Pilzbefall:Spirken und Latschen in großer Gefahr

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Wenn Latschen von der Braunfleckenkrankheit befallen sind, zeigen ihre Nadeln erst gelbe Flecken. Dann färben sie sich braun und sterben oft ganz ab. (Foto: Nationalpark Berchtesgaden)

Ein offenbar aus Amerika eingeschleppter Pilz bedroht die Bergkiefer-Arten in Bayerns Mooren und Bergen. Forscher versuchen, die Folgen für die empfindlichen Ökosysteme abzuschätzen.

Von Matthias Köpf, Berchtesgaden

Ganz oben wird es rau im Gebirge, und das nicht nur für Menschen, sondern auch für Pflanzen. Oberhalb der Baumgrenze, inmitten von Schnee, Stürmen, Geröll und Lawinen, können sich von allen größeren Gehölzen nur noch die Latschen halten – sich selbst und das bisschen Erdboden über dem blanken Fels, das vielen kleineren Pflanzen und Tieren eine denkbar dünne Lebensgrundlage bietet.

Doch mittlerweile sind die Latschen im bayerischen Alpenraum nicht nur den üblichen Unbilden der hochalpinen Bedingungen ausgesetzt, sondern auch einer neuen Gefahr, die von unten kommt: Ein aus Nord- oder Mittelamerika in Bayerns Moore eingeschleppter Pilz bedroht inzwischen auch die Latschenbestände in höheren Lagen. Im Nationalpark Berchtesgaden gibt es dazu nun ein eigenes Forschungsprojekt.

Die ersten Symptome haben sich im Berchtesgadener Talkessel nach Angaben der Nationalparkverwaltung vor zwei Jahren gezeigt. Die Nadelspitzen einer Latsche im Wimbachgries hatten sich plötzlich braun verfärbt. Laboruntersuchungen führten zur Ursache, einem Befall mit eben jenem invasiven Pilz namens Lecanosticta acicola. Der löst bei den Latschen die nach ihm benannte „Lecanosticta-Nadelbräune“ oder „Braunfleckenkrankheit“ aus.

Der Pilz wurde erstmals Mitte der 1990er-Jahre in Privatgärten in Oberbayern und Niederösterreich nachgewiesen. Seither breitete er sich zunächst im Alpenvorland aus und befiel dort die auch „Moorkiefern“ genannten Spirken. In Südbayern sind nach Angaben der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft bereits in vielen Mooren kranke oder abgestorbene Spirken zu sehen: Anfangs zeigten deren Nadeln gelbe Flecken, dann färbten sie sich braun und stürben ab. Bei einem starken Befall biete sich oft „ein erschreckender Anblick mit vielen abgestorbenen Baumgerippen“.

Auch die Landesanstalt hat deshalb bereits ein Forschungsprojekt zu dem Thema aufgelegt. Schließlich habe Bayern speziell für die Spirke „eine besonders hohe Schutzverantwortung“, weil ein großer Teil ihres weltweiten Verbreitungsgebiets in Süd- und Ostbayern liege. Inzwischen verbreitet sich die Nadelbräune nach Angaben der Landesanstalt auch in den Alpentälern, etwa im Isarursprungstal im Karwendel und im Wimbachgries im Nationalpark Berchtesgaden. Dort befällt der Pilz die Latschen, die botanisch genau wie die Spirken als Unterart der Bergkiefer gelten.

Doktorandin Barbara de Araujo (rechts) erforscht im Nationalpark Berchtesgaden die Braunfleckenkrankheit bei Latschenkiefern. (Foto: Nationalpark Berchtesgaden)

In Berchtesgaden leitet Nationalpark-Mitarbeiterin und Doktorandin Barbara de Araujo die Forschungen. Die Latsche sei von großer Bedeutung für die Gebirgsökosysteme im Schutzgebiet. „Sie stabilisiert den Boden, fördert die Humusbildung und sorgt für ein ausgeglichenes Mikroklima. Die Latsche ermöglicht es anderen Pflanzen, sich in rauer Umgebung zu etablieren und bietet Lebensraum für Mikroorganismen, Pilze, Pflanzen und Tiere“, sagt de Araujo. Außerdem wirke die robuste Baumart im Schutzwald der Erosion des Bodens und dem Nährstoffverlust durch Lawinen oder Steinschlag entgegen. Im Nationalpark wachsen die Latschen demnach vorrangig auf Höhen zwischen 1200 und 1900 Metern und dabei auf einer Fläche von zusammen rund 1700 Hektar.

Die Forscher untersuchen nun speziell das Aufkommen einiger anderer Pflanzenarten, die normalerweise zusammen mit den Latschen vorkommen oder in deren Schutz gedeihen. So wolle man herausfinden, „wie die künftige Bergwalddynamik unter dem Einfluss des Pilzes aussehen könnte“, heißt es aus dem Nationalpark. Mit ersten Ergebnissen rechnet Barbara de Araujo in zwei Jahren. Das Projekt sei „ein wichtiger Beitrag des Nationalparks zur Erforschung eines zunehmenden Problems der globalisierten Welt“, nämlich dem Verschleppen von Arten in Ökosysteme, die nicht an solche Neuankömmlinge angepasst sind. Dies trage oft zum Aussterben von Arten bei. Zudem ermögliche offenbar der Klimawandel dem neuen Pilz die Ausbreitung in höhere Gebirgslagen.

Auch die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft verweist auf die Ansicht von Experten, wonach die starke Zunahme der Nadelbräune-Schäden in den südbayerischen Mooren „mit den immer häufigeren Trockenperioden und den abnehmenden Wasserpegelständen zusammenhängen könnte“. Vor allem die Kombination aus Hitzeperioden mit darauffolgenden Niederschlägen könne demnach zu massenhaften Infektionen unter den Spirken führen. Weil die Forschung darüber aber noch zu wenig wisse, sei es „ungewiss, ob und wie die Dynamik zu stoppen ist“.

Das Bundesforschungszentrum Wald im benachbarten Österreich warnt bereits vor einer epidemischen Ausbreitung der Lecanosticta-Nadelbräune und schlägt unter anderem bessere Kontrollen an Flughäfen vor. Dort könnten demnach Kiefernpflanzen abgefangen werden, die von Reisenden illegal von anderen Kontinenten mitgebracht würden.

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