Oper:Liebe heute

Oper: Andromahi Raptis (links, hier mit Corinna Scheurle und Emily Newton) ist der leuchtende Stern des Abends, immer präsent, wach, charmant und zornig zugleich, ihre Susanna ist eine reine Freude.

Andromahi Raptis (links, hier mit Corinna Scheurle und Emily Newton) ist der leuchtende Stern des Abends, immer präsent, wach, charmant und zornig zugleich, ihre Susanna ist eine reine Freude.

(Foto: Bettina Stöss/Staatstheater Nürnberg)

Joana Mallwitz dirigiert mit Mozarts "Figaro" am Staatstheater Nürnberg ihre letzte Opernpremiere als Generalmusikdirektorin des Hauses.

Von Egbert Tholl

Joana Mallwitz sagte einmal, sie hätte in den fünf Jahren, in denen sie bald die Generalmusikdirektorin am Staatstheater Nürnberg gewesen sein wird, gern mehr Mozart gemacht. Mit der letzten Opernproduktion - Mallwitz geht am Ende der Saison nach Berlin -, die sie dort einstudiert hat, beweist sie auch, warum. "Le nozze di Figaro" musste coronabedingt zwei Jahre warten, bis sie herauskommen konnte. Nun aber funkelt alles. Die Ouvertüre ist an Rasanz nicht zu überbieten, das Orchester treibt einen geradezu ins Geschehen hinein. Dass dabei manche Details dem Furor geschuldet verwischen, es sei verziehen. Der Drive macht's. Auch immer wieder in den Übergängen zwischen den oft einfallsreich begleiteten Rezitativen und den Gesangsnummern. Das ist elegant, organisch, klasse.

Ansonsten ist Mallwitz dann am besten, wenn sie die Ensembles bauen kann. Das sind ja bei Mozart oft Uhrwerke mit gegeneinander drehenden Rädchen, weil die Figuren halt oft unterschiedliche Pläne oder Gedanken verfolgen. Mallwitz gelingt es instinktsicher, gleichermaßen die Polyphonie exakt zu gestalten wie auch die Tiefe auszuloten (was will die Frau bei einem Konzertorchester?). Sie begreift Mozarts "Figaro" konsequent als Ensemblestück, alle Duette, Terzette, Quartette und so weiter sind Minidramen in sich, neben deren Brillanz die Soloarien dann auch ein bisschen an Glanz verlieren. Lustigerweise ist - neben dem abgründig umfassenden Lamento des von Samuel Hasselhorn imposant gesungenen Grafen - die kleine, drollige Arie der Barbarina hier ein Höhepunkt. Wie Veronika Loy, hier eine kluge, leicht unwirsche, äußerst selbständige Barbarina, ihre Tölpelei bedauert, die ach so wichtige Nadel, welche den Brief an den Grafen versiegelte, verloren zu haben, das ist sehr witzig und leuchtet in wundervoll kühlen Farben. Wie ein kleiner, schöner Gletscher.

Regisseur Jens-Daniel Herzog zeichnet treffsicher sehr heutige Figuren

Jens-Daniel Herzog, der Nürnberger Intendant, erschafft mit seinem in allen Rollen munteren Ensemble sehr heutige Figuren: Cherubino (Corinna Scheurle) probt seine Liebesschwüre wie für einen Tiktok-Auftritt, der Graf und die Gräfin leben in einer großzügigen Altbauwohnung nebeneinander her. Sie bedient sich gern (wie einige andere auch) aus der Hausbar, ist sehr traurig, was Emily Newton anrührend spielt und damit auch kaschiert, dass ihre Stimme Mozart'schen Gefilden längst entwachsen ist. Er hingegen macht keinen Hehl aus seinen Strawanzereien, ein schicker Lebemann.

Die Figurenzeichnungen sind treffsicher, die Bühne von Mathis Neidhardt ist ein Clou. Erst sieht man Graf und Gräfin in ihren Wohngefilden, ein schwarzer Rombus trennt diese. Den faltet Figaro auf, darin seine und Susannas Wohnung, die zwar im Tapetendesign an die herrschaftliche Umgebung erinnert, aber karg ausgestattet ist. Immer wieder verändert sich der Zuschnitt, am Ende ist alles so geschlossen wie zu Beginn. Draußen allein die Tochter des gräflichen Paares.

Tochter? Die erfindet Herzog. Ein Mädchen, bezaubernd, das Angst hat, wenn Papi rast, das die Streitereien der Eltern nicht mehr hören will. Und das furchtsam Susanna zurückhält im zweiten Akt, wenn der wütende Graf sich auf die Suche nach dem Galan der Gattin macht (und Susanna findet). Manche ewige Wiederholung Mozarts kriegt dadurch neuen Sinn, vor allem ist das Mädchen Spiegel der Nöte. Denn da alle hier moderne Menschen sind, fragt man sich, weshalb die nicht einfach gehen. Warum nicht Figaro, der robuste Adam Kim (die besuchte Aufführung war die zweite, darin alternieren zwei Besetzungen gegenüber der Premiere), einfach die Nase voll hat. Oder Susanna? Nun, die findet den Grafen halt gar nicht so schlecht. Hält da durchaus was in der Schwebe. Und deswegen müssen alle aufeinander hocken, bis die Liebe geklärt ist.

Andromahi Raptis ist der leuchtende Stern des Abends, immer präsent, wach, charmant und zornig zugleich, ihre Susanna ist eine reine Freude. Und erklärt alles; alles, was die Männer wollen, die den Frauen hinterhertrotteln. Ein schöner Abend. Und ein sehr würdiges Finale für Joana Mallwitz, deren eigentlicher Abschied ein Konzert am 28. April in der Meistersingerhalle ist.

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