Lebzelter in Pfaffenhofen:Wie Hans Hipp ein altes Handwerk erhält

Lebzelter in Pfaffenhofen: Lebzelter Hans Hipp zeigt ein historisches Backmodel.

Lebzelter Hans Hipp zeigt ein historisches Backmodel.

(Foto: Willy Hailer)

Lebzelten sind das älteste Gebäck der Menschheit - doch mit der Industrialisierung sind sie fast ausgestorben. Konditor Hans Hipp frönt bis heute der Tradition und der Geschichte.

Von Hans Kratzer, Pfaffenhofen

Seit einiger Zeit umarmt die Globalisierung auch die Konditoreien. Viele der dort feilgebotenen Backwaren tragen inzwischen englisch-amerikanische Namen wie Donuts, Cupcakes, Cookies und Bagels. Das traditionelle Backwerk gerät ins Hintertreffen, vor allem die ältesten Süßspeisen überhaupt, die Lebzelten, die vor dem Aussterben stehen. Sie müssen in aufwendiger Handarbeit angefertigt werden, was sich im industriellen Backzeitalter niemand mehr antut.

Immerhin einen Lebzelter gibt es noch: Hans Hipp, 66, aus Pfaffenhofen ist wohl der letzte seiner Zunft in Deutschland, der dieses Handwerk noch pflegt und damit eine Tradition am Leben erhält, die bis in unsere Sprache hineingewirkt hat. Nur ein kleines Beispiel: Die Anbahnung einer Liebelei erfolgt heute reichlich unromantisch über Whatsapp, SMS oder Twitter. Früher wurden Romanzen liebevoller eingefädelt. Laut Hans Hipp verhielt es sich so, dass ein verliebter Jüngling seinem Schwarm einen Lebkuchen in Form eines Liebespaars überreichte. War auch das Gspusi entflammt, dann biss es ein Stück vom Lebkuchen ab und zeigte damit dem Verehrer, dass es ihn zum Fressen gern hatte. Zumindest hat dieser Brauch die Zeiten in einer Redewendung überdauert.

Traditionelle Arbeit mit Honig und Wachs

Einige Jahrhunderte überdauert hat auch das Geschäftshaus Hipp in Pfaffenhofen, in dem das Handwerk der Wachszieher und Lebzelter seit 400 Jahren ausgeübt wird. "Seit dem 17. November 1610 können wir urkundlich lückenlos die Lebzelter- und Wachszieherei in unserem Haus nachweisen", sagt Hipp. Konkret bedeutet das, dass hier wie eh und je Honig und Wachs verarbeitet werden, und zwar zu Lebzelten, Lebkuchen, Kerzen, Wachswaren und Votivgaben.

Es ist eine ungewöhnliche Warenmischung, fürwahr, die sich aber aus dem historischen Berufsbild erklärt. Gemäß der alten Zunftordnung durfte nur ein gelernter Lebzelter die Produkte der Biene, also Honig und Wachs, verarbeiten und die Erzeugnisse verkaufen.

Hans Hipp ist ein traditionsbewusster Mensch. Deshalb hat er, um das wertvolle Erbe zu bewahren, in seinem Café sogar ein Lebzelterei- und Wachsmuseum eingerichtet. Dort ist im Übrigen auch dokumentiert, wie vor mehr als hundert Jahren die Erfolgsgeschichte der Hipp-Kindernahrung ihren Anfang nahm. 1932 wurde die Produktion vom Stammhaus in eine eigene Firma ausgelagert. Nach dem Krieg stieg der Betrieb zu einem heute international erfolgreichen Unternehmen auf, dessen Geschäftsführer Claus Hipp der Cousin des Lebzelters Hans Hipp ist.

Das Handwerk starb in der Industrialisierung aus

Lebzelter in Pfaffenhofen: Anleitung anno 1897: Eine Seite aus dem Rezeptbuch von Joseph Hipp.

Anleitung anno 1897: Eine Seite aus dem Rezeptbuch von Joseph Hipp.

(Foto: Willy Hailer)

Früher waren Lebzelter aus keinem größeren Ort wegzudenken. Die Industrialisierung aber ließ dieses Handwerk praktisch aussterben. Umso energischer achtet Hans Hipp darauf, dass die Lebzelterei in seinem Betrieb neben der normalen Konditorarbeit weitergeführt wird. Die Begeisterung für dieses Handwerk ist Hipp bis heute nicht abhanden gekommen. "Lebzelten sind das älteste Gebäck der Menschheit überhaupt", schwärmt er. Der Backvorgang ist schon auf Wandgemälden der alten Ägypter dokumentiert.

Bevor sie Zucker gewannen, standen den Menschen nur Honig und Früchte zum Süßen zur Verfügung. Auch Hipps Lebzelten werden nur mit Honig gesüßt, der Teig wird ohne künstliche Zusätze hergestellt und muss neun Monate lagern. Das Rezeptbuch seines Großvaters von 1897 enthält nicht nur die Zutaten, sondern die Behandlungsweisen des Teigs. "Daraus schöpfe ich heute", sagt Hipp. Aus dem Rezeptbuch werden Spezialitäten gefertigt, die es nirgends sonst gibt. "Benediktiner" zum Beispiel, mit Feigen gefüllte Fruchtlebkuchen.

Hipp geizt nicht mit guten Tipps

Soeben hat Hipp ein Buch veröffentlicht, in dem er den Wandel vom Honigzelten zur Lebkuchenspezialitäten ebenso beschreibt wie die Handwerkstradition seines Hauses. Sein Wissen, das er sich in ganz Europa angeeignet hat, behält er nicht für sich. Er beschreibt in dem Buch viele Backrezepte und geizt auch nicht mit praktischen Tipps.

Die alten Modeln aus dem 17. und 18. Jahrhundert sind ein Glanzstück des Museums. "Sie sind die Seele des ganzen Hauses, das Wertvollste, was es hier gibt", sagt Hipp. Der Teig wurde in diese flachen, oft unglaublich fein gestochenen Model gepresst und steinhart gebacken. Sie beweisen überdies, dass die Lebzelterei sogar die Kindererziehung geprägt hat. Hipp zieht ein sogenanntes ABC-Taferl aus einer Schublade, mit deren Hilfe Lebzelten geformt wurden, die den Kindern das Erlernen des Lesens versüßten. Buchstabe für Buchstabe konnten sie abbrechen und lutschen, bis die Mama endlich fragte: "Hast Du das jetzt gfressen?" Unter solchen Umständen haben die Kinder das Lesen und Rechnen früher gerne kapiert.

Hans Hipp, Das Lebkuchenbuch, Insel Verlag 2015.

Von Donnerstag bis Sonntag wird bei den Lebkuchentagen im Café Hipp (Pfaffenhofen, Hauptplatz 6) die Lebzelten-Herstellung demonstriert.

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