Staatsanwaltschaft. Sie sei "in gewisser Sorge", ob diese den Vorwurf gegen ihren obersten Chef und die Politiker wirklich in allen Facetten behandele, sagte Rupp. Sie hoffe aber, dass "im Lichte der Öffentlichkeit" alles korrekt laufe.

Rupp, früher Abgeordnete der SPD, will die Linke im Herbst erstmals in den Landtag bringen - als Opposition mit "Hartnäckigkeit", wie die 64-Jährige sie jetzt im Landtag vermisst. Es sei "erschreckend", dass SPD und Grüne sich zur Razzia gegen die LG weder äußern noch sie kritisch beleuchten. Offenbar machten sich die Parteien "selber mundtot", weil sie mit der CSU regieren wollten. Was so nicht ganz stimmt. Etwa die grüne Spitzenkandidatin Katharina Schulze hatte nach der Sperrung der Homepage durchaus einen "eklatanten Verstoß gegen die Unschuldsvermutung" angeprangert.

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