Landtagswahl in Bayern:Seehofer, der Alleinentscheider

Horst Seehofer bei der Schlusskundgebung der CSU.

Horst Seehofer auf der Schlusskundgebung der CSU in der Kleinen Olympiahalle in München.

(Foto: dpa)

Er möchte Ministerpräsident bleiben. Horst Seehofer stammt aus einer Ingolstädter Arbeiterfamilie. Seine Eigenschaften: Sturheit und Wendigkeit. Sein wichtigster Berater: er selbst. Was Horst Seehofer auszeichnet.

Von Mike Szymanski

Wo kommt er her?

Horst Seehofer erzählt gerne die Geschichte, wie er und seine Geschwister als Kinder regelmäßig von Mutter Grete losgeschickt wurden, am Freitag die Lohntüte des Vaters abzuholen - damit das Geld auch ja daheim ankommt. Es kam auf jede Mark an. Der junge Horst Lorenz Seehofer, geboren am 4. Juli 1949, wuchs in einer Arbeiterfamilie in Ingolstadt auf. Der Vater war Lastwagenfahrer.

Am Küchentisch hieß es bei den Seehofers oft: Ihr sollt es einmal besser haben. Heute ist Seehofer Ministerpräsident. Seine CSU hat ihm den Aufstieg ermöglicht. Große CSU-Karrieren beginnen oft weit unten - Erwin Huber, Alois Glück und eben auch Horst Seehofer machten Karriere in der Politik.

Seehofer besuchte die Realschule, arbeitete zunächst als Laufbursche im Landratsamt. Dort wuchs in ihm der Wunsch, nicht nur für Vorgesetzte Reden zu schreiben, sondern sie selbst zu halten. 1971 trat er in die CSU ein, 1980 zog er in den Bundestag ein und profilierte sich schnell als Gesundheits- und Sozialpolitiker.

Seehofer ist bescheiden geblieben - den Urlaub verbringt er am liebsten mit Puschen an den Füßen im Ferienhaus im Altmühltal. Geld interessiert ihn wenig, Netzwerke und Nähe zu Prominenz findet er eher unwichtig. Die einzige Versuchung, der er wirklich erlegen ist, ist: Macht.

Was hat ihn geprägt?

Es sind die Bonner und später die Berliner Jahre gewesen, die den Politiker Seehofer geformt haben. Hier hat er sich die Härte zugelegt. Es waren Jahre, in denen Erfolg und Niederlage nicht weit auseinanderlagen. Mit 43 Jahren, er war gerade Gesundheitsminister im Kabinett von Helmut Kohl geworden, wurde er schon als Kanzlerkandidat gehandelt. Aber gradlinig verlief seine Karriere nicht.

1998 verlor die Union die Bundestagswahl. Seine größte Niederlage erlitt Seehofer im Streit mit der CDU-Chefin Angela Merkel und dem CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber um die Kopfpauschale im Gesundheitswesen. Seehofer lehnte sie ab. Als er erkannte, dass er mit dieser Position allein steht, trat er 2004 als Fraktionsvize in Berlin zurück.

Seehofers Comeback

Er hat sich selbst in dieser Zeit als "politisch tot" bezeichnet. Nach der Bundestagswahl 2005 holte Stoiber ihn zurück - als Landwirtschaftsminister. Seehofer hat alles miterlebt: den Hype um seine Person, den Absturz in die Bedeutungslosigkeit, das Comeback. Auch die Intrige: Als Seehofer nach dem Sturz von Stoiber den Vorsitz der CSU übernehmen wollte, wurde bekannt, dass der Vater von drei Kindern eine Geliebte in Berlin hatte, die ein Baby von ihm erwartete.

Im Konkurrenzkampf um den Parteivorsitz unterlag er 2007 Erwin Huber. Es dauerte aber nur ein Jahr, bis sich die Partei ihm nach der verheerenden Wahlniederlage 2008 komplett unterwarf.

Wie führt er?

Bayerisches Kabinett tagt in Nürnberg

Schlechte Laune bei Horst Sehofer: 2012 attestierte er seinem Finanzminister Markus Söder auf der Weihnachtsfeier einen "pathologischen Ehrgeiz".

(Foto: David Ebener/dpa)

Es gibt CSU-Kollegen, die können sich nicht daran erinnern, dass Seehofer sich jemals für etwas entschuldigt hätte. Und wenn man Seehofer selbst fragt, dann muss er lange nachdenken, bis ihm irgendwann der Name Helmut Kohl einfällt. Anlässe hätte es dabei genug gegeben, sorry zu sagen. Seinem Finanzminister Markus Söder attestierte er 2012 auf der Weihnachtsfeier einen "pathologischen Ehrgeiz", darüber hinaus erlaube er sich "zu viele Schmutzeleien". Söder schluckte den Ärger runter, andere können das nicht.

Sein Vorgänger Georg Fahrenschon flüchtete aus dem Amt. Als sich ihm die Möglichkeit bot, wurde er Bankmanager in Berlin. Auch ihn hatte Seehofer ein ums andere Mal bloßgestellt. Wenn Seehofer mit jemandem im Job unzufrieden ist, dann steckt er das gerne mal Journalisten. Und Leistung misst er daran, wie gut sein Personal gerade in der Öffentlichkeit ankommt.

Seehofers Liebling

Horst Seehofer und Ilse Aigner bei der Starkbierprobe auf dem Nockherberg, 2011

Horst Seehofer und Ilse Aigner bei der Starkbierprobe auf dem Nockherberg.

(Foto: Stephan Rumpf)

Im Moment ist Ilse Aigner sein absoluter Liebling - weil sie für ihn nach Bayern kommt und ihm nützt. Seehofer zeigt absolute Härte. Er kennt nur eine Ausnahme: private Probleme. Als sein Sozialstaatssekretär Markus Sackmann schwer krank wurde, hat er immer Kontakt zu ihm gehalten. Und dessen Platz in der Regierung hält er bis heute frei. Die CSU hat Seehofer komplett auf sich ausgerichtet - seine Gegner sind weitgehend verstummt. Um Seehofer ist es aber einsam geworden.

Auf wen hört er?

Auf Einflüsterer und Berater hat Seehofer noch nie viel gegeben. Seehofer verlässt sich vor allem auf Seehofer. Er selbst nennt sich gerne einen "Erfahrungs-Juristen", womit er zum Ausdruck bringen will, dass man nicht studiert haben muss, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. In gleicher Weise gibt er den "Erfahrungs-Demoskopen", weil er auch meint, die Stimmung im Land für die CSU am besten einschätzen zu können.

Und die ist in der Regel besser als seine Gesprächspartner annehmen. Sein feines Radar springt immer dann an, wenn Bürger ihn bei Terminen abfangen und berichten, was sie nervt. Nachdem ihn Windkraftgegner mehrmals abgepasst hatten, ist die Luft raus aus der Energiewende im Freistaat. Seehofer kämpft jetzt gegen die "drohende Verspargelung der Landschaft". Die Donau darf in ihrem Bett weiterfließen, seitdem Volkes Stimme dies nur laut genug wünschte.

Seine Stärken

Seehofer haut so schnell nichts um - dafür hat er in seinem langen Politikerleben zu viel erlebt. Er ist nicht der einzige, der wegen Merkel zurückgetreten ist, aber der einzige, der sich in die erste Reihe der Politik zurückgearbeitet hat. Er kann Probleme aussitzen oder, wie er es formuliert, so lange auf seinen Forderungen beharren, bis die Gegenseite genervt oder erschöpft aufgibt.

Wie er gewinnt, ist ihm egal. Der Kampf der CSU um das Betreuungsgeld ist ein Beispiel dafür. Mit der Pkw-Maut für Ausländer würde Seehofer das gerne wiederholen. Andererseits verzweifeln seine Gegner an seiner Wendigkeit. Seehofer erkennt schnell, wann er bei einem Thema, mit einer Position nichts mehr gewinnen kann. Dann wirft er sie über Bord.

Ude über Seehofer

Christian Ude über Horst Seehofer
Bavarian State Premier Seehofer stands together with his challenger Ude before their TV duel in Unterfeohring

"Ich finde es fair, dass Horst Seehofer in diesem Wahlkampf auf persönliche Angriffe gegen mich verzichtet hat. Das hat er seinem Generalsekretär Dobrindt überlassen, aber dessen Art kennt man ja inzwischen. Ich erkenne an, dass Seehofer ein treffsicherer Instinktpolitiker ist, manche würden es vielleicht Populismus nennen. So wendig, wechselhaft und unglaubwürdig er in seiner Politik ist, so verlässlich ist er bei persönlichen Absprachen. Das war so bei der gemeinsamen Vorbereitung der Olympiabewerbung, bei der Bewerbung um die Fußball-EM und auch bei der Rettung der Hungerstreikenden am Rindermarkt."

Populismus muss er sich dann vorwerfen lassen, das stört ihn nicht wirklich. Seehofer will auf der Seite der Sieger stehen - egal wo das ist. Wenn er Bedrohungen aufziehen sieht, handelt er schnell und rücksichtslos. Seinen CSU-Sprecher Hans Michael Strepp hatte er nach dessen Drohanruf beim ZDF rasch gefeuert. In der Verwandtenaffäre zwang er den Ehegatten-Beschäftiger Georg Schmid zum Rücktritt von der Fraktionsspitze und seine Kabinettsmitglieder zu Rückzahlungen. Aus den Affären der vergangenen Jahre ist er einigermaßen unbeschädigt herausgekommen.

Seine Schwächen

Wer Streit mit Seehofer haben will, der kann den haben. Seine Gegner sollten nur beachten, dass Seehofer nicht verlieren kann. Die FDP in Bayern hat das in den vergangenen fünf Jahren gleich mehrmals erlebt. Richtig heftig wurde es nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima, als Seehofer der Atomausstieg nicht schnell genug gehen konnte, die Liberalen ihn aber ausbremsten.

Der Streit begann vergleichsweise harmlos: "Wir sind keine Schlafmützen, sondern Dynamiker", beleidigte Seehofer die FDP. Als die FDP aber immer noch nicht einlenkte, hörte Seehofer auf, mit seinem Koalitionspartner zu sprechen. Funkstille.

Bei den Studiengebühren lief es genauso. Als sich abzeichnete, dass die Bürger die unter der CSU eingeführten Gebühren per Volksbegehren kippen würden, war Seehofer bereit, die Position zu räumen. Die FDP zunächst nicht. Seehofer lässt solche Konflikte eskalieren, weil er keine Brücken bauen kann. Wochenlang war die Koalition in Gefahr - und Seehofer wechselte mit der FDP wieder tagelang kein Wort. Einziger Trost für die FDP: Kanzlerin Merkel ergeht es genauso. Auch für sie ist Seehofer nicht zu sprechen, wenn er sich richtig geärgert hat.

Wo will er hin?

Seehofer will seine CSU zur Alleinregierung zurückführen - diesem Ziel hatte sich in den vergangenen fünf Jahren alles und jeder unterzuordnen. Eine Idee für Bayern hat er nicht entwickelt. Seehofer hat die Partei nach 2008 wieder aufgerichtet. Die CSU ist moderner geworden, noch nie haben so viele Frauen die CSU in einen Wahlkampf geführt. Im Land durfte jeder ein wenig vom Wirtschaftswachstum profitieren.

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