Landwirte in Bayern:Angst vorm Ende der Milchquote

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  • Ab 1. April dürfen die Landwirte so viel Milch produzieren, wie sie wollen, weildie EU ihre Quotenregelung aufgibt.
  • Viele Betroffene in Bayern befürchten, dass nun die Preise engültig zerstört werden und einige sogar ihre Höfe aufgeben müssen. Andere sind optimistisch.
  • Etwa 40 Prozent der deutschen Milchbauern haben ihren Hof in Bayern - sie machen aber nur ein Viertel der Milcherzeugung aus.
  • Die Milchquote wurde 1984 eingeführt, um die Produktion in der EU zu regulieren. Die Idee funktionierte allerdings von Beginn an nicht.

Von Christian Sebald, Deutenhausen/Rottenbuch

Thomas Mayr, 46, und seine Frau Claudia sind Vorzeigebauern. 100 Milchkühe stehen in dem großen luftigen Stall, den sie in Deutenhausen nahe Weilheim auf die grüne Wiese gestellt haben. Dazu 100 Stück Jungvieh. Gleich neben dem Stall haben die Mayrs eine Halle gebaut, für all die Traktoren, Mähwerke und anderen Maschinen, mit denen sie das Futter von den Weiden holen. Und ihr schmuckes Wohnhaus ist auch erst wenige Jahre alt. "Das war vielleicht eine Schufterei, bis alles stand", sagt Thomas Mayr. "Aber wenn wir was machen, dann richtig."

Auch Thomas und Sigrun Strobl aus Rottenbuch wirtschaften vorbildlich. Der Stall für ihre 55 Kühe hat sogar einen Freilauf. Die Jungtiere können ebenfalls an die frische Luft, wann immer sie wollen. Der 56-jährige Milchbauer war einer der ersten in seiner Region, der einen solchen Freilauf einrichtete. "Der tut den Kühen richtig gut", sagt er, "die sind viel robuster geworden." Der Hof der Strobls, der idyllisch an einem Weiher liegt, gehörte einst zum Rottenbucher Augustiner-Chorherrenstift. Die Familie Strobl bewirtschaftet ihn seit mindestens 15 Generationen. Alles bestens also, möchte man meinen.

Historische Zäsur für die Milchbauern

Doch Mayr und Strobl sind angespannt, sehr angespannt sogar. "Es ist ja nicht nur, dass der Milchpreis mit 32 Cent je Liter weit unter unseren Produktionskosten ist", sagt Mayr. "Wenn jetzt am 31. März die Milchquote fällt, kann jeder so viel Milch machen, wie er will. Das wird eine schwierige Zeit auf dem Milchmarkt." Auch Strobl blickt düster in die Zukunft. "Die Konkurrenz wird immer schlimmer", sagt er. "Ich möcht' mir nicht ausmalen, was da alles auf uns zukommt."

Thomas Strobl

Bauer Thomas Strobl aus Rottenbuch hat sein Berufsleben lang mit der Milchquote gewirtschaftet.

(Foto: Lukas Barth)

Der 31. März ist tatsächlich eine historische Zäsur für die Milchbauern. An diesem Tag ist Schluss mit der Milchquote in der EU. Von einem Tag auf den anderen dürfen die Landwirte so viel Milch produzieren, wie sie wollen. Keiner schreibt ihnen mehr vor, wie viel sie an die Molkereien liefern dürfen. Das regelt nur noch der Markt. Einzig wenn der Preis völlig abstürzt, greift die EU ein und kauft Milch zu einem Dumpingpreis auf.

Für Mayr, Strobl und viele andere ist ein Leben ohne Quote komplettes Neuland. Sie haben ihr ganzes Berufsleben lang mit ihr gewirtschaftet. Die EU führte die Milchquote 1984 ein, damit die Zeit der Milchseen und Butterberge ein Ende habe. Die Bauern sollten nur noch so viel Milch erzeugen, wie in der EU verbraucht wird. Deshalb gab man ihnen von nun an vor, wie viel Milch sie melken dürfen. Wer sein Kontingent anheben wollte, musste dafür Anteile erwerben. Wer es ohne Anteile überschritt, bekam Strafzahlungen aufgebrummt. So sollte ein Gleichgewicht einkehren zwischen Angebot und Nachfrage. Außerdem sollten die Bauern eine wirtschaftliche Sicherheit erhalten. Auch das Höfesterben sollte eingedämmt werden.

Die Idee funktionierte von Beginn an nicht

So bestechend die Grundidee war, sie funktionierte von Beginn an nicht. Eine Ursache war, dass die ausgegebenen Kontingente immer deutlich über dem Milchverbrauch lagen. Außerdem wurde an ihnen beständig herumgedoktert. Eine neue Vorgabe folgte der andern. Eine jede war verbunden mit mehr Bürokratie. Und als von Mitte der 1990er Jahre an die weltweiten Verhandlungen über Freihandel an Fahrt aufnahmen, wurde die Quote noch löchriger. Zuletzt hielt sich kaum einer an sie.

Nun aber treibt ihr baldiges Ende die Bauern um. "Die Zeit nach der Quote ist Thema Nummer eins", sagt Mayr. "An jedem Stammtisch, auf jedem Viehmarkt." Überhaupt gebe es seit Monaten keine Bauernversammlung mehr, in der die Rede nicht sofort auf das Auslaufen der Quote komme, sagt Strobl. Das ist nur zu verständlich. Die neue Zeit dürfte besonders starke Auswirkungen auf Bayern haben.

Großbetriebe in Nord- und Ostdeutschland sind produktiver

Thomas Mayr

Auch Bauer Thomas Mayr aus Deutenhausen ist mulmig angesichts der Zukunft.

(Foto: Lukas Barth)

Bayern ist Milchland, seit jeher. 35 000 Milchbauern gibt es im Freistaat. Das ist mehr als ein Drittel der Landwirte insgesamt in Bayern. Und ungefähr 40 Prozent der Milchbauern in Deutschland. Dabei grassiert auch hier das Höfesterben. Etwa vier Prozent der Milchbauern hören jedes Jahr auf. Aber anders als in den anderen Bundesländern gibt es in Bayern noch viele Landwirte mit kleinen Herden.

Die bayerischen Milchbauern produzieren ungefähr 8,2 Milliarden Liter Milch im Jahr. Die hiesigen Verbraucher konsumieren davon aber nur 4,7 Milliarden Liter - in Form von Trinkmilch, Butter, Käse und anderen Produkten. Die übrigen 3,5 Milliarden Liter landen in Supermarktregalen jenseits des Freistaats. Bayerische Milchprodukte sind begehrt. In Norddeutschland wie in Italien und Frankreich. Aber auch in Russland und Fernost. Alles in allem macht die bayerische Milcherzeugung freilich nur ein Viertel der deutschen aus. Die Großbetriebe in Nord- und Ostdeutschland sind einfach viel produktiver.

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Wohl auch deshalb sagen nur wenige hiesige Bauern offen, dass sie froh sind über das Quoten-Ende. Einer, der das seit Monaten gebetsmühlenartig wiederholt, ist Günther Felßner. Der 48-jährige Landwirt hält auf seinem Hof im mittelfränkischen Lauf 120 Milchkühe und ist Milchpräsident des Bayerischen Bauernverbands. Für Felßner, der für bayerische Verhältnisse einen richtigen Großbetrieb führt, ist der 31. März eine Befreiung. "Die Quote war eine immense Behinderung", sagt er. "Gerade auch für kleine Höfe, die wegen ihr nicht so wachsen konnten, dass sie eine gute Perspektive erhalten hätten." Wenn damit nun Schluss sei, verlangsame sich womöglich sogar das Höfesterben.

Milchmarkt als globaler Markt

Auch was den Milchpreis angeht, ist Felßner optimistisch. Zwar werde er noch einige Zeit auf dem aktuellen Tief stagnieren. Auch später werde es immer mal wieder Einbrüche geben. Aber alles in allem werden die Milchbauern deutlich höhere Erlöse einfahren als in der Vergangenheit. Da ist sich Felßner sicher. "Denn die Nachfrage nach Milch nimmt mit dem Bevölkerungswachstum weltweit zu", sagt er. "Der Milchmarkt ist ein globaler Markt, da spielen wir mit unseren hochwertigen Produkten ganz vorne mit."

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Romuald Schaber teilt diesen Optimismus überhaupt nicht. Der Vorsitzende des Milchbauernverbands BDM, der in dem Oberallgäuer Dorf Petersthal einen Hof mit 45 Milchkühen führt, befürchtet, dass es so kommt wie in der Schweiz. Die Eidgenossen organisieren ihre Agrarpolitik seit jeher nach dem Vorbild der EU - weil sie von lauter EU-Staaten umgeben sind und mit ihnen in vielfältigen Handelsbeziehungen stehen. Also gab es auch in der Schweiz lange Zeit eine Milchquote. Und als sich abzeichnete, dass die EU die ihre abschafft, machten auch die Eidgenossen Schluss mit den Vorgaben. Nur dass sie das sehr viel früher taten als die EU. Schon seit 1. Mai 2009 können die Schweizer Bauern so viel Milch erzeugen, wie sie wollen.

Die Folgen waren heftig. Binnen weniger Monate verfiel der Milchpreis um ein Fünftel und hat sich seither nicht mehr erholt. Derzeit zahlen die Schweizer Molkereien ihren Bauern sogar nur 58 Rappen für den Liter Milch. Das Höfesterben ist dramatisch. Seit 2009 hat fast ein Viertel der Schweizer Milchbauern aufgegeben. Zwar weiß Schaber, dass die Verwerfungen nicht eins zu eins übertragbar sind auf Bayern. "Aber warum sollte es grundsätzlich anders laufen?", fragt er. "Zumal unsere Landwirtschaft der dortigen ähnelt."

Einige werden die Milchwirtschaft aufgeben müssen

Wie auch immer, auch Mayr, Strobl und die meisten Milchbauern rechnen damit, dass sie bald noch weniger Geld für ihre Milch bekommen. Dann werden sie mehr schuften müssen, um über die Runden zu kommen. Andere werden Zusatzjobs annehmen, weil es dennoch nicht reicht. Und etliche werden trotz aller Plackerei am Ende doch nicht hinkommen und die Milchwirtschaft aufgeben müssen.

Immerhin haben Mayr und Strobl einen Startvorteil. Ein jeder von ihnen hat einen Sohn, der einmal unbedingt den elterlichen Hof übernehmen will. Thomas Mayr junior, 24, ist bereits Landwirtschaftsmeister, er arbeitet seit einigen Monaten voll mit. Richard Strobl, 20, hat gerade seine Landwirtschaftslehre angefangen. Zuvor hat er Anlagenbauer gelernt. "Das ist auch sehr gut so", sagt Vater Strobl. "Sollte es einmal ganz hart kommen, hätte er wenigstens eine Alternative."

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