Lausbubengeschichten:Ein Leben lang Lümmel

Hansi Kraus am Sendlinger Tor

Noch heute denkt Hansi Kraus gerne an die Streiche von früher.

(Foto: Florian Peljak)

Der Schauspieler Hansi Kraus war ein Kinderstar. Die Rolle des Ludwig in den "Lausbubengeschichten" war aber mehr Bürde als Karrierebeschleuniger.

Von Gerhard Fischer

Hansi Kraus grinst und gluckst. Gleichzeitig kämpft er damit, dass es ihn nicht aus dem Stuhl hebt. Wäre er daheim und nicht im Café, er würde wohl laut lachen. Kraus findet es sehr komisch, was er gerade erzählt: Als Schüler haben sie den Schlüssel zur Lehrer-Toilette "organisiert", und sie haben dort die Klorollen abgerollt, Juckpulver reingestreut und die Klorollen wieder aufgerollt. Und? Kraus grinst wieder, diesmal ohne zu glucksen. "Den Effekt haben wir leider nicht mitgekriegt."

Kraus, 64, sitzt im Café Mozart am Sendlinger Tor. Die Gäste reagieren nicht auf ihn, er ist als Erwachsener nicht berühmt. Vor 50 Jahren war es anders: Hansi Kraus war ein Kinderstar, fast wie Pippi-Langstrumpf-Darstellerin Inger Nilsson in Schweden. Er spielte in Ludwig Thomas "Lausbubengeschichten" den Ludwig und in den Schulgeschichten "Die Lümmel von der ersten Bank" den Pepe Nietnagel. Thomas Geburtstag jährt sich gerade zum 150. Mal, Kraus muss häufig über die Lausbubengeschichten reden.

Man hat nicht den Eindruck, es nerve ihn. Er zögert nicht, als er gebeten wird, die Geschichten zu erzählen. Also: Die Abendzeitung suchte Anfang der Sechzigerjahre nach einem Jungen, der den Ludwig spielen sollte. Mutter und Opa drängten Hansi, sich zu bewerben. Er musste ein Bild schicken und die Schilderung eines Streiches. Kinder machten damals noch Streiche, und Hansi, der in Giesing aufwuchs, machte besonders viele.

Als Streich für die Ludwig-Bewerbung wählte er die Sache mit der Schlange aus. "Ich hatte damals eine tote Ringelnatter gefunden und mit nach Hause genommen", erzählt Kraus. "Abends wollte ich dann den Damen in unserem Haus Angst machen." Aber kurz zuvor nahm ihm der Opa die Schlange weg. "Er biss in die Ringelnatter, um zu demonstrieren, dass sie aus Gummi ist", sagt Hansi Kraus. Er muss lachen. Diesmal hebt es ihn etwas weiter aus dem Stuhl. "Als mein Opa merkte, wo er da reingebissen hatte, ist er auf den Balkon raus, zum Speim." Speim heißt kotzen.

Hansi Kraus wurde zum Casting geladen, mit 200 anderen Buben. Er bekam die Rolle - und, nun ja, einen Künstlernamen. Eigentlich hieß er Hansi Krause, aber der Produzent Franz Seitz schnitt das "e" einfach ab. Das klingt auf den ersten Blick läppisch. Aber der Buchstabe war wichtig. "Krause ist preußisch", sagt Kraus, der im schlesischen Gliwice geboren ist, "und ein Junge mit einem preußischen Namen sollte nicht den Bayern Ludwig spielen".

Hansi Kraus Gunther Philipp Lausbub Ludwig Thoma Hansi Kraus m hat nichts als dumme Streiche i

Längst vergangene Karriere: Szenen aus den "Lausbubengeschichten" mit Kinderdarsteller Hansi Kraus.

(Foto: imago/United Archives)

Ludwig machte viele Streiche, oft ging es gegen Autoritäten wie den Pfarrer, den Lehrer und den Geheimrat. Er sorgte damit für Gesprächsstoff in seinem bayerischen Dorf im ausgehenden 19. Jahrhundert - und ähnelte damit dem Michel aus Lönneberga, einem anderen Kinderstar aus Schweden. Hansi Kraus spielte damals mit Größen des deutschen Nachkriegsfilms, mit Georg Thomalla, Michael Verhoeven oder Harald Juhnke. Hansis Mutter war stolz, der Opa auch, aber bei den Freunden gewann er nicht an Ansehen, weil er im Fernsehen zu sehen war. Brauchte er auch nicht. "Ich war damals ohnehin der Rädelsführer in einer Clique", erklärt Kraus. Er sagt das eher nebenbei. Er gibt nicht an.

Es folgten die Lümmel-Filme. Kraus war der bewährte Autoritäten-Schreck, als Gegenspieler des Schulrektors Gottlieb Taft, der von Theo Lingen gespielt wurde. Hansi Kraus war jetzt ein Teenager, und er war kein Kinderstar mehr, sondern ein richtiger Schauspieler.

Der Vater, ein Maschinenbau-Konstrukteur, war eigentlich dagegen. "Er hielt das für brotlose Kunst", sagt Kraus. Er hält kurz inne. Trinkt von seinem grünen Tee. Schaut ernst. "Und eigentlich hat er auch recht damit." Hansi Kraus hat es später selbst erlebt.

Kraus machte dann eine Ausbildung zum Erzieher - ausgerechnet er, der Lausbub. Er machte die Ausbildung dem Vater zuliebe und dem eigenen Sicherheitsbedürfnis folgend - und weil es bei seiner Schauspielkarriere nicht mehr weiter ging. Er spielte noch belanglose Sachen wie "Blau blüht der Enzian" oder "Musik, Musik, da wackelt die Penne", aber dann wurde er nicht mehr angefragt. "Mit 25 war meine Schauspiel-Karriere eigentlich beendet", sagt er. Kraus meint, Ludwig und Pepe Nietnagel seien für ihn "Fluch und Segen" gewesen. Er sei zwar bekannt geworden, das schon, aber später wollten die Regisseure den Ex-Ludwig und den Ex-Pepe nicht mehr haben. "Ein befreundeter Schauspieler war mal bei einem Besetzungsgespräch", sagt Kraus, "und als mein Name fiel, fragte der Regisseur: Ach, ist das nicht der Lausbub? Da war ich draußen."

"Ich kann das nicht, das mit dem Selbstlob und dem Hinterherlaufen"

Er spielte im Komödienstadel, manchmal, und ging dann mit einem Bauerntheater auf Tour. Kraus hat sich selbst auch nicht sonderlich um Rollen bemüht. "Ich kann das nicht", sagt er, "das mit dem Selbstlob und dem Hinterherlaufen". Seine Frau, eine Homöopathin, hat ihn angeschoben, wenn es nicht weiter ging. "Sie hat mich in Agenturen und Managements gedrängt", erzählt Kraus, "da war ich dann auf deren Listen, aber Werbung haben die auch nicht für mich gemacht".

Es gab viele Monate ohne Engagements, in denen er wartete oder einem Freund half, der Schreiner ist. Gab es auch Existenzängste, zumal er früh zwei Kinder hatte? "Nein, überhaupt nicht", sagt er, "das hängt aber vielleicht damit zusammen, dass meine Frau immer verdient hat". Außerdem habe er immer versucht, "die Kosten so niedrig wie möglich zu halten".

Aber es ist wohl auch sein Naturell, diese Gelassenheit. Dieses Unehrgeizige. Er schüttelt oft den Kopf und lächelt dazu, etwa wenn man fragt, ob es eine Rolle gebe, die er unbedingt noch spielen wolle. Nie gestikuliert er, nie wird er laut. Von der Leidenschaft her ist er eher Merkel als Schulz.

Vielleicht hat ihn das beruflich gebremst.

Nur wenn er über Streiche spricht, geht er richtig aus sich heraus. "Einmal haben wir den Schulgong auf Tonband aufgenommen und im Unterricht abgespielt", erzählt er, "eine Viertelstunde, bevor die Pause eigentlich begonnen hatte". Der Lehrer hat nichts gemerkt, sie durften 15 Minuten früher gehen. Hansi Kraus hat das im wirklichen Leben gemacht, genauso wie die Sache mit den Klorollen und dem Juckpulver. In den Lümmel-Filmen wurden die Streiche dann nachgespielt.

Und heute? Er würde sich mehr Engagements bei Film und Fernsehen wünschen, sagt er. "Aber das hängt ja nicht von mir ab." Den letzten Drehtag, es war bei den Rosenheim-Cops, hatte er vor einem Jahr. Momentan spielt er Theater. "Love Letters" zum Beispiel, ein Stück, in dem er mit Lou Hoffner Liebesbriefe liest. Und er ist seit zehn Jahren bei der Iberl-Bühne - derzeit spielt er dort in drei Stücken mit. Er lächelt und sagt: "Das ist mir fast schon zu viel." Ja, er sei ein bisserl faul, sagt Kraus. Er war es schon in der Schule: einmal sitzen geblieben, einmal vom Gymnasium geflogen.

Wenn man alte Artikel über Hansi Kraus durchsieht, dann wirkt er manchmal verbittert, weil die Karriere nie mehr so richtig Fahrt aufgenommen hat. Manchmal wirkt er aber auch zufrieden. "Es gab Zeiten, da hätte ich gerne mehr zu tun gehabt", sagt er heute. "Aber ich bin schon zufrieden, ich habe ein schönes Leben."

Hansi Kraus isst den letzten Rest seines Joghurts. Er hat ein "klassisches Frühstück" bestellt, mit Joghurt und Obst, aber auch mit Wurst und Käse. Es ist ihm zu viel, er lässt die Hälfte stehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: