Gesundheitspolitik:Lauterbach kommt ohne Wahlkampfgeschenke nach Bayern

Lesezeit: 3 Min.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (links) war mit Bayerns SPD-Spitzenkandidaten Florian von Brunn in Kliniken im Freistaat unterwegs und erläuterte die Klinikreform. (Foto: Sachelle Babbar/Imago)

Die SPD hat den Bundesgesundheitsminister in den Freistaat eingeladen. Spitzenkandidat Florian von Brunn kann prominente Unterstützung gebrauchen. Doch in den notleidenden Kliniken ist Lauterbach gerade wenig beliebt.

Von Nina von Hardenberg, Ingolstadt

Der Gast aus Berlin gibt sich beim Besuch in Ingolstadt ausgewählt höflich. Er wolle sich beim Klinikum bedanken, sagt Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Das Haus habe ein hochauflösendes MRT angeschafft. Eine kluge Investition sei dieses Gerät, mit dem Schlaganfälle auch Stunden später noch gut erkannt werden können. "Leider haben immer noch sehr wenige Kliniken diese Geräte." Ingolstadt aber schon. Und mehr noch: Die Klinik habe dieses Investment aus dem laufenden Betrieb gestemmt, obwohl sie Defizite schreibe, lobt der SPD-Minister und liefert damit dem bayerischen Parteikollegen an seiner Seite das Stichwort. "Eigentlich muss der Freistaat Bayern dafür zahlen", sagt der SPD-Spitzenkandidat Florian von Brunn. Investitionen in Kliniken sind Ländersache. Und da sei noch ordentlich Luft nach oben, findet Brunn.

Montagvormittag in Ingolstadt. Die SPD hat Lauterbach nach Bayern eingeladen. Zusammen mit SPD-Spitzenkandidat Brunn besucht er Kliniken und Pflegeheime und gemeinsam stellen sie sich der Presse. Die SPD kann prominente Unterstützung im Wahlkampf gebrauchen. Nach letzten Umfragen liegt sie weiterhin zwischen acht und neun Prozent - also hinter Grünen, AfD und Freien Wählern; hinter der CSU sowieso. Weit entfernt aber auch von jenen 15 Prozent, die Brunn mal als Zielmarke ausgegeben hat.

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Ob allerdings der Besuch des Bundesgesundheitsministers geeignet ist, die Stimmung für die SPD herumzureißen, darf bezweifelt werden. Kaum ein Klinikmanager ist derzeit gut auf Lauterbach zu sprechen. In Bayern wie im Rest der Republik ächzen die Kliniken unter millionenschweren Defiziten. Ingolstadt etwa, mit 1073 Betten und mehr als 3800 Mitarbeitern das drittgrößte kommunale Klinikum in Bayern, steht mit 30 Millionen Euro in den Miesen. Minister Lauterbach aber kommt mit leeren Händen nach Bayern.

Die derzeitige Finanzmisere der Kliniken hat viele Gründe: Die Preise für Energie sind genauso gestiegen wie die Löhne von Ärzten und Pflegern, die Vergütung der Kliniken kommt da zu langsam nach, wie der Minister zugibt. Auf die Einnahmen der Kliniken drückt aber auch, dass immer weniger Patienten in die Krankenhäuser kommen. Wegen der Energiekrise gewährte der Bund den Kliniken zuletzt Nothilfen. Den Patientenschwund und die deshalb leer stehenden Betten aber könne und wolle er nicht ausgleichen, sagt Lauterbach. Dieser Trend sei in ganz Europa zu beobachten und aus Sicht der Patienten auch zu begrüßen. Viele Behandlungen, für die man früher tagelang in der Klinik war, würden heute ambulant gemacht.

Kurzfristig also kann oder will Lauterbach den Kliniken nicht helfen. Langfristig aber schon. Der Minister hat eine viel beachtete Klinikreform angeschoben, die den finanziellen Druck von den Kliniken nehmen soll. Sie ist eines seiner Herzensprojekte. Auch in Ingolstadt kommt er gleich darauf zu sprechen. Statt wie bislang jede einzelne Behandlung abrechnen und also möglichst viele Patienten durchschleusen zu müssen, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein, sollen Kliniken künftig ein fixes Vorhaltebudget erhalten, erklärt er. Dieses soll bis zu 60 Prozent ihrer Ausgaben abdecken.

Nur wenige große Krankenhäuser, wie das Klinikum Ingolstadt, könnten in Zukunft zum Beispiel spezialisierte Krebstherapien anbieten. So sieht es die Klinikreform des Bundesgesundheitsminister vor. (Foto: Klinikum Ingolstadt)

Im Gegenzug müssten Kliniken künftig gewisse Technik und Personalausstattung vorhalten. Längst nicht jede Klinik werde dies in allen Bereichen erfüllen. Spezialisierte Krebstherapien etwa könnten dann nur noch von einigen wenigen großen Häusern angeboten werden, erklärt Lauterbach. Häuser wie Ingolstadt also, die das Wissen und die Technik haben, in die aber bislang auch bei hochkomplexen Behandlungen nicht alle Patienten der Region hinkommen. Die Behandlungsqualität werde sich verbessern, sagt der Minister. Er spricht dann von der Fünf-Jahres-Überlebenschance nach Krebs, die in Deutschland mit seinem europaweit teuersten Krankenhaussystem eben nicht so hoch wäre wie anderswo.

Dass das Kliniksystem in Bayern neu strukturiert werden muss, finden auch viele Klinikmanager. Ihre Sorge ist aber, dass viele Häuser noch vorher pleite gehen könnten. "Bis die Reform wirklich wirkt, werden noch sehr viele Kliniken in die Insolvenz gehen", hatte selbst Lauterbach im Juli zugegeben. Wer sich hier im bayerischen Wahlkampf mildere Töne erwartet hat, wird am Montag enttäuscht. Geld geben statt Reform werde er nicht machen, sagt Lauterbach. Das sei in der Vergangenheit zu oft passiert.

Die Materie ist komplex, das weiß auch Lauterbach. Er sei froh und dankbar, dass man die Klinikreform weitgehend aus dem Wahlkampf rausgehalten habe, sagt er. "Das Thema eignet sich nicht für Bierzelte!"

"Sehr gerne, lieber Karl", sagt Florian von Brunn, der ansonsten bei der Pressekonferenz einen eher kleinen Redeanteil hatte. Für ihn sei wichtig, dass die SPD die richtigen Themen anpacke, die Entökonomisierung der Kliniken sei ein wichtiges Anliegen. Dann fahren beide weiter zu einer AWO-Senioreneinrichtung in München. Das Bierzelt muss warten. Der SPD-Spitzenkandidat aber wird sich auch dort beweisen müssen.

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