Süddeutsche Zeitung

Freizeitpark:Was zum Achterbahn-Unglück im Legoland bekannt ist

Warum stießen die beiden Züge zusammen? Was sind erste Erkenntnisse der Ermittlungen? Und wie sicher sind Achterbahnen in Deutschland? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Thomas Balbierer, Patrick Wehner und Leopold Zaak

Was ist passiert?

Im Freizeitpark Legoland gab es am Donnerstagnachmittag einen schweren Unfall auf einer Achterbahn, weil zwei Züge zusammenstießen. Bei dem Aufprall wurden 31 Menschen verletzt, 16 von ihnen kamen in ein Krankenhaus. Nach Angaben von Manuela Stone, der Geschäftsführerin vom Legoland in Günzburg, haben alle Verletzten die Krankenhäuser noch am Abend wieder verlassen. Den Angaben widerspricht die Polizei Kempten. Demnach werde eine Person mit schweren Verletzungen noch immer im Krankenhaus behandelt

Wie kam es zu dem Unfall?

Ersten Erkenntnissen der Polizei zufolge ist ein Zug der Achterbahn "Feuerdrache" auf einen vorausfahrenden Zug aufgefahren, weil dieser zuvor stark abgebremst hatte. Noch am Donnerstag war ein Vertreter der Staatsanwaltschaft vor Ort, um die Achterbahn zu begutachten. Zudem soll ein Sachverständiger hinzugezogen werden. Warum aber der Zug einfach stehenblieb und der andere auf ihn aufprallte, ist derzeit noch unklar. Und so schnell dürfte sich daran auch nichts ändern. Ein Sprecher von Polizei und Staatsanwaltschaft sagte am Freitag, die Ermittlungen zur Unfallursache könnten noch mehrere Monate dauern. "Da steht viel Arbeit an für die Kripo Neu-Ulm", sagte Polizeisprecher Dominic Geißler.

Was ist der Stand der Ermittlungen?

Bereits seit Donnerstag ermittelt die Kripo Neu-Ulm wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Körperverletzung. Gegen einen oder mehrere konkrete Beschuldigte richtet sich das bislang aber nicht. Das sagte der zuständige Staatsanwalt am Freitag. Bislang ist ungeklärt, ob ein technischer Defekt oder ein Fehler des Personals Ursache war. Am Donnerstag war die Rede von einem Fehler in der Elektronik, der zu dem Unfall geführt haben könnte. Laut Polizei sollen zudem heute und in den nächsten Tagen Zeugen vernommen werden. Dafür sei am Tag des Unfalls keine Zeit gewesen.

Was ist über das Fahrgeschäft "Feuerdrache" bekannt?

Die Stahlachterbahn ist seit der Eröffnung des Freizeitparks 2002 eine der Hauptattraktionen. Laut Legoland-Homepage fährt sie bis zu acht Meter pro Sekunde schnell, was rund 29 Kilometern in der Stunde entspricht. Nach Angaben einer Online-Datenbank für Achterbahnen kann die Anlage sogar eine Geschwindigkeit von bis zu 56,5 Kilometer pro Stunde erreichen. Sie besteht aus drei Zügen, in denen jeweils 20 Menschen in Zweierreihen sitzen können. Hergestellt hat die Konstruktion die Karussell- und Spezialmaschinenbau-Firma Zierer aus dem niederbayerischen Deggendorf. Eine Sprecherin des Unternehmens sagte am Freitag auf SZ-Anfrage, dass man sich derzeit weder zu technischen Details der Achterbahn noch zu möglichen Ursachen des Unfalls äußern werde. "Solange der Vorfall untersucht wird, machen wir keine Aussage." Auch das Legoland ließ Fragen zur Wartung und möglichen Problemen an dem Fahrgeschäft unbeantwortet. "Aktuell sind wir noch in Absprachen", teilte eine Sprecherin mit. Auf einer sehr kurzen Pressekonferenz wollte auch Legoland-Geschäftsführerin Manuela Stone keine Fragen beantworten.

Wie geht es vor Ort weiter?

Nach dem Unglück am Donnerstag lief der Betrieb in den anderen Bereichen wie üblich weiter. Augenzeugen berichten, erst nach Verlassen des Legolands von dem Unfall erfahren zu haben, weil es keine Durchsagen gab, die vom Zusammenstoß der Achterbahnzüge berichtet hätten. Am Freitag waren die Türen ebenfalls geöffnet, allerdings nur für Gäste, die schon im Voraus Tickets für das Legoland gekauft hatten. Sowohl an der Tageskasse vor Ort, als auch auf der Homepage gab es keine Eintrittskarten. Für Samstag und danach sind wieder Tickets erhältlich.

Der Teilbereich, in dem sich das Unglück ereignete, blieb jedoch wegen der Ermittlungsarbeiten gesperrt. "Das Land der Ritter bleibt vorübergehend geschlossen", sagte Legoland-Geschäftsführerin Manuela Stone. Die Achterbahn selbst war schon kurz nach dem Unfall von der Polizei für Untersuchungen gesperrt worden. Wann sie wieder den Betrieb aufnehmen kann, ist noch unklar. Ein spezialisierter Gutachter für Achterbahnen werde erst Anfang der kommenden Woche die Anlage begehen können.

Wie häufig passieren Unfälle bei Achterbahnen?

Der Unfall im Legoland erinnert an ein Unglück von vergangener Woche im Wild- und Freizeitpark Klotten. Dort starb am Samstag eine 57-jährige Frau, weil sie aus einer fahrenden Achterbahn geschleudert wurde. Unfälle bei Fahrgeschäften passieren immer wieder. Im Juli starb ein 14-jähriges Mädchen in einem Freizeitpark im dänischen Aarhus, weil sich zwei Sitze einer Achterbahn gelöst hatten. Auf der Rheinkirmes in Düsseldorf wurden zwei Menschen am Kopf verletzt, als Teile von einem Freifallturm runtergefallen waren. Den letzten größeren Vorfall in Bayern gab es 2017. Weil ein Stahlseil gerissen war, sackten die Sitze eines Freifallturms einige Meter in die Tiefe bis die Sicherungssysteme griffen. Dabei wurden 13 Kinder verletzt.

Wer ist zuständig für die Überprüfung von Achterbahnen?

Alle Achterbahnen und sonstigen Fahrgeschäfte werden in Deutschland regelmäßig von Prüfunternehmen untersucht. Maurice Shahd, Pressesprecher vom TÜV-Verband, sagt, dass Anlagen in Freizeitparks wie dem Legoland einmal im Jahr von unabhängigen Sachverständigen geprüft würden. "Das passiert in der Regel vor Saisonbeginn." Bei Achterbahnen, die zu verschiedenen Volksfesten transportiert werden, sei die Taktung noch enger. Jedes Mal seien externe Gutachter vor Ort, die die Fahrgeschäfte überprüfen, bevor sie erneut in Betrieb genommen werden. Vor allem auf Materialermüdung, Rost oder sonstigen Verschleiß werde genau geprüft. Leichte Mängel könnten schnell behoben werden, bei erheblichen Mängeln müsse die Achterbahn erst repariert werden, bevor sie in Betrieb gehen kann. Dazu, wie häufig bei Achterbahnen Fehler bei Material oder Technik festgestellt werden, führt der TÜV keine Statistik. "Wir machen auch immer eine Probefahrt, um auch sicherzustellen, dass die Kräfte, die auf den Körper wirken, nicht zu groß sind. Wir prüfen die Achterbahnen sehr genau sowohl technisch als auch mit allen Sinnen", sagt Shahd.

Sind die deutschen Achterbahnen sicher?

Geht es nach Frank Hakelberg, dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Schaustellerbundes, sind die deutschen Achterbahnen mit die sichersten auf der Welt. "Wir haben ein sehr sicheres Überprüfungssystem und deswegen sehr sichere Bahnen", sagt er. Zusätzlich zu den Begutachtungen komme alle vier bis sechs Jahre eine Sonderprüfung dazu. "Da wird die ganze Bahn auseinandergebaut, oft sogar ablackiert und stark belastete Teile werden gewissermaßen geröntgt, um zu sehen, ob das Material Risse hat." Deutschland sei mit dieser Sonderprüfung weltweit das einzige Land, das so genau hinsehe. TÜV-Sprecher Maurice Shahd sieht auch die Betreiber selbst in der Verantwortung, die Sicherheit ihrer Fahrgeschäfte herzustellen. Die seien verpflichtet, jeden Tag einen Sicherheitscheck ihrer Anlagen durchzuführen, sagt Shahd.

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