Leavenworth im Bundesstaat Washington:Eine typisch bayerische Stadt - in den USA

Die Bewohner von Leavenworth haben ihren Ort komplett nach bayerischen Vorbild umgebaut - und damit gerettet. Ein Besuch.

Von Verena Toth

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Bayrisches Dorf Leavenworth, USA

Quelle: Verena Toth

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Sein Name ist Karl, er trägt traditionelle Lederhosen, einen Hut mit Gamsbart und hält eine Mass Bier in der Hand. Er ist der Star, das Maskottchen in Amerikas einzigem Nussknacker-Museum im Örtchen Leavenworth, im US-Bundesstaat Washington. Nicht nur jetzt in der Winterzeit staunen täglich hunderte Besucher über den Riesen-Nussknacker, der von Karl Rappl, einem Holzbildhauer aus Oberammergau, speziell für das Museum und seine Leiterin Arlene Wagner aus einem Lindenholzstamm geschaffen wurde. Etwa 15 000 Besucher aus den Staaten und der ganzen Welt begrüßt die Museumschefin jedes Jahr.

"Unser Karl ist höchstwahrscheinlich das meist fotografierte Motiv in unserem bayerischen Dorf", sagt Wagner, die im Ort nur die "Nutcracker-Lady" genannt wird. Die 92-Jährige ist seit Jahrzehnten leidenschaftliche Sammlerin von Nussknackern aller Art und gründete das Museum im Jahr 1995 gemeinsam mit ihrem Ehemann George, der seine deutschen Wurzeln stets liebevoll pflegte. "Wir zeigen heute mehr als 7000 Nussknacker aus 50 Ländern in verschiedensten Variationen und von der Römerzeit bis in die Gegenwart", sagt Arlene Wagner stolz.

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Ein großer Teil der Sammlung besteht aus ganzen Kollektionen von erzgebirgischen Herstellern. Aber auch Nussknacker aus der Werkstatt von Kunsthandwerker Max Keller aus Oberammergau und vom fränkischen Familienunternehmen Rascher aus Roth bei Nürnberg haben ihren Platz in den Vitrinen. Neben den hölzernen Figuren gehören zudem zahlreiche kunstvoll gestaltete Exponate aus Wurzelholz, etwa 500 Jahre alte Metall-Nussöffner aus England und noch ältere Exemplare aus Stein und Elfenbein zur internationalen Ausstellung.

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Auch die amerikanische Kulturgeschichte darf mit Micky-Maus-Nussknackern und einer ganzen Star-Wars-Nussknacker-Kollektion nicht fehlen. Sogar ein Raumfahrer mit Sternenbanner ist zu bewundern. Die Frage, was sie denn so an den Nussknackern fasziniere, versteht die leidenschaftliche Sammlerin beinahe als Beleidigung: "Was kann man daran nicht bewundern? Es gibt wohl kaum ein anderes von Menschen geschaffenes Werkzeug in so vielseitigen Versionen und in den verschiedensten Materialien." Ein einziges Lieblingsstück ihrer Sammlung könne sie gar nicht benennen, sagt sie.

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Kein Zufall ist, dass das außergewöhnliche Museum und sein bayerisches Maskottchen Karl in dem Touristenörtchen Leavenworth, etwa eine Autostunde entfernt von Seattle, alljährlich wahre Besucherströme anlocken. Bayerische Trachten und deutsche Traditionen gehören längst zum Lebensgefühl der amerikanischen Einwohner. Biergarten, Christkindlmarkt und Oktoberfest sind feste Bestandteile im städtischen Tourismuskonzept.

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Das ehemalige Holzfällerörtchen war in den 60er-Jahren dem Untergang geweiht, da die einzige Einnahmequelle - die Holzindustrie - mit der Schließung der wichtigen Eisenbahnverbindung verloren ging. "Nur noch wenige Geschäfte waren geöffnet, die Schulen standen vor dem Aus, die Gebäude verfielen. Das wollten wir, die letzten etwa 2000 verbliebenen Einwohner, jedoch nicht hinnehmen", sagt Bürgermeisterin Cheri Kelley Farivar.

Nach dem Vorbild des dänischen Dorfes Solvang im Bundesstaat Kalifornien, gestalteten sie ihren Ort einfach komplett um - in ein typisch bayerisches Dorf. So wurden Neubauten in der Innenstadt nur noch genehmigt, wenn sie den Maßgaben der städtischen Baubehörde entsprechen. "Diese Regeln haben wir gemeinsam mit deutschen Architekten und Einwanderern erarbeitet. Wir wollten unseren Ort so authentisch wie möglich gestalten", erläutert die Rathauschefin.

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In den vergangenen Jahrzehnten entstand so eine gemütliche Innenstadt mit Fassaden mit Lüftlmalereien, kleinen Geschäften, einer Festhalle, Biergarten und Restaurants, geschmückt mit weiß-blauen, deutschen und amerikanischen Flaggen. Sogar im Stadtwappen, das den Rathauseingang ziert, findet sich die weiß-blaue Referenz. Die alpine Landschaft des Kaskadengebirges tut ihr Übriges, um den Eindruck einer bayerischen Kleinstadt nahezu perfekt zu machen.

Bayrisches Dorf Leavenworth, USA

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Auch die fröhliche Museumschefin Arlene Wagner - stets bekleidet mit Dirndl - pflegt seit Jahrzehnten engen Kontakt nach Deutschland und zu Europas erstem Nussknacker-Museum im sächsischen Neuhausen. Jedes Frühjahr reist sie nach Deutschland, um sich im Erzgebirge mit Nussknacker-Sammlern aus aller Welt auszutauschen und die neuesten Exemplare für ihre eigene Ausstellung zu finden. Doch der unangefochtene Star und beliebtester Selfie-Partner in Amerikas einzigem Nussknacker-Museum bleibt der Bayer Karl.

© SZ.de/haeg
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