Kurz vor Beginn des neuen Schuljahrs soll es nicht um Zahlen gehen, so lautet das Credo am Dienstag beim Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV), und nicht darum, wie viele Lehrer fehlen an Bayerns Schulen. Dabei hatte das Ringen zwischen Verbänden und Ministerium um die richtigen Zahlen Tradition.
Der Schwerpunkt solle diesmal auf der Qualität der Bildung liegen, sagte BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann. Wenn Lehrer fehlen, betrifft das die 1,72 Millionen bayerischen Schüler und Schülerinnen, für die am kommenden Dienstag die Schule losgeht, direkt und wirkt sich auf die Qualität des Unterrichts aus. Also ging es doch um Zahlen, sie blieben nur unausgesprochen.
Und Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) war der jährlichen Zahlenfixierung zuvorgekommen: Wie schwierig die Lage an Bayerns Schulen ist und wie viele Lehrer in den kommenden Jahren fehlen könnten, war schon vor den Sommerferien bekannt geworden. Ende Juli kam die Lehrerbedarfsprognose heraus. Wenn sich nicht genügend junge Lehrer finden oder die Lücken irgendwie geschlossen werden, könnten bis 2034 mehr als 5000 Vollzeitstellen nicht besetzt werden. Betroffen sind quasi alle Schularten.
Darin könnte auch ein Grund für das Ende der Zahlenschlacht liegen: An den Grundschulen, die der BLLV traditionell vertritt, sieht es für die kommenden Jahre gut aus. So gut, dass man im Verband fürchtet und im Ministerium hofft, einen Teil der Grundschullehrkräfte an die Mittelschulen schicken zu können.
Statt also über Zahlen zu diskutieren, gab der BLLV der Kultusministerin Hausaufgaben auf, um die Bildungsqualität langfristig zu sichern. „Wir sind in einer echten Krisenzeit in allen Schularten und können das Problem nur lösen, indem man fokussiert und auf Zentrales reduziert“, sagte Fleischmann. „Das Kerngeschäft soll von der Kernmannschaft mit hoher Qualität geleistet werden.“
„Schauen Sie auf die Gesundheit der Lehrkräfte, dann haben wir auch genug davon“
Stolz’ Hausaufgabe beim Lehrermangel ist, dass sie genügend qualifiziertes Personal finden müsse. Und möglichst die „Notmaßnahme“, also die von ihrem Vorgänger Michael Piazolo beschlossene Mehrarbeit für Grund- und Mittelschullehrer, zurücknehmen soll. Damit sollte 2020 der Lehrermangel abgepuffert werden. In direkten Gesprächen seien Lehrkräfte aber eher zu mehr Arbeit zu bewegen als durch Zwang, sagte BLLV-Vizepräsident Gerd Nitschke. „Schauen Sie auf die Gesundheit der Lehrkräfte, dann haben wir auch genug davon.“ Im Nachgang des „Piazolo-Paketes“ war die Zahl derer, die ganz oder teilweise dienstunfähig geschrieben wurden, deutlich gestiegen.
In Bezug auf die Grundschulreform nach den jüngsten Pisa-Ergebnissen, also dem stärkeren Fokus auf Mathe und Deutsch, kritisierte der BLLV die möglichen Kürzungen bei Englisch und den musischen Fächern. Und forderte sogar mehr Stunden für Grundschulen. Wie das mit dem von Fleischmann geforderten Reduzieren auf Zentrales zusammenpasst? Bildungsqualität und gezieltes Fördern aller Kinder braucht mehr Zeit – und die Grundschullehrkräfte, die ab 2025 an die Schulen kommen, eine Aufgabe.
Die größte Neuerung ist die Digitalisierungsoffensive: Bis 2028 sollen alle Kinder an weiterführenden Schulen in Bayern ein Tablet bekommen, nun geht es mit den staatlichen Schulen los. 300 Euro bezahlt der Freistaat pro Gerät. Die Hausaufgaben des BLLV lauteten hier, dass es nicht nur um Geräte gehen dürfe, sondern die Pädagogik im Vordergrund stehen müsse. Ein Punkt, den alle bayerischen Kultusminister seit Jahren predigen. Zudem forderte der Verband mehr Fortbildungen für Lehrer, ein pädagogisches Gesamtkonzept und dass die Wartung der Geräte von externen Profis vorgenommen wird. Bisher kümmern sich oft IT-affine Lehrkräfte darum.
Eine Veränderung der Stundentafel lehnt Ministerin Stolz ab und auch die Hausaufgaben zur Digitalisierung dürfte sie als erledigt ansehen: Laut Kultusministerium gab es 2023 dazu 7000 Fortbildungen mit 165 000 Teilnehmenden. Spezielle Kurse zur Digitalisierungsoffensive kommen nun dazu. Es gebe genügend Fortbildungen diverser Formate und viele Lehrkräfte kommen mehrmals, sagt auch ein erfahrener Dozent, aber wenn der Verband das nicht wisse, gebe es wohl ein Kommunikationsproblem. Fataler sei ohnehin der digitalkritische Teil der Lehrkräfte, der gar kein Interesse an diesen Kursen hat.