Leibniz-Institut in Bamberg:Was uns schlau macht

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Wenn die Teilnehmer der Langzeitstudie über Jahre dabei bleiben, helfen sie den Forschern und lernen vielleicht auch etwas über sich selbst. (Foto: Elke Baulig/Maakii Film/NEPS 2014)

Wie wurde ich zu dem, der ich bin? Und was hat Bildung damit zu tun? Diesen Fragen will das Nationale Bildungspanel auf den Grund gehen - 60 000 Menschen machen bei der weltweit größten Langzeit-Studie mit. Koordiniert wird sie in Bayern.

Von Martina Scherf, München

Die Pisa-Studie ist so ein Beispiel. Wie oft wird immer noch darüber gestritten, ob man Kinder an einem Stichtag mitten in ihrer Schullaufbahn vergleichen und aus dieser Momentaufnahme Rückschlüsse über ihre ganze Bildung schließen kann. Bräuchte es nicht verlässlichere Daten? Hängen Lebensläufe nicht von vielen Faktoren ab? Wie festgelegt sind eigentlich Bildungskarrieren schon im frühen Alter?

Das Nationale Bildungspanel (Neps) an der Universität Bamberg hat 2009 begonnen, Daten zur Bildungslandschaft Deutschland zu sammeln. Keine Momentaufnahmen, sondern viele Puzzlesteine, aus denen sich am Ende ganze Biografien verfolgen lassen. Es ist die größte Langzeitstudie dieser Art. 60 000 Menschen, vom Kleinkind bis zum Rentner, werden dabei regelmäßig auf ihre Kompetenzen hin getestet und befragt, auch ihr soziales Umfeld wird miteinbezogen. Es sind immer dieselben Personen - und auch wenn über die Jahre ein paar "verloren gehen", gibt es weltweit keine breiter angelegte Untersuchung über Bildungsverläufe.

Am heutigen Montag wird daher im Beisein von allerlei politischer und wissenschaftlicher Prominenz die Eröffnung des "Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe" gefeiert, in dem Neps künftig angesiedelt ist. Das bedeutet eine hohe Auszeichnung für die wissenschaftliche Qualität und gleichzeitig Garantie für dauerhafte Finanzierung durch die Bund-Länder-Förderung. "Noch nie wurde eine Einrichtung, die es gerade mal fünf Jahre gibt, in die Leibniz-Gemeinschaft aufgenommen", sagt Hans-Günther Roßbach nicht ohne Stolz.

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Der Bamberger Erziehungswissenschaftler hat die Leitung des Neps von seinem Vorgänger Hans-Peter Blossfeld übernommen. Das Institut ist aber nicht auf Bamberg konzentriert: Beteiligt sind mehrere Universitäten, zum Beispiel auch das Münchner ifo-Institut für Wirtschaftsforschung. 220 Wissenschaftler an mehr als 30 Standorten arbeiten darin mit: Pädagogen, Psychologen, Soziologen, Wirtschaftswissenschaftler.

Die Teilnehmer werden über Jahre befragt

Mit unterschiedlichen Fragestellungen untersuchen sie, wie sich Kompetenzen im Laufe eines Lebens entwickeln. Welche Rolle spielen Eltern, Freunde, Kindergärten, Schulen, Ausbildungsbetriebe, Hochschulen oder der Beruf? Vierjährige im Kindergarten werden getestet, ihre Eltern nach Erwartungen und nach der Betreuungssituation gefragt, Erzieherinnen nach ihren Beobachtungen. Es gibt eine Gruppe von Grundschulkindern, von Fünftklässlern und von Neuntklässlern, von Lehrlingen, Studenten und Erwachsenen zwischen 28 und 69 Jahren. Manche Gruppen haben 10 000 Teilnehmer. Sie alle werden über Jahre oder Jahrzehnte immer wieder befragt, zum Teil telefonisch, zum Teil durch Hausbesuche.

Interessant für die Forscher sind dabei vor allem die Übergänge im Bildungsverlauf: Warum bricht der eine die Schule ab, der andere nicht? Was beeinflusst die Entscheidung, aufs Gymnasium zu gehen? Und umgekehrt: Welche Aussichten auf seinen späteren Berufserfolg hat diese Entscheidung, ja noch mehr: auf sein Einkommen, seine Gesundheit?

Bildung für Wachstum und Wohlstand?

Wissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang von einer "Bildungsrendite": Wer eine höhere Bildung genossen hat, wird seltener arbeitslos, verdient in der Regel mehr und, so betont Rossbach, lebt länger und gesünder. Dies wiederum nützt der Gesellschaft. Die Politik, die nicht müde wird zu betonen, wie wichtig Bildung für Wachstum und Wohlstand ist, erhofft sich daher langfristig von den Wissenschaftlern, die aus den Neps-Daten ihre Schlüsse ziehen, auch kompetente Beratung bei Richtungsentscheidungen.

Weil die Neps-Forscher dieselben Menschen entlang ihrer persönlichen Bildungsbiografie begleiten, entsteht aus den Daten so etwas wie ein zusammenhängender Film. "Wir wollen damit Bildungsprozesse in bisher nicht gekannter Form verstehen", sagt Rossbach. Die Daten stehen Forschern weltweit kostenlos zur Verfügung. Mehr als 550 Wissenschaftler aus 15 Nationen arbeiten bereits damit. So hat eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft in Köln vor Kurzem ergeben, dass Migrantenkinder keineswegs seltener einen höheren Abschluss schaffen als deutsche Kinder. Jedenfalls nicht, wenn sie aus vergleichbaren sozialen Verhältnissen stammen. "Da fällt sogar auf, dass Migrantenfamilien mehr Ehrgeiz in Richtung Bildung entwickeln", so Rossbach.

© SZ vom 26.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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