Landtagswahl:Das letzte Paradies der CSU liegt im Allgäu

Riedberger Horn

Das Riedberger Horn ist Balderschwangs Hausberg. Jahrelang war er umkämpft, weil dort eine Skischaukel inmitten eines Schutzgebiets entstehen sollte.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

In der Gemeinde Balderschwang haben die Christsozialen 82 Prozent der Zweitstimmen geholt. Damit das so bleibt, lädt der Bürgermeister auch Grüne ein, auf der Liste der Schwarzen zu kandidieren.

Von Christian Rost

Als "Bayerisch-Sibiren" wird die Gegend im Oberallgäu gerne verspöttelt. Das klingt witzig, hat aber durchaus einen wahren Kern. Die Gemeinde Balderschwang mit ihren 363 Einwohnern ist fast so dünn besiedelt wie die Weiten Russlands. Nur neun Menschen leben auf einem Quadratkilometer. Nach Chiemsee ist sie die zweitkleinste Gemeinde in Bayern und die am höchsten gelegene selbständige Kommune in Deutschland - auf 1044 Meter über Normalnull.

Bundesweit weist der Ort die höchste Niederschlagsmenge auf, im Winter liegt hier oft meterdick Schnee, manchmal bis in den Mai hinein. Dort oben, direkt an der Grenze zu Österreich und zum Bregenzerwald, ist die Welt noch in Ordnung. Nicht unbedingt für Naturschützer, die erbittert und letztlich erfolgreich gegen eine Skischaukel am Riedberger Horn gekämpft haben. Aber für die CSU, die einen herben Verlust bei der Landtagswahl eingefahren und ihre Alleinherrschaft verloren hat, kann sich zumindest noch in diesem Winkel in den Allgäuer Alpen auf ihre Anhänger verlassen.

78 Prozent der Erststimmen entfielen auf die Christsozialen und 82 Prozent der Zweitstimmen. Das sind zwar auch in Balderschwang keine Rekordwerte mehr, wo die 90-Prozent-Marke in den vergangenen Jahrzehnten eher üblich als die Ausnahme war. Doch verglichen mit dem Ergebnis in Rest-Bayern - im benachbarten Obermaiselstein beispielsweise stimmten nur noch 52 Prozent für Söder & Co - stehen die Balderschwanger treu zu ihrer CSU. Warum ist das nur so?

Wer den Ort besuchen möchte in diesen goldenen Oktobertagen für eine Wanderung oder einfach nur während einer Rundfahrt durchs Allgäu in Richtung Bodensee, nimmt den Riedbergpass. Die kurvige, kleine Straße, die beständig ausgebaut wird, ist allerdings an manchen Tagen gesperrt, zuletzt erst vergangene Woche wieder, und dann fühlt es sich in Balderschwang an, wie in Zeiten, als dort noch die Käseproduktion die Leute ernährte und nicht der Tourismus mit 1200 Gästebetten und annähernd 200 000 Übernachtungen im Jahr.

An solchen Tagen ist der Ort nur von Österreich aus zu erreichen. "Ist der Pass zu, können wir das À-la-carte-Geschäft vergessen", sagt Hotelier und Gastwirt Konrad Kienle vom "Adlerkönig". Kienle, der auch Bürgermeister von Balderschwang ist und sich und seinen Ort "bei der CSU gut aufgehoben" fühlt, vermisst die Tagestouristen, die sich wegen der Passsperrung lieber andere Wege durchs Allgäu suchen. Die missliche Lage ist für Kienle aber eher eine Laune der Natur; jedenfalls ist von ihm keine Kritik zu hören an den Ämtern, die für die Sperrung zuständig sind und natürlich von Parteifreunden geleitet werden. Der Gastwirt wartet einfach ab - das nächste goldene Oktoberwochenende mit vielen Ausflüglern kommt bestimmt.

Manchmal ist der Andrang auch ihm zu viel: die Masse an Wintersportlern, Wanderern, Mountainbikern und seit einiger Zeit die nicht ganz so fitten Radler, die im Dutzend mit E-Bikes die Berge erklimmen. "Da kommt an manchen Tagen schon zu viel hoch", sagt Kienle, besonders im Herbst sei es arg. Dabei hat seine Gemeinde im Verbund mit dem benachbarten Obermaiselstein die umstrittene Skischaukel am Riedberger Horn doch unbedingt durchsetzen wollen. Für noch mehr Tourismus. So schnell Söder die Pläne beerdigt hat, so rasch hat sich auch der Wind gedreht in der Region.

Der Freistaat versprach Balderschwang und Obermaiselstein ein 15 Millionen Euro teures "Zentrum Naturerlebnis Alpin" mit 20 Rangern, Naturführern und Touristikern. Überdies soll der öffentliche Personen-Nahverkehr mit Bussen deutlich ausgebaut, und es sollen auch die bestehenden beiden kleinen Skigebiete am Riedberger Horn modernisiert werden. Das schnelle Internet wurde den beiden Dörfern ebenfalls versprochen. Das ganze Paket sei eine "unwahrscheinlich gute Alternative", sagt der Bürgermeister. Es ist keine Rede mehr davon, dass auch die kleineren bayerischen Skiorte im Wettbewerb mit der Konkurrenz in Österreich ihre Anlagen ausbauen müssten.

"Bei der CSU fühlen wir uns gut aufgehoben"

Kienle hört sich nun beinahe an wie ein Grüner, wenn er davon spricht, dass die Zahl der Übernachtungen beispielsweise bei Ferien auf dem Bauernhof "explodiert" und man sich die Frage stellen müsse: "Wo kriege ich die Massen noch hin?" Die Antwort gibt er gleich selbst: "Das müssen wir kanalisieren."

Die CSU hat allerdings auch in Balderschwang noch nicht ihre Farbe gewechselt, bei der jüngsten Kommunalwahl 2014 gab es bei der Präsentation des Ergebnisses nur einen großen schwarzen Balken: 100 Prozent CSU. Freilich handelte es sich um eine Einheitsliste, wo sich, wie in allen kleinen Gemeinden, auch Nicht-CSUler auf der Liste sammeln können. Doch im Gemeinderat mit seinen acht Sitzen und dem des Bürgermeisters fand sich letztlich doch nur ein Parteiloser. Alle anderen: bei der CSU. Es ist auch noch gar nicht solange her, als bei einer Wahl in Balderschwang eine Stimme für die SPD auftauchte und man noch schwer verunsichert war angesichts der sozialdemokratischen Unterwanderung des Dorfs.

Inzwischen aber ist man toleranter und akzeptiert es auch, dass bei der Landtagswahl sieben Gemeindebürger für die Grünen gestimmt haben. Der nun für Naturschutzbelange - zumindest nach eigenen Worten - so offene Bürgermeister sagt, es gebe keinen Grund, sich nicht mit den Ideen der Grünen zu beschäftigen. "Wir sind offen, und wenn ein Grüner bei der Kommunalwahl auf unsere Liste will, ist er willkommen." Das hat dann natürlich den Vorteil, dass das Ergebnis der Wahl wieder offiziell lautet: 100 Prozent CSU. Selbst wenn ein paar Leute in der Gemeinde für den Grünen gestimmt haben. Damit sichert sich Balderschwang seinen Ruf als schwärzeste Gemeinde in Bayern.

Womöglich profitiert die örtliche CSU auch von einem guten Draht nach oben. Das ist nicht im übertragenen Sinne gemeint und auch nicht im Hinblick auf die exponierte geografische Lage. In Balderschwang befindet sich nämlich der Sitz des konservativ-christlichen Senders Radio Horeb. Rund 50 Mitarbeiter gestalten das private Programm, das mittlerweile täglich bundesweit 250 000 Menschen hörten, wie ein Sprecher sagte. Den Sender gibt es nur deswegen in Balderschwang, weil Ortspfarrer Richard Kocher ihn hier aufgebaut hat und als Programmdirektor leitet. Für den Ort bringt dies zwei Vorteile mit sich: Der Sender hat Arbeitsplätze geschaffen. Und auch nur weil es ihn gebe, sei die kleine Kirchengemeinde nicht aufgelöst worden, berichtet der Bürgermeister. "Wir haben die kleinste Kirchengemeinde mit den meisten Zuhörern."

Radio Horeb mag die örtliche CSU mit christlichem Beistand begleiten, für die Ergebnisse an den Wahlurnen allerdings kann der Sender nichts beitragen. Warum also ist die Welt in Balderschwang so wie sie ist? Es geht um die Themen, die die Menschen hier beschäftigen und von der CSU nach wie vor besetzt werden. Ob Land- oder Forstwirtschaft, die Förderung des alpinen Raums, der Tourismus oder aktuell der Bau von 18 Sozialwohnungen für junge Familien. Da ist der gute Draht nach oben über den christlichen Sender weniger wichtig, als der gute Draht nach München zu den Ministerien mit den jeweiligen Fördertöpfen. Weil die CSU auch künftig die meisten der Ministerien unter ihrer Führung behalten wird, macht man sich in Balderschwang auch keine Sorgen. Wie hat der Bürgermeister doch gesagt? "Bei der CSU fühlen wir uns gut aufgehoben."

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