Süddeutsche Zeitung

Landtagswahl:So könnte Franken am Sonntag wählen

Bei der Landtagswahl 2013 holte die CSU alle Direktmandate, bis auf eines. Wegen der schlechten Umfragewerte müssen viele Kandidaten nun aber bangen. In Würzburg könnte das Ergebnis sogar spektakulär sein.

Von Claudia Henzler und Olaf Przybilla, Nürnberg

Nicht alle Stimmkreise in Franken sind ein Selbstläufer für die CSU. Am spannendsten wird der Streit ums Direktmandat sicher in Nürnberg-Nord, wo sich sowohl CSU als auch SPD und Grüne begründete Hoffnungen auf einen Sieg machen. Der historisch stets hart umkämpfte Nürnberger Stimmkreis wurde in der SZ bereits ausführlich vorgestellt, hier ein Überblick über andere Kreise in Franken, die am Sonntag ebenfalls im Fokus stehen.

Coburg

Der Coburger Landrat Michael Busch hat sich in der SPD den Ruf erworben, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, und dies bisweilen auch zum Leidwesen der Genossen. Als es etwa um die Wahl von Andrea Nahles zur Bundesvorsitzenden seiner Partei ging, ließ sich Busch mit dem Satz zitieren: "Eine ,Pippi-Langstrumpf-Auf-die-Fresse-Ätschi-bätschi-Vorsitzende' will ich nicht." Erfolgreich war Buschs Anti-Nahles-Projekt zwar nicht, ein Freund klarer Aussprache aber ist der 61-Jährige geblieben - und das auch, wenn es um die eigene Situation geht: "Es gibt Kollegen", sagt er, "die halten mich für beknackt."

Das könnte man für Koketterie halten, Busch aber kann die Skepsis seiner Landrats-Kollegen plausibel begründen. Tatsächlich ist es gängige Übung für etablierte Abgeordnete, sich nach Jahren im Landtag für den Posten als Landrat in der Heimat zu bewerben, sozusagen als nächster Karriereschritt.

Andersrum ist das sehr selten: Ein Landrat - der König der Kommune - sieht sich ungern zum einfachen Abgeordneten degradiert. Trotzdem, sagt Busch, habe er sich durchgerungen zur Kandidatur. Weil er sich oft genug habe hadern hören mit der Bayern-SPD, der es einfach nicht gelinge, mit erfolgreichen Kommunalpolitikern auch landespolitisch etwas zu reißen.

"Die Wahrheit ist", sagt Busch, "mit Nürnbergs Oberbürgermeister Uli Maly als Spitzenkandidaten wäre da ein anderer Zug drin." Maly aber stand für den Landtag nicht zur Verfügung, was sich Busch nicht nachsagen lassen wollte. Dass er im Coburger Land deutlich bekannter ist als der CSU-Bewerber Martin Mittag, 36, Bürgermeister von Seßlach, bestreit selbst dieser nicht. "Keine Frage", sagt Mittag.

Als favorisiert, das Direktmandat zu gewinnen, gilt Mittag aber trotzdem. Warum? "Glauben Sie, auf der Straße spricht Sie jemand auf viel anderes als Bundespolitik an?", fragt Busch zurück. Mit der Spitze der Bundes-SPD ist er weiter unzufrieden. Und fühlt sich in seiner Nahles-Kritik bestätigt.

Würzburg

In Würzburg hat eine sogenannte Prognose Aufsehen erregt, die dem Grünen-Kandidaten Patrick Friedl sehr gute Chancen aufs Direktmandat bescheinigt. Das wäre wahrlich eine spektakuläre Entwicklung, hatte der 46-jährige CSU-Kandidat Oliver Jörg, der seit zehn Jahren im Landtag sitzt und dort keineswegs negativ aufgefallen ist, doch bei der letzten Wahl stattliche 39,4 Prozent der Erststimmen bekommen, Friedl hingegen nur 16,1 Prozent. Die Vorhersage basiert nicht auf Umfragen im Stimmkreis, sondern einer "Modellrechnung", in die neben alten Wahlergebnissen auch gesellschaftliche Trends und Daten zur Sozialstruktur einfließen.

Ob dies mehr Aussagekraft hat als ein Krakenorakel, muss sich am Sonntag zeigen. Viele Würzburger haben jedenfalls darüber gelesen und Friedl darauf angesprochen, erzählt der 48-jährige Jurist und Stadtrat. Er hat lange Erfahrung im politischen Geschäft, hat unter anderem das Wahlkreisbüro des Bundestagsabgeordneten Hans-Josef Fell aus Bad Kissingen geleitet und ist schon bei mehreren Bundestags- und Landtagswahlen angetreten, bislang erfolglos.

Angesichts der sensationellen Umfragewerte für die Grünen in Bayern und seines Listenplatzes 2 ist Friedl unabhängig von der "Prognose" zuversichtlich, dass es diesmal klappen könnte. Nicht vorschnell abschreiben sollte man aber trotz des SPD-Tiefs den Kandidaten Georg Rosenthal. Der Landtagsabgeordnete und Alt-Oberbürgermeister von Würzburg, Jahrgang 1946, ist in Unterfranken ein sehr bekannter Mann.

Vor fünf Jahren hatte er 25,2 Prozent der Erststimmen geholt und außerhalb viele Zweitstimmen eingesammelt. CSU-Kandidat Oliver Jörg will sich von Umfrageergebnissen nicht irritieren lassen. "Wahlen sind immer spannend", sagt er. Wobei er 2018 schon als besonders empfinde. "Dieser Wahlkampf war so intensiv, dass er seinesgleichen sucht."

Forchheim

Mindestens so starke Hoffnungen wie die Würzburger Grünen machen sich die Freien Wähler in Forchheim auf ein Direktmandat. Um das zu verstehen, muss einem der Name Reinhardt Glauber etwas sagen. Der war Architekt, Gemeinderat im oberfränkischen Örtchen Pinzberg und für die Freien Wähler bis 2014 acht Jahre lang Landrat von Forchheim. Dass Thorsten Glauber, 47, die Beliebtheit seines Vaters im Wahlkampf zu Hilfe kommt, würde er selbst nie bestreiten. Er kommt sogar selbst auf ihn zu sprechen. "Mein Vater ist bis heute sehr geschätzt hier", sagt er. Es wäre auch krampfhaft, keine direkte Linie zwischen den beiden zu erkennen.

Auch Thorsten Glauber ist gelernter Architekt, Gemeinderat in Pinzberg und inzwischen Berufspolitiker. Seit 2008 ist er Landtagsabgeordneter und einer der wenigen aus den Reihen der Freien Wähler, die neben Hubert Aiwanger wenigstens ab und an in den Medien gefragt sind.

Was bei Glauber kaum verwundert: Der konnte bei der letzten Wahl immerhin das beste Erststimmenergebnis der Freien Wähler in Bayern einfahren und vertritt seine Fraktion im Haushalts- und Wirtschaftsausschuss. Glaubers Gegenkandidat Michael Hofmann (CSU) ist seit fünf Jahren im Landtag. Bei der letzten Wahl musste er kurzfristig für Eduard Nöth einspringen, der über die Verwandtenaffäre stolperte. Am Ende lag Hofmann elf Prozentpunkte vor Glauber.

Hof

Eine ehemalige CSU-Affäre ist es auch, die Klaus Adelt konkret hoffen lässt. Der will daraus gar keinen Hehl machen. "Ich habe keine solche Kamera gekauft", sagt der Hofer SPD-Abgeordnete, wenn man ihn auf seine Chancen im Stimmkreis Hof anspricht. Adelt spielt auf die Malaise von CSU-Bewerber Alexander König an, über die jener allerdings - anders als Nöth - nicht gestolpert ist. 2013 war bekannt geworden, dass sich König eine 6000 Euro teure Digitalkamera auf Steuerkosten zugelegt hat.

Weil die Kamera zu unhandlich war, habe er freilich dem Landtag "aus freien Stücken" das Geld für die Leica zurückerstattet. König trat wieder an und schlug Adelt in der ehemals roten Hochburg Hof mit sechs Prozentpunkten Vorsprung. Das kann man natürlich aufholen. "Aber es wird verdammt schwer", ahnt Adelt.

Erlangen

Klassische Universitätsstadt, überproportional viel akademisch-urbanes Publikum - das lässt wie Patrick Friedl in Würzburg auch den Grünen-Kandidaten Christian Zwanziger in Erlangen hoffen. Allerdings weiß Zwanziger selbst, dass seine Chancen - wie die des SPD-Kollegen Philipp Dees - auf eine Sensation deutlich geringer sein dürften als in Würzburg. Ist der CSU-Bewerber doch kein Geringerer als Innenminister Joachim Herrmann.

Eine jahrelange Parteikarriere und etliche Kandidaturen wie Friedl hat der 31-jährige Zwanziger nicht vorzuweisen. Eines aber lässt ihn dennoch hoffen. Kaum einen anderen Satz habe er im Straßenwahlkampf öfters gehört als: "Ich habe ja immer CSU gewählt, aber diesmal wähl' ich die Grünen." Ist eine Sensation also möglich? Ausschließen will Zwanziger, bislang Mitarbeiter eines Bundestagsabgeordneten, das nicht.

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Quelle:
SZ vom 09.10.2018/mla
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