Landtagswahl:"Wenn's ernst wird, will die Mehrheit doch eine konservative Regierung"

Landtagswahl in Bayern Freie Wähler Hubert Aiwanger

Hubert Aiwanger ist die Personifizierung der Freien Wähler.

(Foto: Matthias Balk/dpa)
  • Hubert Aiwanger hat die Freien Wähler in den vergangenen Jahren erfolgreich in der Landespolitik etabliert.
  • Er sieht seine Partei als Koalitionspartner der CSU nach der Landtagswahl.
  • Der Niederbayer spekuliert zudem auf einen Ministerposten.

Von Christian Sebald

Für einen Spitzenkandidaten, der unbedingt an die Regierung will, gibt sich Hubert Aiwanger in diesen angespannten Wahlkampftagen sehr gelassen. "Natürlich wollen wir mit der CSU koalieren", sagt er, "aber wir drängen uns nicht auf. Am Ende wird es die CSU sein, die froh ist, wenn es mit uns für die neue Staatsregierung reicht." Die Gründe für Aiwangers Gelassenheit sind schnell aufgezählt: Der eine ist der freie Fall der CSU, der andere sind die bis zu elf Prozent, auf die seine Freien Wähler in den jüngsten Umfragen kamen. Aller Voraussicht nach wird die CSU nach dem 14. Oktober auf einen Koalitionspartner angewiesen sein.

Die FW als Juniorpartner der CSU: Wenn einer das der Partei vor zehn Jahren vorhergesagt hätte, hätten Horst Seehofer, Markus Söder und Co. allenfalls müde gelächelt. Jetzt ist sich Aiwanger sogar "sehr sicher, dass sich die CSU für eine stabile Koalition mit uns von der dritten Startbahn am Münchner Flughafen verabschiedet". Das umstrittene Milliarden-Projekt ist so ziemlich der einzige grundsätzliche Dissens zwischen FW und CSU.

Als die Freien Wähler im Herbst 2008 erstmals den Sprung in den Landtag schafften, ging das einher mit der ersten historischen Niederlage der CSU. Damals war der natürliche Koalitionspartner der Christsozialen die FDP. Den FW trauten die meisten Beobachter nicht einmal eine ganze Legislaturperiode zu. Die einen hielten sie für zu naiv und unerfahren, den anderen waren sie zu krachert oder zu schillernd. Nur in einem waren sich alle einig: Die seinerzeit 21 FW-Abgeordneten würden sich alsbald in Eifersüchteleien, Flügelkämpfen und dergleichen mehr verschleißen, bis es die Fraktion zerreißen werde. Ihre Überreste werde sich dann die CSU einverleiben. Denn die FW, so sagen sie ja selbst in der Partei ganz offen, sind eigentlich Fleisch vom Fleisch der CSU, auch wenn anfangs Aiwanger seine Abneigung gegen die Schwarzen bei jeder Gelegenheit kundtat.

Heute sind die Freien Wähler eine stabile Größe der Landespolitik. Selbst die Honorarbetrügereien ihres Ex-Abgeordneten Günther Felbinger und die Alkoholfahrt ihres Kaufbeurer Parlamentariers Bernhard Pohl haben ihrem Ruf nicht wirklich schaden können. Von kleinen Ausreißern nach unten abgesehen rangiert die Partei seit 2008 in den Umfragen klar über fünf Prozent. Dabei ist der Kampf um die Stimmen sehr viel härter geworden. Die Freien Wähler müssen sich gegen CSU, FDP und AfD behaupten. Dass es seine Partei in dieser Konkurrenz zerreiben könnte, hat Aiwanger stets als "CSU-Propaganda" abgetan. Die politische Wirklichkeit sei eine ganz andere. So wie es aussieht, dürfte Aiwanger recht behalten.

Der Erfolg der Freien Wähler hat sehr viel mit Aiwanger zu tun. Der 47-jährige Agraringenieur, der auf einem Bauernhof im niederbayerischen Rottenburg an der Laaber daheim ist, ist die Personifizierung der FW. Und zwar nicht nur, weil er ihr Spitzenkandidat, Vorsitzender und Fraktionsvorsitzender im Landtag ist. Sondern wegen seiner ungeheuren Präsenz. Kein Thema, zu dem sich Aiwanger nicht lautstark äußert. Unlängst hat die Staatsregierung das 365-Euro-Jahresticket für den ÖPNV in Ballungsräumen beschlossen. Wenig später geißelte Aiwanger sie mit den Worten: "Am Abend wird der Faule fleißig und kurz vor der Wahl wird die CSU katholisch. Jetzt will sie in drei Wochen vor der Wahl durchsetzen, was sie 30 Jahre lang nicht geschafft hat."

Aiwanger ist regelrecht berüchtigt für sein rhetorisches Talent und seine Zuspitzungen. Im Lauf der Zeit hat sich sein derbes Niederbairisch etwas abgeschliffen, er hat an Statur und Argumentationskraft gewonnen. Aber nach wie vor spricht er grundsätzlich ohne Manuskript. In seiner Fraktion stößt Aiwanger immer wieder auf Kritik. Dort sind regelmäßig welche verärgert, weil er jedes Thema an sich reißt und sich außer ihm kaum einer profilieren kann.

Außer Aiwanger haben es allenfalls noch der Münchner Abgeordnete und FW-Generalsekretär Michael Piazolo und der Oberammergauer Parlamentarier Florian Streibl zu einer gewissen Bekanntheit gebracht. Auf der anderen Seite ist keiner in der Fraktion so fleißig wie Aiwanger. Selbst wenn nicht Wahlkampf ist, dürfte kaum ein Abend vergehen, an dem er nicht irgendwo in Bayern eine FW-Gruppe besucht, verdiente Mitglieder ehrt und einen Rapport zur Großlage im Freistaat gibt. An der Basis lieben sie ihn dafür.

Die Basis der Freien Wähler ist stark

Ein anderer Grund, warum die Freien Wähler so stabil sind, lässt sich dieser Tage gut auf ihren Wahlveranstaltungen beobachten, auf der im niederbayerischen Gündlkofen zum Beispiel. Es ist Freitagabend, beste Fernsehzeit, im Saal der Sportgaststätte warten 70 Besucher auf den FW-Chef. Das ist eine Menge für den 900-Einwohner-Ort, auch wenn einige von außerhalb gekommen sind.

Am Tisch vorne vor dem Rednerpult sitzen FW-Honoratioren aus der Region, unter ihnen drei Bürgermeister und eine Reihe Gemeinderäte. Bayernweit stellen die FW zehn Landräte, Hunderte Bürgermeister und Tausende Gemeinderäte. Diese Verwurzelung in der Kommunalpolitik ist Aiwangers eigentliche Machtbasis. Die anderen Oppositionsparteien können da nicht mithalten - weder SPD und Grüne noch FDP oder AfD.

Die Verwurzelung in der Kommunalpolitik geht einher mit einer starken programmatischen Nähe zur CSU. In vielen Punkten ihres Wahlprogramms fordern die FW einfach noch mehr als die CSU: noch mehr Lehrer, noch mehr Polizisten, noch mehr Förderprogramme für die Bauern. Überhaupt verstehen sich die FW seit jeher als mindestens so bürgerlich-konservativ wie die Christsozialen. "Und als starkes Korrektiv, wann immer die CSU übers Ziel hinausschießt und auf den Boden zurückgeholt werden muss", wie Aiwanger gerne sagt.

Als zentrale Erfolge seiner Partei führt er dieser Tage immer wieder die Abschaffung der Studiengebühren, die Wiedereinführung des G 9 und den Verzicht auf Straßenausbaubeiträge an. Als nächstes Ziel haben sich die Freien Wähler die Kostenfreiheit der Kinderbetreuung vorgenommen. Überall im Wahlkampf liegen die Unterschriftslisten für die Forderung aus.

Die CSU, aber auch die SPD und die Grünen werfen Aiwanger bei jeder Gelegenheit "gnadenlosen Populismus" vor. In der CSU soll die Verärgerung über den FW-Chef so tief sitzen, dass führende Leute eine Koalition mit ihm angeblich als höchst problematisch ansehen. Zumindest nach außen hin lässt sich Aiwanger davon nicht von seiner Gelassenheit abbringen.

Er teilt die Einschätzung vieler Wahlforscher, dass die Wähler letztlich eine Koalition aus CSU und FW bevorzugen werden. Zwar rangieren Schwarz-Grün und Schwarz-Orange in den Umfragen etwa gleich weit vorne auf Augenhöhe. "Aber", sagt Aiwanger, "wenn's ernst wird, will die Mehrheit dann doch eine konservative Regierung. Und erst recht die CSU einen konservativen Partner."

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