Landtagswahl 2018:Eine Frau soll's richten

Landtagswahl 2018: Erst seit Mai ist Natascha Kohnen, 50, Landeschefin der Bayern-SPD. Sie hatte sich zuvor in einer Befragung der SPD-Mitglieder gegen fünf Männer durchgesetzt. Dieser Rückhalt an der Basis spielte nun auch eine Rolle bei der Nominierung zur Spitzenkandidatin.

Erst seit Mai ist Natascha Kohnen, 50, Landeschefin der Bayern-SPD. Sie hatte sich zuvor in einer Befragung der SPD-Mitglieder gegen fünf Männer durchgesetzt. Dieser Rückhalt an der Basis spielte nun auch eine Rolle bei der Nominierung zur Spitzenkandidatin.

(Foto: Claus Schunk)

Der SPD-Vorstand nominiert Natascha Kohnen als Spitzenkandidatin für die Landtagswahl. Einstimmig und überraschend früh. Doch er wollte offenbar rasch ein Zeichen setzen - auch wegen der Querelen in der CSU

Von Katja Auer, Kassian Stroh und Wolfgang Wittl

Die SPD zieht mit Natascha Kohnen als Spitzenkandidatin in die Landtagswahl im kommenden Jahr. Der Landesvorstand nominierte sie am Sonntag einstimmig, wie die Bayern-SPD am Abend mitteilte. Endgültig entscheiden muss darüber ein Parteitag, der Mitte März in München stattfinden soll. Für die Spitzenkandidatur war neben Kohnen, der Landeschefin der SPD, auch Markus Rinderspacher im Gespräch, der Vorsitzende der Landtagsfraktion. Dass Kohnen nun parteiintern das Rennen gemacht hat, überrascht nicht - dies hatte sich zuletzt abgezeichnet. Wohl aber überrascht der Zeitpunkt: Eigentlich sollte die Personalie erst im neuen Jahr geklärt werden.

Kohnen ließ am Abend mitteilen: "Die einstimmige Nominierung überwältigt mich. Ich bin bereit voranzugehen." Sie wolle glaubwürdige Antworten geben auf die Fragen, die die Bayern umtrieben. Konkret nannte Kohnen als Aufgaben, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, den Druck im Arbeitsleben zu reduzieren, Eltern bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu unterstützen sowie Zuwanderer besser zu integrieren. Das Thema Spitzenkandidatur stand eigentlich nicht auf der Tagesordnung der Vorstandssitzung in Nürnberg. Aber alle seien der Meinung gewesen, nun sei die Zeit gekommen, diese Frage zu klären, sagten Sitzungsteilnehmer hinterher - auch mit Blick auf das Chaos in der CSU und die Ungewissheit, wer dort antreten wird. Da könne es nicht schaden, schon jetzt eine klare Antwort zu geben. Ausschlaggebend war offenbar, dass Kohnen relativ zu Beginn, in ihrem Bericht zur "politischen Lage", ihre Bereitschaft erklärte, die SPD in die Landtagswahl zu führen, wie es hieß. Darauf äußerten Vorstandsmitglieder reihenweise Zustimmung, auch Rinderspacher soll dies als einer der ersten getan haben. Woraufhin die Runde beschloss, dies nun auch gleich formal zu beschließen.

Die Sitzung am Sonntag sei "irgendwie der richtige Zeitpunkt" gewesen, sagte Generalsekretär Uli Grötsch. Kohnen ist erst seit diesem Jahr Landesvorsitzende der SPD; im Mai hatte sie sich mit 54 Prozent der Stimmen in einer Mitgliederbefragung über diesen Posten klar durchgesetzt - gegen fünf männliche Konkurrenten. Der Start in ihr neues Amt allerdings verlief nicht reibungslos: Sie versuchte, auch mit neuen Diskussions- und Veranstaltungsformaten, ihre Parteifreunde auch an der Basis stärker einzubinden. Zugleich wurde in der Bayern-SPD zuletzt Kritik an ihr laut, nicht klar genug zu sagen, wohin die Partei inhaltlich gehen wolle - auch mit Blick auf die Landtagswahl in knapp einem Jahr. Im September, unmittelbar nach der Schlappe bei der Bundestagswahl, hatte Kohnen gesagt, die SPD müsse sich wieder an ihren Grundwerten orientieren, und hinzugefügt: "Manche nennen es Linksruck." Was genau das heißen soll, das ließ sie allerdings offen. Zugleich mehrten sich die Stimmen derer, die diese Wortwahl für falsch hielten. Kohnen stellte daraufhin in einer Sitzung der Landtagsfraktion klar, dass sie die SPD nicht inhaltlich nach links rücken wolle, sondern linke Positionen stärker betonen wolle.

Fraktionschef Rinderspacher hatte dagegen mit Blick auf die Landtagswahl betont, der Platz für die SPD sei wieder stärker in der Mitte, da die CSU vor einem Rechtsruck stehe. Auch Rinderspacher, als Fraktionschef automatisch im Kreis der Aspiranten, hatte sich Hoffnungen auf die Spitzenkandidatur gemacht, beteuerte am Sonntag aber, Kohnen vor der Wahl "voll und ganz" zu unterstützen. Dass sie als Spitzenkandidatin antrete, sei der Wunsch der SPD-Basis; das habe er auf vielen Veranstaltungen gespürt. "Natascha Kohnen ist hoch angesehen und geschätzt, sie ist authentisch", sagte Rinderspacher und versprach: "Die Fraktion wird kämpfen. Es gilt das Prinzip: Eine für alle, alle für Eine."

Kohnen, 50, stammt aus München, kam über die Arbeit im Rat ihrer Heimatgemeinde Neubiberg (Landkreis München) in die Politik und sitzt seit neun Jahren für den Stimmkreis München-Land-Süd im Landtag. Ihre Spitzenkandidatur sei "sehr gut" und die Konsequenz daraus, dass sie den Landesvorsitz übernommen habe, sagte Christian Flisek, SPD-Bezirkschef in Niederbayern. Sein Kollege in der Oberpfalz, Franz Schindler, erklärte: "Sie hat sich in einer Mitgliederbefragung durchgesetzt, das sagt schon alles." Auch der Münchner Landtagsabgeordnete Florian von Brunn, einer von Kohnens Gegenkandidaten in Sachen Landesvorsitz, versprach, sie "mit voller Kraft" zu unterstützen. "Ich finde es gut, dass wir das nicht auf den letzten Drücker machen." Auch angesichts der Lage in der CSU sei es ein Zeichen, wenn die SPD mit einer Frau in den Wahlkampf ziehe, die für Liberalität und Progressivität stehe.

Stimmt der Landesparteitag ihrer Nominierung zu, wäre Kohnen die erste Spitzenkandidatin der bayerischen SPD seit zwei Jahrzehnten, seit Renate Schmidt in den Wahlen 1994 und 1998 gegen Edmund Stoiber (CSU) verloren hatte. 2003 und 2008 trat Franz Maget an, der von Schmidt das Amt des Fraktionschefs im Landtag übernommen hatte, bei der Wahl vor vier Jahren der damalige Münchner Oberbürgermeister Christian Ude.

Die SPD ist somit die erste der im Landtag vertretenen Parteien, die ihre Spitzenkandidatur geklärt hat. Bei den Grünen läuft derzeit die Frist, innerhalb derer sich Kandidaten bewerben können. Und bei der CSU ist die Frage formal auf einen Parteitag im Dezember vertagt. Faktisch tobt ein wüster Machtkampf, in dem sich Parteichef Horst Seehofer nach dem Wochenende erklären will.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte zur SPD-Entscheidung lediglich, dass er diese zur Kenntnis nehme. "Für alles Weitere gibt es keinen Zeitdruck."

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