Störfeuer aus Berlin:Selbst die CSU rätselt über Parteichef Seehofer

Markus Söder auf dem Bezirksparteitag der CSU München

Markus Söder dürfte nicht erfreut sein über das Störfeuer aus Berlin.

(Foto: Florian Peljak)

Eigentlich wollte Ministerpräsident Söder die finalen Wochen vor der Landtagswahl allein mit bayerischen Themen besetzen. Stattdessen wird über Chemnitz, Merkel und Flüchtlinge debattiert.

Von Wolfgang Wittl

Manchmal ist es interessanter, was ein Politiker nicht sagt. Gut eine Stunde spricht Markus Söder am Samstag beim Bezirksparteitag der niederbayerischen CSU: über Pflege und Familie, über Sicherheit und Zuwanderung. Über eines spricht Söder dezidiert nicht: über Horst Seehofer, Hans-Georg Maaßen oder wer nun die Mutter oder der Vater aller politischen Probleme sei.

Der bayerische Ministerpräsident hat Zeit gebraucht, bis er im Wahlkampf seine Linie gefunden hatte. Dass er im Streit um Zurückweisungen an der Grenze mit Seehofer und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gegen Kanzlerin Angela Merkel zu Felde zog, gilt selbst in Söders Umgebung inzwischen als strategischer Fehler. Die Fehde hat Vertrauen gekostet und ziemlich sicher auch Stimmen für die Landtagswahl am 14. Oktober. In der CSU war man daher recht froh über die Sommerpause. Sie sollte das Ende markieren im Unionsstreit, Söder wollte die finalen Wahlkampfwochen allein mit bayerischen Themen besetzen. Und jetzt spricht wieder jeder über Seehofer und Merkel, die AfD und Flüchtlinge? "Nicht schon wieder", stöhnt ein Mitglied des CSU-Vorstandes. Statt über Söders Offensive für Bayern zu reden, werde diskutiert, was genau eine Hetzjagd sei. In München wird gerätselt, was den Parteichef antreibt.

Mehr als andere Politiker hat Seehofer ein Gefühl für Menschen. Als bayerischer Ministerpräsident kam er viel herum im Land, saugte Stimmungen auf und verwandelte sie in Politik. Das Berliner Regierungsviertel verspottete er als Blase, losgelöst von der Lebensrealität der Bürger. Kritiker in der CSU staunen: Hat Seehofer sein Gefühl verloren? Schwebt der Innenminister nun selbst in dieser Berliner Blase? Termine in Bayern nehme er kaum wahr.

Seine Freunde sagen: Seehofer befinde sich auf einer Mission, vielleicht seiner letzten. Er sei überzeugt, die Zuwanderungsfrage müsse grundlegend beantwortet werden. Vorfälle wie in Chemnitz würden doch nur beweisen, dass das Thema jederzeit hochkochen könne. "Seid unbesorgt", rief Seehofer bei seinem ersten Bierzeltauftritt nach dem Streit mit Merkel den Zuhörern trotzig zu: "Man kann mir vieles nehmen, man kann mir mein Amt nehmen - aber meine Überzeugungen wird man mir nicht nehmen." Dass sich seit 2015 etwas verändert habe im Land - auch oder insbesondere wegen Merkels Flüchtlingspolitik -, ist in der CSU weitgehend Konsens. Die AfD stand vor dem Sturz ins Nichts, jetzt steht sie bei etwa 15 Prozent. Aber warum greift Seehofer die AfD dann nicht stärker an, fragen Parteifreunde. Warum fuhr der Innenminister nicht nach Chemnitz?

Söder hat die AfD am Wochenende attackiert. "Dieses Chemnitz verändert vieles", rief er. Die Partei wolle den Staat "destabilisieren", habe "die Maske der Bürgerlichkeit fallen lassen", und wer sich als "Strafe Gottes" bezeichne, wie eine AfD-Frontfrau dies tat, "da muss man schon einen Schuss haben - deshalb klare Abgrenzung". Söders asylpolitischer Kurs sieht nun so aus: "Wir wollen erreichen, es bleiben die Richtigen und es gehen die Falschen."

An diesem Montag treten Seehofer und Söder nach einer Vorstandssitzung gemeinsam vor die Mikrofone. Man sollte aber nicht zu viel erwarten. Über manches wird in der CSU erst nach dem 14. Oktober offen gesprochen werden.

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