Lebensqualität:Einsamkeit ist eine Krankheit

Lebensqualität: Einst Ministerialdirigent im bayerischen Sozialministerium ist Franz Wölfl nun der Vorsitzende der Landesseniorenvertretung Bayern. Der 70-Jährige profitiert in diesem Ehrenamt von seinen vielfältigen beruflichen Erfahrungen.

Einst Ministerialdirigent im bayerischen Sozialministerium ist Franz Wölfl nun der Vorsitzende der Landesseniorenvertretung Bayern. Der 70-Jährige profitiert in diesem Ehrenamt von seinen vielfältigen beruflichen Erfahrungen.

(Foto: Privat)

Seniorenvertreter fordert vom Staat Maßnahmen gegen das Alleinsein

Interview von Dietrich Mittler

Franz Wölfl, der Vorsitzende der Landesseniorenvertretung Bayern, spricht Klartext. Viele alte Menschen in Bayern, so betont er, litten unter Einsamkeit. Doch kaum jemand mache sich die Mühe, sie da herauszuholen. Auch der Staat halte sich vornehm zurück. Ganz anders in Großbritannien: Dort gibt es sogar ein Ministerium für Einsamkeit.

SZ: Herr Wölfl, im Moment wird viel über Altersarmut diskutiert. Sie aber sagen, diese Diskussion greife zu kurz. Warum?

Franz Wölfl: Zur Lebensqualität gehört mehr als nur das Einkommen. Ausgespart wird da meist, dass sich die Leute immer mehr in die Einsamkeit zurückziehen.

Woran machen Sie das fest?

Das höre ich in vielen Gesprächen, die ich als Seniorenvertreter führe. Da kommen Leute zu mir, die haben kein konkretes Anliegen, sondern wollen einfach nur reden. Die haben niemanden anderen mehr.

Was lässt sich dagegen tun?

Es ist Aufgabe des Staates und der Gesellschaft, dafür zu sorgen, dass alte Menschen gar nicht erst in die Einsamkeit abdriften. Und wenn sie doch vereinsamen, dass man sie da herausholt. Einsamkeit ist streng genommen eine Krankheit. So wie jeder Raucher sein Leben verkürzt, so verkürzen auch jene Menschen ihr Leben, die sich in die Einsamkeit zurückziehen.

Aber konkret - was lässt sich denn dagegen tun?

Ein Beispiel: Jeder kennt diese Einrichtung "Essen auf Rädern", bei der Mahlzeiten zu den Leuten nach Hause gebracht werden. Ich bin der Meinung, es sollte umgekehrt sein. Man muss die Menschen zu Hause abholen und in die Gemeinschaft bringen. Gemeinsam essen, so sollte es sein. Da kommt man in Kontakt mit anderen.

Und weiter?

Auch der Staat muss da mehr in die Wege leiten. Es gibt Kampagnen gegen das Rauchen, Initiativen für gesundes Essen und ausreichend Bewegung. Aber es gibt keine entsprechenden Maßnahmen gegen Einsamkeit. So geht es aber nicht. Es besteht dringender Handlungsbedarf seitens der Politik. Zum Beispiel könnte der Staat doch älteren Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zu digitalen Dienstleistungen und Angeboten gewährleisten.

Also Laptop und Handy für alle Alten?

So flapsig würde ich das nicht ausdrücken. Und außerdem, mit der Bereitstellung der technischen Voraussetzungen allein ist es nicht getan. Zwar sehe ich die Kommunen in der Pflicht, in öffentlichen Einrichtungen wie Bibliotheken oder Schulen für Senioren kostenfreie Zugänge zum Netz und damit auch Übungs- und Nutzungsmöglichkeiten zu schaffen. Aber man muss die alten Menschen auch an die neue Technik heranführen. Für Vereine wäre das ebenfalls eine dankbare Aufgabe.

Ist es tatsächlich Aufgabe des Staates, der Einsamkeit von alten Menschen entgegenzutreten?

Ja, ist es. Das ist Teil der Daseinsvorsorge. Aber, wie gesagt, auch die Kommunen sind gefordert.

Hat die Einsamkeit alter Menschen nicht oft auch etwas mit ihren finanziellen Ressourcen zu tun?

Richtig, aber da sollten wir eines nicht aus dem Auge verlieren. Eine der Hauptursachen für Altersarmut ist der Niedriglohnbereich, und der ist in den letzten Jahre stetig gewachsen. Hier muss sich etwas tun.

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