Landtagswahl:Die CSU hat das Erbe von Franz Josef Strauß verraten

Gilt bis heute als Übervater der CSU: Franz Josef Strauß.

Der frühere bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß bei einem Wahlkongresses der CSU.

(Foto: dpa)

Der Absturz der Volkspartei CSU in den Umfragen ist eigenes Versagen, kommentiert der ehemalige bayerische Kultusminister Hans Maier. Seine Partei habe sowohl Christen als auch Liberale vergrault.

Gastkommentar von Hans Maier

Fast überall in Europa schrumpfen die Volksparteien. In Frankreich und Italien sind sie schon verschwunden, in Großbritannien und Spanien werden sie von tiefen Rissen durchzogen, in Deutschland haben sie, folgt man den aktuellen Umfragen, bald nicht einmal mehr zusammen eine Mehrheit. Antagonistische Gruppen an den Rändern sind häufig an die Stelle der alten "Sammler" in der Mitte der Gesellschaft getreten - keine erfreuliche Aussicht für eine nachhaltige demokratische Kultur.

Es war zu erwarten, dass diese Erosion auch an den deutschen Volksparteien nicht vorbeigehen würde - weder an der alteingesessenen Sozialdemokratie noch an der CDU/CSU, der Nova am Parteienhimmel nach 1945. Was tut man in einem solchen Fall, wie reagiert man auf diese Entwicklung? Ich beschränke mich auf die CSU, die ich aus 45-jähriger Mitgliedschaft am besten kenne.

Wichtig ist, so scheint mir, dass Parteien in Krisenzeiten erkennbar bleiben, dass sie nicht ihr Gesicht einbüßen. Treue zu den Ursprüngen ist geboten - kein eilfertiger Übergang zu neuen Programmen. Die CSU hatte für eine solche Strategie einen verlässlichen Kompass, nämlich ihren Namen.

"Christlich" - das sollte daran erinnern, dass nach einer "Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott, ohne Gewissen und ohne Achtung vor der Würde des Menschen" (so die Bayerische Verfassung 1946) eine neue, andere Zeit gekommen sei. Und Union - das sollte nach dem Willen der Gründer und Namengeber (darunter Adam Stegerwald und Josef Müller aus Bayern!) daran erinnern, dass Katholiken und Protestanten künftig in einer gemeinsamen Partei zusammenarbeiten wollten - vereint, und nicht mehr getrennt und kontrovers wie jahrhundertelang zum Schaden Deutschlands.

Von Anfang an unterstützte die CSU auch die - von christlichen Politikern begründete - europäische Gemeinschaft. Insbesondere Franz Josef Strauß hat sich immer als ein europäischer Politiker verstanden. Ich sehe ihn noch heute vor mir, wie er an seinem Schreibtisch in seiner kalligrafischen Schrift Briefe an Margaret Thatcher und Giscard d'Estaing schreibt, als Parteichef, von gleich zu gleich. Doch es hat da einen Einbruch gegeben.

Im Europawahlkampf 2014 schlug die CSU-Führung deutlich europakritische Töne an, was sie mit dem schlechtesten Wahlergebnis bei Europawahlen bezahlte. Gleichzeitig begann sie einen heftigen verbalen Kampf gegen das, was sie die "Armutszuwanderung in die deutschen Sozialsysteme" nannte. Sie verkannte damit nicht nur den Charakter der gegenwärtigen globalen Migrations- und Fluchtbewegungen, sie rückte auch die deutsche Asylgesetzgebung, den Schutz für Bedrohte und Verfolgte, in ein schiefes Licht.

Die Hilfsbereitschaft vieler Menschen angesichts der Flüchtlingsströme wurde verkannt, ja geschmäht. Hier brach der Gegensatz zur CDU und damit auch der Dauerstreit zwischen Horst Seehofer und Kanzlerin Angela Merkel auf, der sich im Jahr 2015 dramatisch zuspitzte und der in der großen Koalition bis heute weiter schwelt.

Die CSU verlor durch diese Politik sowohl enttäuschte Christen wie verstimmte Liberale. Sie verlor die für Volksparteien wichtige Fähigkeit, mit Widersprüchen und Gegensätzen umzugehen - und sie in einem "täglichen Plebiszit" zu versöhnen. In der "alten" CSU konnten sich viele wiedererkennen, die nach Herkunft und Seelenlage keineswegs eines Sinnes waren. In ihr hatten sowohl der stramm-katholische Sozialminister Fritz Pirkl (wir nannten ihn den Weihbischof!) als auch der evangelische Finanzminister Konrad Pöhner, ein Freimaurer, ihren Platz.

Auch heute wäre in der CSU ein solch weiter Bogen möglich - man muss nur an die Namen Theo Waigel, Alois Glück, Manfred Weber auf der einen Seite, die Namen Edmund Stoiber, Horst Seehofer, Alexander Dobrindt auf der anderen erinnern. Dazu müssten künftig freilich die ersten etwas lautstärker werden, die zweiten gründlich leiser tönen.

Hans Maier, 87, Politologe und Publizist, Mitglied der CSU, war von 1970 bis 1986 bayerischer Kultusminister.

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