Lehramtstudenten in Bayern:Nur die Besten dürfen ins Referendariat

Lehramtstudenten in Bayern: Überall in München versuchte der Realschullehrerverband mobil zu machen. Auch am Landtag hing im Sommer dieses Plakat.

Überall in München versuchte der Realschullehrerverband mobil zu machen. Auch am Landtag hing im Sommer dieses Plakat.

(Foto: brlv)
  • Bayern will nur noch die besten Lehramtstudenten direkt zum Referendariat zulassen.
  • In anderen Bundesländern gibt es die Auslese nach dem ersten Staatsexamen längst.
  • Verbände und die Opposition sehen die Pläne von Kultusminister Ludwig Spaenle kritisch.

Von Anna Günther

Die Kluft zwischen Stellenangeboten und ausgebildeten Lehrern ist groß. Dieses Problem ist offenbar nicht in den Griff zu kriegen, denn jetzt macht das Kultusministerium Ernst: Der Zugang zum Referendariat soll auch in Bayern beschränkt werden. In anderen Bundesländern gibt es längst diese Auslese nach dem ersten Staatsexamen: Nur die besten und begehrtesten Absolventen werden sofort zugelassen, die anderen müssen bis zu drei Jahre warten.

Wer im Freistaat Lehrer werden will, darf nach der Uni sofort das Referendariat machen. Aber jedes Jahr klagen die Verbände wieder über viele arbeitslose Pädagogen, die oft trotz Bestnoten keinen Job bekommen. Um das Überangebot besser steuern zu können, kündigte Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) im Juni 2014 im Kabinett an, dass das Ministerium die rechtliche Grundlage für die Zulassungsbeschränkung zum Referendariat bis zum Sommer vorlege.

Der Gesetzentwurf liegt bereit

Der Aufruhr war groß, der Protest laut. Dann geschah lange nichts. Im Mai 2015 teilte das Ministerium auf Nachfrage der Freien Wähler mit, dass die künftige Regelung gerade erarbeitet werde. Der SZ sagte Spaenle nun, dass die Idee der Fraktion "relativ weit gediehen ist, ich gehe schon davon aus, dass wir das in dieser Legislatur schaffen". Laut einem, der sich auskennt, dürfte es deutlich schneller gehen: Der Gesetzesentwurf liegt im Ministerium bereit, der Landtag könnte noch im Winter darüber beraten. Die Regelung soll besonders den großen Zulauf in den geisteswissenschaftlichen Fächern beim Lehramt Gymnasium lenken. "Ich kann niemandem verbieten, dass er Deutsch-Geschichte studiert", sagte Spaenle. Mit der Änderung des Lehrerbildungsgesetzes könnte Bayern aber den Beginn des Referendariats für manche bis zu drei Jahre verzögern.

Das Ministerium denkt auch über Zusatzqualifizierungen wie Bachelor oder Master nach. Bisher setzt Bayern auf Beratung an Gymnasien sowie Universitäten und veröffentlicht jedes Jahr die Lehrerbedarfsprognose. Damit werden Abiturienten über Einstellungschancen informiert und vor Fächern mit schlechten Aussichten gewarnt. Offenbar vergeblich. Besonders bei Gymnasial- und Realschullehrern ist die Situation prekär. Im neuen Schuljahr bekamen nur drei Prozent der Realschulpädagogen eine feste Stelle beim Freistaat, der Verband versuchte sogar mit Plakaten in München mobil zu machen. An den Gymnasien waren es elf Prozent, von 886 Absolventen mit dem Leitfach Deutsch bekamen nur 17 einen Job.

Dass eine Lösung her muss, ist Parteien und Verbänden klar. Auch so manchem CSU-Abgeordneten reiche es, munkelt man. Aber der Weg sei falsch, sagen Bildungsforscher. Laut Gerhard Büttner von der Akademie für Bildungsforschung und Lehrerbildung an der Frankfurter Goethe-Universität, ist die Zahl der Lehramtsstudenten trotz Bremse in Hessen nicht zurückgegangen. Das Problem liege im Föderalismus: "Die Bildung ist die letzte heilige Kuh der Länder, sagte Büttner. Jedes Land bilde nach unterschiedlichen Standards für den eigenen Bedarf aus, das mache den Wechsel nach dem Examen sehr schwer.

Experten sehen die Schranke "sehr kritisch"

Dabei fehlen im Osten 30 000 Lehrer, während der Westen Überschuss produziert. Klaus Klemm, Experte für Bildungs- und Lehrerbedarfsplanung, hält es für "unverantwortlich, Absolventen eines Lehramtsstudiums im Verlauf ihrer Ausbildung den Abschluss zu verweigern oder durch Wartezeiten hinauszuschieben." Erst mit dem zweiten Examen werden aus Studenten Lehrer. Manche Bundesländer haben das Lehramtsstudium daher auf Bachelor/Master umgestellt.

Auch in Nordrhein-Westfalen, wo Klemm bis 2007 in Essen lehrte, steht eine "Beschränkung auf Zeit" im Gesetz. Bisher blieb sie ungenutzt. "NRW verdient auch an Referendaren", sagte Peter Silbernagel, der Vorsitzende des Philologenverbands NRW. Sie sind billiger als Lehrer. Er fürchtet, dass die Beschränkung den Schweinezyklus, den ständigen Wechsel aus Lehrermangel und Überfluss, eher verstärke. "Von diesem Signal rate ich dringend ab, das könnte auch Studenten der Naturwissenschaften abschrecken und die brauchen wir dringend."

Verstoß gegen das Recht auf freie Berufswahl?

Auch sein bayerischer Kollege Max Schmidt sieht die Schranke "sehr kritisch". "Wartelisten abzuarbeiten und zu hoffen, dass Studenten nach drei Jahren nicht mehr wiederkommen, ist keine Lösung", sagte Schmidt. Panik möchte er vermeiden, für die Studenten gelte Vertrauensschutz. Die geplante Neuregelung ist für Simone Fleischmann ein "No Go". Studenten müssten über Einsatzfelder abseits ihrer Schulart nachdenken, sagte die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands.

Die Opposition schlägt schärfere Töne an: "Es wäre fahrlässig die Zahl der Lehrer zu deckeln", sagte Isabell Zacharias (SPD), "was, wenn wieder etwas Unvorhergesehenes passiert?" Bayern brauche mehr Lehrer um Stundenausfall, Integration der Flüchtlingskinder und Inklusion zu bewältigen. Gerade jetzt wäre das ein "Armutszeugnis", sagte Verena Osgyan (Grüne). Auch Michael Piazolo (Freie Wähler) hält das Timing für "falsch". "Wir brauchen qualifizierte Lehrer, diese Situation dauert nicht nur ein, zwei Jahre, sagte der Hochschullehrer. Statt eines "Pfropfens" solle der Bedarf über Eingangstests und Praxisprüfungen während des Studiums geregelt werden, damit Studenten früh genug merken, ob sie umsatteln müssen.

Eine Zugangsbeschränkung zum Studium verstoße gegen das Recht auf freie Berufswahl, sagte der Kultusminister. Die Neuregelung des Referendariats gebe Bayern wenigstens ein Instrument an die Hand. "Das heißt ja nicht, dass man das dann auch gleich einsetzt", sagte Spaenle.

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