Süddeutsche Zeitung

Landtagswahl in Bayern:Finale im Freistaat

Die Wahl in Bayern ist der Auftakt zu zwei Wochen, an deren Ende es in allen drei Berliner Koalitionsparteien lichterloh brennen könnte. Gute Aussichten für die Bundesregierung sind das nicht.

Von Robert Roßmann, Berlin

Am Sonntag beginnt in Bayern eine neue Ära. Seit 1962 hat die CSU mit einer Ausnahme immer die absolute Mehrheit der Mandate geholt. Und selbst im Ausnahmejahr 2008 fehlten ihr lediglich zwei Sitze zur Alleinregierung. Keine andere Partei in Europa dominiert ein Land derart lang und übermächtig wie die CSU. Doch diese Erfolgsgeschichte wird am Sonntag zu Ende gehen.

Selbst wenn die CSU doch noch in die Nähe der 40-Prozent-Marke käme, wäre sie weit von einer absoluten Mehrheit entfernt. Die Partei wirbt für sich mit dem Slogan "Das Beste für Bayern", doch die Mehrheit der Bayern scheint die CSU nicht mehr für das Beste im Freistaat zu halten. Diese Erkenntnis wird naturgemäß Erschütterungen in der CSU verursachen. Doch wegen der Sonderrolle der Christsozialen wird das Ergebnis auch in Berlin politischen Wirbel auslösen.

In der CDU stellen sie sich jedenfalls schon auf allerlei Unbill ein. Denn das bayerische Ergebnis kann Angela Merkel in keinem Fall Freude bereiten. Entweder erreicht die CSU wider Erwarten doch noch ein - zumindest im Vergleich zu den Umfragen - akzeptables Ergebnis. Dann werden die Christsozialen in Berlin breitbeinig auftreten und genussvoll darauf verweisen, dass die Union im Bund lediglich bei desaströsen 26 Prozent steht. Oder die CSU verliert so deutlich, wie es die Umfragen erwarten lassen. Dann wird die CSU nach Sündenböcken suchen und dabei auch Angela Merkel finden. Und dann ist da ja auch noch Horst Seehofer.

Egal wie die Wahl ausgeht, Merkel hat ein Problem

Der CSU-Chef verhält sich in diesen Tagen zwar so, als ob sein Verbleib an der Parteispitze und im Innenministerium nicht zur Disposition stünde. Am Dienstag will er, ausdrücklich als "CSU-Vorsitzender", in der Bundespressekonferenz die "Auswirkungen der Landtagswahlen in Bayern auf die Bundespolitik" erklären. Dabei ist längst nicht ausgemacht, dass Seehofer den Sonntagabend politisch überlebt.

Aber auch hier gilt: Egal wie es ausgeht, Merkel hat ein Problem. Entweder hat sie es dann mit einem enorm geschwächten Innenminister und CSU-Chef zu tun, waidwunde Politiker sind aber die unberechenbarsten. Oder sie bekommt einen neuen Innenminister. Wen die CSU dann auch vorschlägt, es wird wieder keine gute Besetzung sein.

Der Stern von Joachim Herrmann ist verblasst, und für den bisherigen Innenstaatssekretär Stephan Mayer sind die Schuhe zu groß. Und wenn nicht Manfred Weber neuer CSU-Chef würde, sondern Markus Söder oder Alexander Dobrindt, dürfte Merkel bald dankbar an ihre Zeit mit Seehofer zurückdenken.

Dabei ist Merkel auch ohne CSU schon in einer gefährlichen Lage. Als sie im September 2015 entschied, die Flüchtlinge aus Ungarn nach Deutschland einreisen zu lassen, stand die Union noch bei gut 40 Prozent. Seitdem hat sie 15 Prozentpunkte verloren - und rechts von ihr hat sich die AfD etabliert.

Bereits jetzt ist die Lage in der CDU brenzlig. Doch wenn Volker Bouffier in zwei Wochen bei der Landtagswahl in Hessen die Staatskanzlei verlieren sollte, wird Merkel in ihrer Partei gewaltig unter Druck geraten. Sie hat zwar bereits erklärt, sich auf dem Parteitag Anfang Dezember der Wiederwahl stellen zu wollen. "Aber wenn Hessen verloren geht, wird in der CDU nichts mehr sicher sein", sagt einer aus der Parteispitze.

Mit der bayerischen Landtagswahl brechen allerdings auch für die SPD zwei turbulente Wochen an. Die neue Parteichefin Andrea Nahles ist bereits jetzt in schwerem Fahrwasser. Ihre Strategie, die SPD durch gutes Regieren in der großen Koalition wieder aufzurichten, ist nicht aufgegangen.

Entscheidend für Nahles wird die Wahl in Hessen

Das liegt natürlich nicht nur an Nahles, die Union hat mit ihrem Streit um die Flüchtlingspolitik erheblich zum schlechten Erscheinungsbild der Regierung beigetragen. Aber das hilft der SPD-Chefin wenig. Ihre Partei ist in den bundesweiten Umfragen auf 15 Prozent abgerutscht, sie liegt inzwischen hinter Union, AfD und Grünen nur noch auf Platz vier.

Dass Nahles in ihrer Partei noch nicht offen infrage gestellt wird, hat vor allem zwei Gründe. Auch die Kritiker ahnen, dass es sich die SPD nicht leisten kann, binnen eineinhalb Jahren zum vierten Mal den Parteichef auszutauschen. Und vor den Landtagswahlen in Bayern und Hessen gilt es, Disziplin zu wahren. Aber wie geht es danach in der SPD weiter?

Ein schlechtes Ergebnis in Bayern hat die SPD schon weitgehend eingepreist - was den Freistaat angeht, ist die Bundes-SPD fatalistisch geworden. Entscheidend für Nahles wird die Wahl in Hessen werden. Das Land wurde nach dem Zweiten Weltkrieg ein halbes Jahrhundert lang von Sozialdemokraten regiert, in der Wahrnehmung vieler Genossen ist es immer noch das "rote Hessen". Wenn es der hessischen SPD nicht gelingen sollte, wenigstens Juniorpartner in einer großen Koalition zu werden, dürften in der SPD heftige Debatten ausbrechen, ob man die Bundesregierung verlassen muss.

Kurzum: Die Wahl in Bayern ist der Auftakt zu zwei Wochen, an deren Ende es in allen drei Koalitionsparteien lichterloh brennen könnte. Gute Aussichten für die Bundesregierung sind das nicht.

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SZ vom 13.10.2018/dit
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