Landwirtschaft:Den Hof machen

Bauern geben Milchproduktion auf

Was sie in der Landwirtschaft erarbeiten, will jeder haben, aber dabei mithelfen? Junge Bäuerinnen und Bauern haben es nicht leicht bei der Partnersuche.

(Foto: picture alliance / dpa)

Frühes Aufstehen, schwere Arbeit und viel Dreck: Junge Landwirtinnen und Landwirte haben es schwer, für das Leben auf dem Bauernhof Partner zu finden. Spezielle Datingportale und Coachings bieten nun Hilfe.

Von Julia Haas

Josefs Profilbild ist eine Kuh. Auf dem Datingportal "Landwirt sucht Frau" will er so seine Traumfrau von sich überzeugen. Der 26-Jährige ist Bauer, hat in Oberbayern einen eigenen Hof mit Milchkühen. Er kann nicht kochen, fährt in seiner Freizeit aber gerne Gokart. "A ehrliches, sympathisches, hübsches Mädel, das mich nimmt wie ich bin und eine ernsthafte Zukunft aufbauen will" sucht Josef, beziehungsweise sein Bruder Thomas für ihn.

Der hat das Inserat heimlich in Josefs Namen eingestellt, wollte dem Liebesleben des jungen Landwirts auf die Sprünge helfen: "Da ich schon länger Single bin und es schwierig ist, ein Mädel mit Interesse an mir und an der Landwirtschaft zu finden." Sein Beruf schreckt viele Frauen ab, da ist er sich sicher.

Auf seinen "Sechser im Lotto" wartet er noch: "Ich würde mir schon die große Liebe wünschen, eine Frau, die mit mir den Hof macht." Haus bauen, die Richtige finden, eine Familie gründen. Sonst habe er schon alles erreicht. Den Hof der Eltern ausgebaut, einen neuen Stall, zwei Melkroboter, 150 Kühe, 30 Kälber und zwei Hunde nennt er sein Eigen.

An den Kühen allein scheitert die Liebe nicht. Auch Ackerbauern geben ihrem Beruf die Schuld. In einer Umfrage des Landwirtschaftsmagazins top agrar aus dem Jahr 2014 beklagten gut ein Viertel der 600 befragten Singles, dass ihre letzte Beziehung an mangelndem Verständnis des Partners für die Landwirtschaft gescheitert sei. Schon beim Kennenlernen haben 38 Prozent Angst, dass ihr Beruf den potenziellen Partner abschreckt. Mögliche Probleme sehen die Singles vor allem in ihrer Gebundenheit an den Betrieb, zu viel Arbeit, zu wenig Freizeit - und darin, dass der Hof immer zuerst kommt.

Wenn eine Kuh kalbt, werden sämtliche Pläne über den Haufen geworfen. Wenn im Sommer alle im Weiher baden, arbeitet der Landwirt auf dem Feld. Julia Gillner versteht die Sorgen der Bauern: "Viele Partner kommen nicht so gut damit klar, dass sie nicht direkt an erster Stelle stehen." Die 28-Jährige hat Landwirtschaft in Weihenstephan studiert, arbeitet auf dem Bauernhof ihres Freundes und bloggt über ihr Leben als "Fräulein Deere".

Probleme bei der Partnersuche kennt sie von ihrer ehrenamtlichen Arbeit als Amor. Gillner ist Gründerin der Facebook-Seite "Spotted Landwirtschaft", einer Partnerbörse für Bauern. Singles können ihr Anzeigen schicken, die Gillner dann anonym veröffentlicht. 29 000 Likes hat die Kuppelseite mittlerweile. An manchen Tagen bekommt sie zwei Anfragen geschickt, an anderen 30. Die Beliebtheit ist ungebrochen. Facebook erleichtert die Partnersuche. "Im echten Leben kommt halt selten jemand am Hof vorbei und sagt: So da bin ich."

Dass ein eigener Betrieb ein Hindernis sei, kann sie dagegen nicht bestätigen, eher das Gegenteil. "Egal ob männlich oder weiblich, die Inserenten mit eigenem Hof bekommen die meisten Rückmeldungen." Vor allem Männer seien auf der Jagd nach einer Hoferbin. Die denken sich "Wow geil, Hof, Geld, Hektar", vermutet Gillner, "sehen aber nicht, dass das nicht nur Diridari, sondern auch ein Haufen Arbeit ist".

Genug Liebesdurstige kennen aber auch die harte Arbeit auf dem Hof und wollen sie gerne mit jemandem teilen. Gemeinsame Betriebsführung ist für viele Junglandwirte eine Option. Die österreichische Bundesanstalt für Agrarwirtschaft befragte 910 Jungbäuerinnen und -bauern, die ihren Betrieb bereits übernommen haben oder übernehmen werden, zu ihrem Selbstbild und ihren Zukunftsvorstellungen im Jahr 2011.

Zwei Drittel der Landwirte, die den Betrieb bereits übernommen hatten und in einer festen Partnerschaft leben, führten diesen gemeinsam. Die Mehrheit der Agrarsingles gab sogar an, dass sie auch zufrieden wären, wenn der Partner gar nicht mitarbeitet.

Für Michael wäre gemeinsame Betriebsführung der große Traum. In seiner Anzeige im Landwirtschaftlichen Wochenblatt fackelt er deshalb auch nicht lange: "Suche Einheirat." Er ist gelernter Agraringenieur, schon als Jugendlicher bei den Nachbarn Traktor gefahren, der Traum vom eigenen Hof blieb bisher unerfüllt. Sein Job in einer Landwirtschaftsverwaltung frustet ihn: "Ich warte sehnlichst drauf, dass es halb vier wird und ich den Dünger weiter streuen kann."

Es muss nicht nur mit dem Hof passen, auch mit der Frau

Seinen Feierabend verbringt er auf zwei Betrieben. Die Arbeit macht ihm Spaß, geht ihm leicht von der Hand, alles andere nervt ihn nur. Für seine Anzeige im Wochenblatt hat er sich ganz bewusst entschieden. So ein Inserat in einem Agrarmagazin sei einfach konkreter als eine Facebook-Seite, da erreiche man eher die richtigen Leute. Dafür musste er seine Anzeige eben auch ein bisschen zuspitzen. Platz zum "Rum-Palavern" gibt es da nicht.

Vor allem in Bayern nehme man ihm seinen etwas gewagten Wunsch nach einer Frau mit Hof aber nicht übel: "Acht Frauen haben sich bisher bei mir gemeldet." Doch es muss eben nicht nur mit dem Hof passen, sondern auch mit der Frau. Bei Michaels Ex-Freundin war das Glück vom eigenen Betrieb schon fast perfekt, "aber im Endeffekt habe ich mich mit ihren Eltern besser verstanden als mit ihr".

Um das gute Verhältnis zu den Schwiegereltern in spe dürften Michael einige beneidet haben. Oft ist für einen Partner auf dem Hof kein Platz, wie die Auswertung einer Umfrage des Fachblatts top agrar zeigt. Das Verhältnis zu den Eltern und das Zusammenleben und -arbeiten im Betrieb ist zu eng. Nur wenige Hofnachfolger verlassen ihr Zuhause für Ausbildung oder Studium. Laut Umfrage lebt immer noch knapp die Hälfte der Agrarsingles bei den Eltern.

Für viele potenzielle Partner ein No-Go. Der Verdacht: Hier hat sich jemand noch nicht abgenabelt. Der Einfluss der Eltern auf die Partnerwahl ist nicht zu unterschätzen. Während manche besorgte Eltern Kontaktanzeigen ausschneiden und sie auf dem Frühstückstisch auslegen, sagen andere direkt, wenn ihnen ein Partner nicht passt - eine zusätzliche Bürde.

Selbst wenn die Schwiegereltern ihr Okay geben, kann es noch kompliziert werden. Beide Seiten müssen sich arrangieren. Das kann auch Gillner von "Spotted Landwirtschaft" bestätigen. Sie selbst wohnt zusammen mit ihren Freund und ihren Schwiegereltern auf einem Hof: "Man muss bis zum Lebensende zusammen auskommen, das muss man schon auch wollen." Oft führt die Mutter im Haus ein strenges Regime. Beispiele aus dem Bekanntenkreis kenne sie erschreckend viele: "Wenn dann eine heimkommt und sagt 'so jetzt bin ich Nummer eins, Pfiadi Schwiegermutter', klappt das meistens nicht."

Wurzeln, Generationen, Familie - das alles hat aber auch Vorteile und kommt bei vielen gut an. Landwirte müssen sich einfach besser verkaufen, rät Reingard Bröcker von top agrar. Zusammen mit einem Flirtcoach und einem Persönlichkeitstrainer hat sie schon dreimal ein Flirtseminar extra für Bäuerinnen und Bauern organisiert. Bei Farmer's Flirt konnte sie beobachten: Die Teilnehmer sitzen auf ihrer Scholle und können ihr Lebenswerk nicht richtig rüberbringen. Oft spielen Ängste eine große Rolle.

Ein verwunderliches Ergebnis beim Blick auf die österreichische Studie zum Selbstbild der Junglandwirte. Die überwältigende Mehrheit der Befragten trat oder tritt gerne und mit Begeisterung das Erbe an. Die Junglandwirte sehen sich selbst als Bewahrer und Träger der landwirtschaftlichen Tradition. Es mangelt bei vielen offensichtlich am Selbstbewusstsein, den Stolz auf die eigenen Traditionen besser nach außen zu tragen.

Ganz ohne Hoftraditionen und -erbe klappt es mitunter auch mit der großen Liebe - selbst auf einem landwirtschaftlichen Flirtportal. Sabine suchte ihren Traumbauern auf Landflirt.de, Hagen seine Traumbäuerin. Gefunden haben sich die zwei, beide ohne Landwirtschaft zu Hause, aber trotzdem glücklich. Etwa eineinhalb Jahre nach Sabines Inserat kam ihr Sohn auf die Welt. Zwei Freundinnen von Sabine haben auf Landflirt ebenfalls ihre Partner gefunden. Ein Anreiz für alle, sich bei Kontaktanzeigen Mühe zu geben. Ihren Freund Hagen überzeugte Sabines Text, er dachte sich sofort: "Genauso müsste das klingen, was meine zukünftige Frau schreibt."

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