Süddeutsche Zeitung

Lenbachhaus feiert Wiedereröffnung:Revolutionäre Erleuchtung

Weltberühmte Werke auf drei Ebenen, innovative Beleuchtungstechnik und ein Bau, der selbst wie Kunst wirkt: Das neue Lenbachhaus überzeugt mit revolutionären Ideen. Entdecken Sie das Museum in einer interaktiven Grafik.

Text von Evelyn Vogel, Grafik von Ilona Burgharth, Julia Kraus, Johanna Fulda und Maximilian Salcher

München leuchtete. So schrieb Thomas Mann zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einer Novelle. Seit 1961 bekräftigt das die Stadt alljährlich mit einem Orden. Davon schwärmt jeder, der das Spezifische der bayerischen Landeshauptstadt zu beschreiben sucht. München hat durchaus eine besondere Beziehung zum Licht, auch jenseits jedes Natur- oder gesellschaftlichen Phänomens. Denn als die von König Ludwig I. bei Leo von Klenze in Auftrag gegebene Pinakothek 1836 eröffnet wurde, galt sie nicht nur als der größte Museumsbau ihrer Zeit, der alsbald zum Vorbild für Museen wie die Eremitage in St. Petersburg wurde. Die Pinakothek verfügte mit Klenzes Oberlichtlaternen auch über ein revolutionäres Tageslichtbeleuchtungssystem.

Bald 180 Jahre später schickt München sich wieder an, anderen Städten in Sachen Museumslicht heimzuleuchten. Diesmal nicht im Auftrag eines Königs, sondern der Bürger. Denn es ist die Städtische Galerie im Lenbachhaus, die mit einer eigens entwickelten LED-Beleuchtungstechnik auftrumpft. Sie wird nicht nur wie in einigen anderen Museen partiell, sondern flächendeckend eingesetzt; die sogenannten Licht emittierenden Dioden, also LEDs, beleuchten alles mit Ausnahme der historischen Räume.

Ihre Besonderheit: Mit Hilfe fünf verschiedener LED-Typen können die Techniker des Lenbachhauses so ziemlich jedes Licht mischen, das sie benötigen, um die Farben der Kunstwerke so natürlich wie möglich erscheinen zu lassen. Die Spanne reicht von Warm-Weiß bis zu Kalt-Weiß, außerdem können Rot, Blau und Grün jeweils einzeln hinzugefügt werden.

Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang

"Die Mischung macht's", betont denn auch Andreas Hofstett, der Leiter des Betriebsdienstes im Lenbachhaus. Nachdem Hofstett ein paar Mal auf seiner Tablet-PC-Steuerung herumgefuhrwerkt hat, kann man auf den Lichtpaneelen die Stimmungen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang bestaunen. Derartige Lichterbögen in einem Raum erzeugt der Betriebsdienstleiter natürlich nur zu Demonstrationszwecken. Sonst sind er und sein Team darauf bedacht, eine Farbtemperatur und -wiedergabequalität zu schaffen, welche die Kunstwerke am besten, sprich am natürlichsten zur Geltung bringen.

LEDs sind mittlerweile fester Bestandteil in den Museen dieser Welt. Nicht zuletzt, weil sie günstiger sind als jedes andere Beleuchtungssystem - sie sind bis zu 90 Prozent effizienter als Glühlampen. Und noch einen Vorteil sehen die Spezialisten in der LED-Technik: Die Helligkeit kann - bei gleichbleibender Lichtqualität - verändert werden. Aber bislang hat es kein Museum gewagt, ausschließlich auf diese Technik zu setzen.

Immer wieder gerieten die LEDs auch in Verruf, den Bildern durch ihren Blaulichtanteil Schaden zufügen zu können. Doch mittlerweile sind die Spezialisten davon überzeugt, dass die neuen LEDs, bei denen das UV-Licht ausgefiltert und der Blauanteil im Licht streng geregelt wird, den konservatorischen Anforderungen in höchstem Maße gerecht wird.

Die neue Beleuchtung entwickelt hat das Lenbachhaus zusammen mit dem österreichischen, in München lebenden Lichtkünstler Dietmar Tanterl und der Firma Osram. Gesamtkosten: vier Millionen Euro. Vom Bund kamen zwei Millionen Euro, etwa 1,5 Millionen Euro hat der Förderverein des Lenbachhauses aufgebracht. Das dürfte das Haus nicht zuletzt seinem noch bis Ende des Jahres amtierenden Direktor Helmut Friedel verdanken, der im Vorstand des Fördervereins sitzt und von Anfang an als begeisterter Anhänger und Förderer der LED-Technik auftrat.

Wie wichtig die verschiedenen Lichtstimmungen sind, erleben die Besucher sehr schön in der Sammlung Kunst nach 1945: Während der Raum mit der Lichtskulptur von Cerith Wyn Evans warm leuchtet, strahlt der nachfolgende mit Fotos von Thomas Demand kühl-dunkel, bevor die Besucher in gleißend helles Licht getaucht werden, das die Installation von Monica Bonvicini umgibt, um dann ins Halbdunkel zu gelangen, in dem die Installationen von Angela Bulloch zu sehen sind.

Bei all dem soll die Lichtquelle jedoch nicht wahrnehmbar sein. Zumeist leuchten die LEDs hinter den schon erwähnten Paneelen (im Neubau) oder verborgen in den Vouten der Deckenkehlen (im Atelierflügel und Grässeltrakt). Im zweiten Stock des Neubaus, wo der Blaue Reiter residiert, mischt sich Kunst- mit Tageslicht. Der Tageslichteinfall kann mit Hilfe von Verschattungsanlagen gedämpft, im Extremfall sogar völlig ausgeschlossen werden.

Farbspiele und spektakuläre Hingucker

Licht ist aber auch eines der zentralen künstlerischen Themen des Lenbachhauses, etliche Werke der Sammlung setzen sich damit auseinander. 1994 entwickelte Dan Flavin zur Eröffnung des Kunstbaus die Neonarbeit Untitled (For Ksenija). Im selben Jahr schuf er zudem eine Verbindungslinie aus Leucht-Stelen zwischen Kunstbau und Lenbachhaus: Die zehn Stelen mit jeweils vier gelben Neonröhren ziehen sich über den Museumsvorplatz zum Haupteingang hin.

Im Atrium empfängt den Besucher das "Wirbelwerk" des dänischen, in Berlin lebenden Künstlers Olafur Eliasson. Das ist nicht nur angesichts seiner Größe von acht Metern Durchmesser und einer eben solchen Höhe ein spektakulärer Hingucker. Wer seinen Blick aufmerksam über die Wände gleiten lässt, bemerkt, dass die 450 farbig getönten und von innen beleuchteten Glasscheiben ein Wechselspiel von Farbe, Licht und Schatten werfen. Und für das nördliche Treppenhaus schuf der auch am LED-System beteiligte Lichtkünstler Tanterl die Lichtinstallation "ROTWEINROT". Die 18 hochkantigen Leuchten aus Acrylglas, die an drei Seiten des Treppenhauses angebracht sind, leuchten in Intervallen abwechselnd Weiß und dreigeteilt Rot-Weiß-Rot. Eine schöne Korrespondenz mit den Farben des Treppenhauses.

Wenn das Lenbachhaus nach vier Jahren Umbau von diesem Mittwoch an wieder geöffnet ist, gibt es für die Besucher viel zu entdecken: eine gewaltige Kunstsammlung, eine neue Architektur - und ein Lichtsystem, mit dem München wieder einmal ganz außerordentlich leuchtet.

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Quelle:
SZ vom 08.05.2013/infu
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