Weltberühmte SehenswürdigkeitAus 3455 Teilen: Lego verkauft jetzt Schloss Neuschwanstein

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Über den Aufgang und durch das Hauptportal kommen die Touristen ins Schloss – diesen Weg soll auch das Modell nachvollziehbar machen.
Über den Aufgang und durch das Hauptportal kommen die Touristen ins Schloss – diesen Weg soll auch das Modell nachvollziehbar machen. (Foto: Lego)

Traumschloss zum Selberbauen: Lego-Fans haben es lange erwartet, bald gibt es den Palast des Märchenkönigs tatsächlich in einem Karton mit mehr als 3000 Teilen. Als Bayerns oberster Schlossherr und Lego-Fan wird da selbst Markus Söder sentimental.

Von Michael Zirnstein, Schwangau

Klemmbaustein-Fans sind seit Februar ganz aus dem Häuschen. Auf dem Internet-Magazin StoneWars („Krieg der Steine“) wurde in der Rubrik „Gerüchte“ groß gemeldet, Lego würde Schloss Neuschwanstein herausbringen. Das bevorstehende Ereignis wurde in der Szene eifrig diskutiert, vorwiegend die Frage, ob so eine „kitschige“ Sehenswürdigkeit überhaupt zur angedachten „Architecture“-Reihe passen würde.

In der wurden zunächst Häuser von Architektenstars wie Frank Lloyd Wright oder Mies van der Rohe geehrt, zuletzt kam die Kathedrale Notre-Dame heraus. Die Vorfreude überwog in den Kommentaren – oder wie einer schrieb: „Mega schön, endlich was aus Bayern!“ Bei den bisher 56 Modellen dieser Serie real existierender Immobilien gibt es ohnehin erst ein einziges Bauwerk aus Deutschland, das Brandenburger Tor aus dem Jahr 2011.

Man darf sich schon wundern, warum das weltberühmte Märchenschloss des bayerischen Künstlerkönigs nicht längst als Baukasten zu haben war. Fing es nicht so an damit?

Dazu ein kleiner Schwenk von der Schwangauer Pöllatschlucht über den Forggensee (den es zu Ludwigs Zeiten nicht gab) zum Füssener Festspielhaus. Im dortigen Musical „Ludwig2“ stapelt eingangs der Kronprinz-Pimpf Ludwig Spielsteine zu Burgen. Die Szene ist nicht historisch belegt, aber die Musical-Macher haben recherchiert, dass „bemalte Bauklötze zu dieser Zeit im Bildungsbürgertum und Adel schon als Spielzeuge eingesetzt wurden und Ludwig früh ein Interesse an Architektur zeigte“. Freilich hatte er noch kein Lego, der dänische Tischler Ole Kirk Christiansen stellte erst 1949 erste steckbare Kunststoffsteine her, der erste moderne „Lego-Brick“ wurde 1958 zum Patent angemeldet.

Im Grunde sind es noch immer dieselben Hohlquader mit Noppen, von denen einige im neusten Modell 21063 als Fundament dienen. Denn ja, Schloss Neuschwanstein wird es wirklich als Lego-Kasten geben, wie das Unternehmen nun am 30. Juni verkündet hat. Die Gerüchte aus dem Mai stimmen von der Modellnummer über die Teileanzahl – 3455 – bis zum Verkaufspreis von 269,99 Euro exakt – was schon verblüffend ist, da der im dänischen Billund ansässige Weltkonzern seine Entwicklungen wie Staatsgeheimnisse hütet.

In voller Pracht, nur in klein: So sieht Schloss Neuschwanstein aus Legosteinen aufgebaut aus.
In voller Pracht, nur in klein: So sieht Schloss Neuschwanstein aus Legosteinen aufgebaut aus. (Foto: Lego)

Dabei war dieses Produkt sogar für den Freistaat ein Geheimnis. Der offizielle Neuschwanstein-Eigner war in die Schrumpfung der größten Attraktion seiner Schlösserverwaltung nicht eingeweiht. Die SZ hat den obersten Schlossherren informiert. Und Ministerpräsident Markus Söder ist begeistert: „Es freut mich sehr, dass Neuschwanstein künftig bei Lego dabei ist. Es ist ein wunderschönes Schloss und noch dazu tolle Werbung für den Freistaat“, teilt er mit, „Neuschwanstein ist Bayerns großes Wahrzeichen. Beim Anblick des Schlosses denken weltweit manche vielleicht an Disney – aber nein: Neuschwanstein ist und bleibt das Original aus Bayern.“

Übrigens befindet sich auch der Deutschland-Sitz von Lego im bayerischen Grasbrunn. Und mehr als die 1,4 Millionen Besucher jährlich in Neuschwanstein, dem „unangefochtenen Besuchermagnet“ der Schlösserverwaltung, hat sogar das Legoland in Günzburg zu verzeichnen: etwa zwei Millionen. Dort, im Miniland, steht das bisher einzige Lego-Neuschwanstein: 300 Kilogramm schwer, aus 300 000 Teilen zusammengesetzt, wurde es 2003 von Prinzessin Benedikte von Dänemark eingeweiht.

Prinzessin Benedikte von Dänemark bei ihrem Besuch vom Nachbau des Schlosses Neuschwanstein 2003 im Legoland Günzburg.
Prinzessin Benedikte von Dänemark bei ihrem Besuch vom Nachbau des Schlosses Neuschwanstein 2003 im Legoland Günzburg. (Foto: JAN PITMAN/AP)

Bald gibt es das Traumschloss für jedermann, „ein Stück Geschichte zum Selberbauen“, wie Lego schreibt. Der Verkauf startet am 1. August – zufälligerweise dann, wenn das Unesco-Komitee nach einem jahrzehntelangen Bewerbungsprozess darüber entscheidet, ob die Schlösser Ludwigs II. auf die Weltkulturerbe-Liste genommen werden. Der Palast fürs eigene Heim oder Büro wird 31 mal 46 mal 20 Zentimeter groß sein und damit in Regale, Vitrinen oder auf Schreibtische passen. Lego kann nun endlich in seinem Hauptgeschäft in der Münchner Fußgängerzone ein Souvenir aus Bayern verkaufen – bisher gab es dort nur zwei Schlüsselanhänger von Figuren in Dirndl und Lederhose.

Weil sich selbst ein solches Spielzeug-Schloss nicht jeder leisten kann, erwägt man, noch ein Micro-Neuschwanstein zum Zusammenstecken direkt im Geschäft anzubieten. Neuschwanstein ist für Lego aber nicht nur ein regionales Produkt, das „Architecture“-Modell soll weltweit vertrieben werden. Schließlich kennt man es von Japan bis in die USA, es diente Disney als Vorlage für sein Dornröschenschloss und hat auch Harry Potters Burg-Internat Hogwarts geprägt.

Passt auf die meisten Kommoden: der Mini-Palast aus 3455 Teilen.
Passt auf die meisten Kommoden: der Mini-Palast aus 3455 Teilen. (Foto: Lego)

Rok Žgalin Kob kannte diese popkulturelle Bedeutung, und er recherchierte darüber hinaus noch so viel mehr, dass er seinen Kindern bei einem persönlichen Neuschwanstein-Besuch als Fremdenführer alles erklären konnte. Der slowenische Bauklötzchen-Designer – selbst Architekt und ein Star der Lego-Szene – tüftelte ein halbes Jahr lang daran, das Monument aus 465 Tonnen Salzburger Marmor, 1550 Tonnen Sandstein und 400000 Ziegeln in ein handliches Format zu bringen. Bis zu 200 Arbeiter mühten sich von 1869 an fast zwei Jahrzehnte lang, die Pläne des Münchner Theatermalers Christian Jank und die Wunschvorstellungen Ludwigs II. Wirklichkeit werden zu lassen – das schafft jetzt ein „erwachsener Baumeister“ in ein paar Tagen.

Im dicken Bauhandbuch sollen auch historische Informationen gegeben werden. Rok Kob war es wichtig, nicht nur die prägnanten Giebeldächer, Türmchen und Außenanlagen nachzubilden, sondern auch den Sängersaal und die kleinen Kammern drinnen – die beim fertigen Modell gar nicht zu sehen sind. Das macht den Bauherren von heute zu einem Ludwig 2.0. Der König wollte sein Refugium, seine begehbare Wagner-Theaterwelt schließlich auch für sich allein.

Für den internationalen Vertrieb ausgelegt: der Schriftzug ist auf Englisch.
Für den internationalen Vertrieb ausgelegt: der Schriftzug ist auf Englisch. (Foto: Lego)

Aber was wäre das Schloss ohne seine prächtige Lage? Auch Neu-Lego-Stein thront auf dem Bärenfelsen. Die Bäume (ursprünglich Teile eines Blumen-Sets) können sogar der Jahreszeit angepasst werden – grün im Sommer oder mit flammendem Herbstlaub. Noch ein Fakt für Fans: Produkt 21063 ist das Modell mit den meisten bedruckten Teilen der Reihe, nämlich 240 (vor allem die Fenster-Steine).

Wegen der vielen Fenster ist das Lego-Neuschwanstein das Modell der Architecture-Reihe mit den meisten bedruckten Teilen.
Wegen der vielen Fenster ist das Lego-Neuschwanstein das Modell der Architecture-Reihe mit den meisten bedruckten Teilen. (Foto: Lego)

Wenn Markus Söder an all die bunten Klötzchen denkt, wird er nahezu sentimental: „Als Kind habe ich selbst damit gespielt, meine Kinder haben damit gespielt – und irgendwann werde ich vielleicht auch mal mit Enkeln Lego bauen. Väter sind sowieso immer auch mit Lego beschäftigt“, sagt er. „Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir in der Familie direkt noch an Heiligabend und frühmorgens am ersten Weihnachtsfeiertag groß mit Lego gebaut haben. Leider ist von der vielen Arbeit schon nach kurzer Zeit nur wenig übrig gewesen, aber das gehört dazu.“  Wie bei staatlichen Großbauprojekten lief nicht alles gleich nach Plan: „Eine besondere Herausforderung: Saurons Turm aus ‚Herr der Ring‘.“ Aber denken wir nicht an Fantasy-Herrscher, beim Lego-Neuschwanstein könnte Söder bayerische Baugeschichte weiter schreiben: Wer will, kann hier Ludwigs nie vollendete Pläne zu Ende bringen – die Stelle etwa für den bis heute fehlenden Bergfried ist markiert.

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