Landtagswahl:CSU-Politiker werben für Koalition mit AfD - großer Widerspruch aus Partei

CSU-Basisinitiative 'Konservativer Aufbruch'

Der "Konservative Aufbruch" ist eine Basisbewegung in der CSU, der die Union zu weit links steht.

(Foto: Nicolas Armer/dpa)
  • Aktuellen Umfragen zufolge wird die CSU nach der Landtagswahl wohl auf einen Koalitionspartner angewiesen sein.
  • Der Sprecher des Konservativen Aufbruchs (KA) Mittelfranken, einer Basisbewegung innerhalb der CSU, hat nun eine Zusammenarbeit mit der AfD ins Spiel gebracht.
  • Die Parteispitze hat sich bereits dagegen ausgesprochen, auch andere Stimmen aus der CSU sehen den Vorschlag äußerst kritisch.

Von SZ-Autoren

Der Erlanger CSU-Stadtrat Stefan Rohmer befindet sich im Urlaub, hat aber gerade viel zu tun, die Anfragen häufen sich. Der Anästhesist ist Sprecher des Konservativen Aufbruchs (KA) Mittelfranken, einer Basisbewegung innerhalb der CSU, und hat mit zwei Parteifreunden aus seiner Region eine in der CSU bislang tabuisierte Idee ins Spiel gebracht: Sollte die CSU nach der Landtagswahl auf einen Partner angewiesen sein, so solle "die CSU über eine Koalition mit der AfD nachdenken". Rohmer begründet das so: Vergleiche man die "inhaltlichen Positionen der CSU und der Grünen", sei eine konstruktive Koalition so nicht möglich. Notwendig dafür sei "eine möglichst weitgehende inhaltliche Übereinstimmung der politischen Positionen". Bei "größeren Teilen der AfD in Bayern", findet Rohmer, "könnte eine solche inhaltliche Nähe bestehen."

In einer gemeinsamen Erklärung distanzieren sich die sechs Landessprecher des KA Bayern von Rohmer. Dieser gebe lediglich eine "Einzelmeinung als CSU-Mitglied und Erlanger Stadtrat wieder". Im Übrigen sei der Regionalverband des KA in Mittelfranken "bereits vor mehreren Wochen aufgrund interner Differenzen aufgelöst worden". Dies wiederum bestreitet Rohmer: Der KA Mittelfranken sei kein legitimierter Arbeitskreis innerhalb der CSU, sondern eine Mitgliederbasisbewegung und ein konservatives und wirtschaftsliberales Netzwerk aus CSU-Mitgliedern - deswegen könne er gar nicht von Parteiorganen aufgelöst werden.

Rohmer will also weiter kämpfen: "Bei großen Teilen der AfD" handele es sich "um ehemalige CSU-Mitglieder, die den Linksruck in der Union für sich abgelehnt haben", ist er überzeugt. Die AfD-Mitglieder seien "teilweise jahrzehntelang als CSU-Ortsvorsitzende oder kommunale Mandatsträger aktiv" gewesen und verträten bis heute die politischen Inhalte, "die sie als CSU-Mitglieder damals unangefochten vertreten" hätten. Mit dem "rechts-nationalen Teil der AfD" sehe er freilich keine Basis für eine Zusammenarbeit. Es müsste bei einer Kooperation mit der Alternative für Deutschland "gesichert sein, dass dieser Teil der AfD nicht beteiligt ist".

Die Parteispitze ist in der Frage weniger offen. "Unter keinen Umständen", werde es eine Koalition mit der AfD geben, sagte CSU-Chef Horst Seehofer am Montag. "Ich kämpfe seit 40 Jahren gegen Rechts- und Linksradikalismus - das bleibt so. Es gibt mit solchen Kräften keine Zusammenarbeit." Innenminister Joachim Herrmann, der zugleich CSU-Bezirkschef in Mittelfranken ist, nannte den Vorschlag Rohmers eine "einzelne Stimme in der CSU, eine absolute Randerscheinung und kein ernsthaftes Thema".

So klingt das auch an der Basis. Eine Koalition mit der AfD kann sich kaum jemand vorstellen. Mit wem sonst, darüber gibt es sehr unterschiedliche Meinungen.

Die Kreisvorsitzende der Erlanger CSU, Alexandra Wunderlich, distanziert sich von ihrem Kollegen aus dem Erlanger Stadtrat. Man werde "Wahlkampf für eine starke CSU machen", Koalitionsaussagen werde man grundsätzlich nicht treffen. Über mögliche Forderungen nach einem Parteiausschlussverfahren für Rohmer habe der Kreisverband noch nicht gesprochen, viele Mitglieder befänden sich im Urlaub. Auch der Nürnberger Stadtrat Kilian Sendner äußert Unverständnis. "Die AfD ist eine populistische Partei ohne vollständiges Programm", das schließe eine Koalition aus. In anderen Ländern könne die Union über eine Koalition mit den Grünen nachdenken, findet Sendner, in Bayern präferiere er die Freien Wähler.

"Ich merke, dass viele CSU-Wähler aus Protest die AfD wählen werden"

Michael Schmück, Stadtrat in Füssen, hält ebenfalls nichts von einer Koalition mit der AfD: "Das finde ich sehr problematisch, die AfD ist für mich keine gute Partei, die sind viel zu radikal. Wenn die Flüchtlinge mal hier sind, muss man das akzeptieren und ordentlich mit ihnen umgehen." Dabei beschäftige die Asylpolitik auch in Füssen die Menschen, aber das sei noch lange kein Grund, radikal zu werden. Schmück ist seit 40 Jahren in der CSU, im Stadtrat, im Kreisverband und kommt viel rum. Sollte die CSU nach der Landtagswahl auf einen Koalitionspartner angewiesen sein, hat Schmück einen klaren Favoriten: "Wenn der Hartmann sich etwas zurücknimmt, dann geht das schon." Die CSU sei von den Grünen nicht so weit weg, wie viele Menschen denken, sagt er, Schwarz-Grün sei an der Basis ein Thema. Er glaube auch, dass in der CSU eine Mehrheit Schwarz-Grün befürworten würde.

Eine Koalition mit der AfD schließt Monika Knauer kategorisch aus. Die Stadträtin aus Aichach hofft, dass die CSU stärkste Partei im Landtag bleibt und wenn überhaupt mit der SPD koalieren müsse. Das klappe im Stadtrat in Aichach ganz gut, sagt Knauer. Große Bedenken aber habe sie wegen der Stimmung in der Bevölkerung: "Ich merke, dass viele CSU-Wähler aus Protest die AfD wählen werden. Sie wollen ein Zeichen setzen, das höre ich oft. Mit den Folgen aber haben sich die Leute nicht befasst." Sie klingt etwas resigniert. Besonders schlimm finde sie, dass viele dieser Wähler nicht mehr für Argumente offen seien. Das Hauptproblem seien noch immer die Flüchtlinge. "Die Leute sind etwas blind geworden, nehmen die Maßnahmen nicht wahr. Alle haben Angst, dass die Demokratie ins Schwanken kommt. Dabei geht es uns doch gut", sagt Knauer.

Elisabeth Koch aus Garmisch-Partenkirchen ist entsetzt über die Ideen aus Mittelfranken. "Die Insignien der CSU sind das Christliche und das Soziale", sagt die CSU-Sprecherin im Marktgemeinderat, "sie gehen auf keinen Fall mit dem menschenverachtenden Gedankengut der AfD zusammen - eine Zusammenarbeit und eine Koalition sind ausgeschlossen." Eine Öffnung der CSU in Richtung AfD "würde alles über Bord schmeißen, wofür die CSU steht", sagt sie. Was einen Koalitionspartner anbelangt, ist Koch ratlos. "Schauen Sie sich doch mal das Personal in der Opposition an", sagt sie. "Das ist niemand, der sich aufdrängt." Die Grünen sind aus ihrer Sicht keine Option. "Sie sind inhaltlich viel zu weit weg von unseren Positionen", sagt die Juristin, "etwa in der Wirtschaftspolitik oder in der inneren Sicherheit."

Der Erlanger Stadtrat Rohmer, sagt Margret Tuchen, "soll sich überlegen, ob er bei der richtigen Partei ist". Eine Koalition mit der AfD komme für die CSU-Fraktionsvorsitzende im niederbayerischen Bezirkstag "überhaupt nicht in Frage", im Gegenteil: "Ich bekämpfe die AfD, weil sie mir zu rechtsradikal ist." In Gesprächen mit ihren Parteikollegen im Raum Deggendorf sei eine Koalition mit der AfD ebenso wenig ein Thema wie bei den Bürgern, die sie zurzeit am Wahlkampfstand in Deggendorf trifft. Dass die AfD kein Partner sein könne, sei ihr erst am vergangenen Samstag wieder bewusst geworden. Ein örtlicher AfD-Funktionär sei an den CSU-Stand gekommen und habe sie beschimpft, "in einem aggressiven Ton: Ihr werdet sehen, wir sind an der Macht! Wir werfen alle raus!" Natürlich sei das gute Ergebnis der AfD in Niederbayern bei der Bundestagswahl "ein Schock" gewesen. Aber die CSU dürfe sich deswegen nicht denen anpassen, "die Demokratie und unser Grundgesetz aufs Spiel setzen". Also besser eine Koalition mit den Grünen? Diese Frage wolle sie "erst beantworten, wenn wir das Ergebnis haben", sagt Tuchen. Eines müsse aber klar sein: "Wenn wir einen Partner brauchen, dann einen demokratischen, der unsere Werte anerkennt."

"Im Endeffekt ist es gar keine Debatte, sondern die Meinung eines Einzelmitglieds - wie es sie immer gibt und auch geben darf als konservative Position innerhalb des demokratischen Spektrums", sagt Nicola Gehringer, Landesgeschäftsführerin der Jungen Union (JU). Man sei eben eine Volkspartei mit einzelnen Stimmen und Stimmungen. In der JU stehen ihrer Meinung nach "bestimmt 99 Prozent hinter den Beschlusslagen der Partei, die eine Zusammenarbeit mit der AfD ausschließen". Wer beim Holocaust geschichtsvergessen argumentiere, den Klimawandel leugne oder in der Asylpolitik ganz einfache Lösungen biete, sagt Gehringer, "kommt für mich nicht in Frage". Und generell kämpfe jede Partei für sich, Spekulationen über Koalitionen vor der Wahl seien "ein falsches Signal, mit dem wir unseren Anspruch auf die absolute Mehrheit nur klein machen würden".

Und die vermeintliche umworbene Partei? Die Koalitionsfrage ist in der AfD ein heißes Eisen, hatte doch 2017 der "Zukunftsantrag" der damaligen Bundeschefin Frauke Petry, welcher die Partei "anschlussfähig" machen sollte, auch zu deren Scheitern und Austritt geführt. Mit Blick auf die Landtagswahl gibt sich Martin Sichert, Vorsitzender im Freistaat und Bundestagsabgeordneter aus Nürnberg, aber gönnerhaft-pragmatisch. Man könne ja "diskutieren", wenn die CSU bereit sei, "unsere Kernforderungen zu übernehmen": unter anderem "echte Grenzkontrollen", die Unterbindung illegaler Einreise und eine Rückführungspolitik ohne "Schlupflöcher", die Abschaffung des Islam-Unterrichts an Schulen sowie direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild. Und: den Bruch der Koalition in Berlin und damit "das Ende der Regierung Merkel", zudem "ein konservativ-bürgerlicher Neuanfang der CSU ohne Seehofer und Söder". Die beiden, so Sichert, werden aber "nach dem historisch schlechten CSU-Ergebnis ohnehin Geschichte" sein.

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