Regierungsbezirke:Bei den Direktmandaten dominiert immer noch die CSU

Die CSU verliert stark, aber nur wenige Direktkandidaten müssen wirklich zittern. Manche Stimmkreise muss sie aber abgeben.

Von Andreas Glas, Claudia Henzler, Olaf Przybilla und Christian Rost

Die höchste Wahlbeteiligung seit 20 Jahren ist eine erfreuliche Sache bei dieser Landtagswahl, allerdings brachte sie auch Schwierigkeiten mit sich: Die Auszählung dauerte sehr lang. Deswegen war lange unklar, wer tatsächlich im Landtag vertreten sein würde. Ein paar Tendenzen zeichneten sich aber auch nach den Hochrechnungen schon ab in den einzelnen Regierungsbezirken.

Oberfranken

Im Stimmkreis Forchheim lag vor der Wahl eine Sensation in der Luft. Mehrere Prognosen hatten den Freien Wählern einen Gewinn des Direktmandats in Aussicht gestellt, immerhin hatte der Abgeordnete Thorsten Glauber schon 2013 das beste FW-Erststimmenergebnis in Bayern einfahren können. Glaubers Vater war einst erfolgreicher Landrat, auch gilt Forchheim als FW-Hochburg. Es wurde tatsächlich enger als bei der vorherigen Wahl, aber am Ende hatte der CSU-Abgeordnete Michael Hofmann klar die Nase vorn. Die FW-Sensation in Forchheim blieb also aus.

In der alten SPD-Hochburg Hof hatte sich der Landtagsabgeordnete Klaus Adelt Hoffnungen gemacht, wenigstens nahe heranzukommen an den CSU-Abgeordneten Alexander König, der einst mit der "Leica"-Affäre von sich reden gemacht hatte. Adelt aber konnte sich dem SPD-Trend nicht widersetzen. Klarer Sieger am Ende: König.

Und auch in Coburg zerstoben die SPD-Hoffnungen. Und das überraschend klar. In Coburg war immerhin ein amtierender Landrat, Michael Busch, gegen den jungen Seßlacher Bürgermeister Martin Mittag angetreten, der erstmals kandidierte. Mittag siegte trotzdem klar. Busch hatte freilich schon im Wahlkampf ausgemacht, wen er für eine mögliche Niederlage verantwortlich machen würde: die Berliner SPD-Spitze.

Mittelfranken

Markus Söder hatte für die Wahl den Stimmkreis gewechselt, vom Nürnberger Westen, wo er einst geboren ist, zog er in den Osten, wo er heute lebt. Der Stimmkreis gilt als deutlich CSU-affiner als sein bisheriger. Im Nürnberger Osten sind die Wähler wohlhabend, im Westen eher nicht. Für einen Ministerpräsidenten fiel das Ergebnis im neuen Stimmkreis trotzdem eher durchschnittlich aus. Söder lag den ganzen Abend lang um die 38 Prozent der Erststimmen. Damit allerdings distanzierte er seinen Mitbewerber von den Grünen, Elmar Hayn, doch klar. Söders Nachfolger im Stimmkreis Nürnberg-West, Jochen Kohler, eroberte seinen Stimmkreis auf Anhieb souverän. Kohler war das erste Mal angetreten. Sein Erfolg löste in CSU-Kreisen große Freude aus. Aufgrund einer schweren Krankheit hatte Kohler nur einen Teil des Wahlkampfes mitmachen können. Auch der zweite große Name in Mittelfranken hatte am Wahlabend einen schweren Stand. In Erlangen sah es lange so aus, als könnte der Bewerber der Grünen, Christian Zwanziger, ein Newcomer, sehr nahe an Innenminister Joachim Herrmann herankommen. Das wäre historisch gewesen, gegen ein so etabliertes Kabinettsmitglied. Am Ende aber lag Herrmann doch vorne.

Unterfranken

In Aschaffenburg, der Heimatstadt Winfried Bausbacks, gab es keinen Bonus für den Justizminister. Sein Erststimmenergebnis dürfte in etwa auf Höhe des landesweiten Resultats der CSU liegen. Das ist aber ausreichend, um den Stimmkreis zu halten. Bei der vergangenen Wahl hatte Bausback im Stimmkreis Aschaffenburg-West knapp 43 Prozent der Erststimmen erhalten. Auch Staatssekretär Gerhard Eck musste ein paar Federn lassen. Er hatte 2013 in Schweinfurt noch 48,7 Prozent der Erststimmen bekommen, nun sind es noch 39,7 Prozent. Auf Platz 2 kamen die Grünen mit 14,5 Prozent, gefolgt von der AfD mit 12,6 Prozent.

Oberpfalz

Im Restaurant "Leerer Beutel" in Regensburg trafen sich am Sonntagabend gleich fünf Parteien zur gemeinsamen Wahlparty: SPD, FDP, Freie Wähler, Linke und Grüne. So verschieden die Ergebnisse, so gemischt die Gefühle. "Verheerend" nennt SPD-Direktkandidatin Margit Wild das Ergebnis ihrer Partei. Sie sitzt seit 2008 im Landtag - und muss nun um ihr Mandat zittern. Falls die Regensburger SPD nicht mehr im Landtag vertreten wäre, "das wäre katastrophal", sagt Wild. Sehr fröhlich klingt dagegen Jürgen Mistol, der von einem bayernweiten "Superergebnis" für seine Grünen spricht. Das Direktmandat holt letztlich Franz Rieger (CSU)

Auch in der Stadt Regensburg holten die Grünen rund ein Viertel aller Zweitstimmen. Knapp 50 Kilometer weiter nördlich, in Schwandorf, hat CSU-Direktkandidat Alexander Flierl den Wahlabend im Stimmkreisbüro verbracht. "Eine Wahlparty haben wir nicht geplant", sagt Flierl, der das CSU-Ergebnis als "herb und bitter" bezeichnet. Seine Partei müsse sich jetzt "klar neu aufstellen und neu sortieren".

Niederbayern

Ein starkes Ergebnis holte Kultusminister Bernd Sibler (CSU) im Stimmkreis Deggendorf mit gut 48 Prozent. Insgesamt sei die Wahl für die CSU aber "enttäuschend" gelaufen, sagt Walter Taubeneder, Direktkandidat im Stimmkreis Passau-West. Wenn auch nicht so schlecht wie in den letzten Umfragen, "da hätte man ja meinen können, es geht ins Unendliche". Wie viele seiner Parteikollegen macht Taubeneder das schlechte Abschneiden der CSU daran fest, "dass man aus Berlin pausenlos torpediert worden" sei. Deshalb müssten nun Personalfragen gestellt werden, sagt Taubeneder, und damit meine er "nicht den Ministerpräsidenten". Man müsse "über den Parteivorsitzenden reden", über Horst Seehofer.

Freude herrscht dagegen bei der Landshuter Grünen-Abgeordneten Rosi Steinberger. Sie spricht von "großem Jubel" bei der Wahlparty - aber auch von ein wenig Enttäuschung, da es schlecht aussieht mit einer grünen Regierungsbeteiligung. Steinberger erwartet eine Koalition aus CSU und Freien Wählern. Damit sei eine Chance vertan, Bayern "ökologisch und proeuropäisch" weiterzuentwickeln.

Schwaben

Besonders die Grünen konnten in Schwaben jubeln, die zum Beispiel in Kempten bei den Erst- und Zweitstimmen auf rund 20 Prozent kamen. Das ist eine Zäsur im Allgäu; zwar sitzen die Kandidaten der CSU mit ihren Direktmandaten noch relativ fest im Sattel. Auch für Nordschwaben gilt das, wo sich in den beiden Stimmbezirken in Augsburg Andreas Jäckel und Johannes Hintersberger keine Sorgen machen müssen, ebenso wenig in Neu-Ulm Beate Merk. Bei den Erststimmen holten die Christsozialen nach dem vorläufigen Ergebnis meist jeweils mehr als 30 Prozent.

Doch in Augsburg zeigt sich, wie sich das Verhalten der Wähler ändert. Die beiden Kandidaten der Grünen lagen bei rund 23 Prozent, die AfD-Kandidaten bei 12,5 Prozent. Die Klientel in der verlängerten Werkbank Bayerns, wie Schwaben wegen seiner vielen Fertigungsbetriebe einst genannt wurde, kann nicht mehr so leicht mit Versprechungen bezüglich mehr sozialer Gerechtigkeit überzeugt werden. So kommt die SPD in Augsburg auf nurmehr gerade noch zehn Prozent, im Allgäu ist sie oft sogar einstellig. Im Stimmkreis Kempten etwa erreichte sie nach dem Zwischenergebnis gerade mal 6,9 Prozent bei den Erststimmen und 7,1 Prozent bei den Zweitstimmen. Der Augsburger SPD-Landtagsabgeordnete Harald Güller zeigte sich "ziemlich enttäuscht" über die Ergebnisse seiner Partei. Für Peter Rauscher von den Augsburger Grünen hingegen lief die Wahl "perfekt". Seine Partei habe keine Politik der Angst machen wollen und mit sachlicher Argumentation überzeugt, sagt er. "Glaubwürdigkeit zahlt sich aus." Was mögliche Koalitionsverhandlungen angeht, da gibt sich Rauscher selbstbewusst. "Die müssten sich in Richtung einer proeuropäischen, gerechteren Politik bewegen." Mit den Freien Wähler hätte es die CSU sicher leichter.

Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl, auch stellvertretender Vorsitzender der Landes-CSU, ist deutlich angegriffen nach den herben Stimmenverlusten. "Wir haben es nicht geschafft, im bisherigen Nichtwählermilieu zu überzeugen", so seine erste Analyse. "Festlegungen für Koalitionen sollten wir noch unterlassen", so seine Empfehlung, "wir sollten zunächst mit allen sprechen und verhandeln, die sich der Verantwortung stellen wollen und dafür auch einen Auftrag vom Wähler bekommen haben."

Oberbayern

Richtig zufrieden sehen die beiden Abgeordneten Benno Zierer (FW) und Christian Magerl (Grüne) aus. Ein Foto auf dem Kurznachrichtendienst Twitter zeigt sie grinsend Arm in Arm. Man kennt sich halt in Freising. Für Magerl ist die Wahlparty auch eine Art Abschiedsfeier, er verlässt den Landtag, dem er seit 2003 angehörte. "Total happy", so wird Magerl zitiert, sei er über das Grünen-Resultat: "Wir werden sehen, ob irgendwann in den nächsten Tagen ein Anruf von Söder kommt - oder nicht."

In Oberbayern schnitt die CSU bei der vergangenen Landtagswahl zwar etwas schlechter als im restlichen Bayern, aber immerhin kam der Stimmenkönig aller bayerischen Direktkandidaten von hier: Umweltminister Marcel Huber schaffte in seinem Stimmkreis Mühldorf am Inn 63,1 Prozent. Diesmal verlor er deutlich, mit fast 15 Prozentpunkten weniger gewann er mit letztlich 48,2 Prozent dennoch deutlich das Direktmandat. Mit Sehnsucht wird sich die SPD an die Zeiten erinnern, als sie in Oberbayern noch auf 20,6 Prozent kam. Schon bevor alle Stimmkreise ausgezählt waren, hat der ehemalige Münchner SPD-OB Christian Ude Konsequenzen ob des sich abzeichnenden Desasters gefordert: "Da muss alles auf den Prüfstand, was man überhaupt überprüfen und korrigieren kann."

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