Landtagspräsidentin in der Kritik:Schuld ist immer Barbara Stamm

Kinderparlament im Bayerischen Landtag

Barbara Stamm ist als Stimmungskanone und Stimmenmagnet bekannt. Das hat Neider auf den Plan gerufen.

(Foto: Inga Kjer/dpa)

Landtagspräsidentin Stamm versucht in der Abgeordnetenaffäre, das Parlament aus der Krise zu steuern. Doch ihr Vorgehen ist umstritten. Jetzt scheint der Unmut vor allem der CSU-Kollegen ein Ausmaß erreicht zu haben, das Stamm gefährlich werden könnte. Schon kursieren die Namen möglicher Nachfolger.

Von Frank Müller und Mike Szymanski

Im Vorzimmer von Barbara Stamm gibt es eine Stoffpuppe, auf ihr steht: "Wenn du Stress hast, box mich." Man möchte nicht in der Rolle der Puppe sein in diesen Wochen. Andererseits auch nicht in derjenigen der Landtagspräsidentin. Seit Monaten versucht die CSU-Politikerin nun schon, das Landesparlament aus der Krise zu steuern. Doch nach Auffassung vieler hat sie den Landtag dabei eher noch tiefer in den Vertrauensverlust manövriert.

Jetzt scheint der Unmut vor allem der CSU-Abgeordneten ein Ausmaß erreicht zu haben, das Stamm gefährlich werden könnte. Immer stärker wird in Zweifel gezogen, ob sie, wie geplant, nach der Landtagswahl noch einmal antreten soll. Das klarste Indiz dafür: Es kursieren schon die Namen von möglichen Nachfolgern.

Es ist der Umgang mit der neuesten Eskalation der Abgeordnetenaffäre, der Stamm in der Fraktion zur Last gelegt wird. Der Oberste Rechnungshof (ORH) veröffentlichte seine Erkenntnisse über die vielfach laxen Kontrollen der staatlichen Zahlungen an Abgeordnete. Weil der ORH dabei nicht die Parlamentarier selbst prüfte, sondern nur das von Stamm geführte Landtagsamt, stehen in dem Bericht nun lauter anonymisierte, für die Medien aber hochinteressante Fälle.

Stamm stellte den Bericht im Original ins Internet - um dem Vorwurf zu entgehen, sie kläre wieder nur zögerlich auf. Gleichzeitig weigerte sie sich beharrlich, die dazugehörigen Namen zu nennen, obwohl sie alle kennt.

Abgeordnete werden reihenweise enttarnt

Das führt inzwischen zu grotesken Situationen. Abgeordnete werden reihenweise enttarnt: Vom Kamerasünder Alexander König (CSU), der sich mit 6000 Euro Staatsmitteln eine teure Leica kaufte, bis hin zu anderen Abgeordneten, die lediglich ihre Unterlagen nicht ausreichend dokumentierten. Sauer auf Barbara Stamm sind sie alle. Manche fühlen sich nicht beschützt, andere ans Licht gezerrt und die Mehrheit der sauberen Politiker hat es satt, immer wieder unter Generalverdacht zu stehen.

Und schuld ist immer: Barbara Stamm.

"Es ist schon einsam um sie", sagt einer aus der CSU. "Wenig glaubwürdig" agiere sie, meint ein anderer. Und immer wieder kommt der Vorwurf, dass sie endlich ihre Rolle finden müsse: entweder Chefaufklärerin. Oder Schutzpatronin für die Abgeordneten. Beides gehe eben nicht, heißt es. Ihre CSU-internen Kritiker lassen sich - noch - nicht namentlich zitieren. Die Opposition tut sich damit leichter. "Ich gehe davon aus, dass sie nicht noch einmal kandidieren wird, und zwar von sich aus", sagt SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Ein Landtagspräsident müsse vom Vertrauen aller im Parlament getragen werden. Das sei nicht mehr gewährleistet.

In der Tat ist die Atmosphäre im Maximilianeum vergiftet. Man beschuldigt sich wechselseitig, belastende Geschichten über Abgeordnete an die Medien durchzustechen. Es werden Ehrenerklärungen verlangt und Distanzierungen, das Grundvertrauen ist perdu.

Stamm selbst sagt am Mittwoch dazu gar nichts, ihr Wille, nach der Wahl noch einmal anzutreten, schien bislang ungebrochen zu sein. Aber sie sei getroffen, heißt es im Landtag. In der Fraktion gibt es schon Gedanken an Plan B, C und D. Reinhold Bocklet, ihr erster Stellvertreter, wird als natürlicher Nachfolgekandidat genannt. Es fallen auch die Namen Thomas Goppel und Erwin Huber - frühere Kabinettsmitglieder, die die Rolle eines Elder Statesman ausfüllen könnten.

Dabei räumen auch Stamms Kritiker ein, dass sie es schwer hat. Die geballten Vorwürfe - Selbstbedienung, Familienbereicherung, Verschleierung - seien kaum zu entschärfen, meinen viele. Stamm hat schon klargemacht, dass sie es satt hat, für Instinktlosigkeiten einzelner zur Rechenschaft gezogen zu werden. Als König als Kamerakäufer aufflog, rechtfertigte er sich, das Landtagsamt habe den Kauf abgesegnet - als ob man nicht von ganz alleine darauf kommen könnte, dass er nicht in Ordnung ist. Sie sei nicht das "Kindermädchen" der Abgeordneten, schäumte sie.

Gerät Stamm ins Trudeln, dann hat auch Ministerpräsident Horst Seehofer ein Problem. Denn er war es, der die 68-Jährige bekniete, noch einmal anzutreten - im Vertrauen auf ihre Qualitäten als Wahlkämpferin. Die frühere Sozialministerin ist beliebt und ein Stimmenmagnet. In einer Umfrage des BR schnitt sie als beliebteste Politikerin Bayerns ab, weit vor Seehofer oder auch SPD-Herausforderer Christian Ude. Auch das könne nun Neider auf den Plan gerufen haben, sagen ihre Unterstützer.

Am Ende könnte viel davon abhängen, wie gut sie wirklich abschneidet. Stamm tritt als CSU-Listenführerin in Unterfranken an. Ohne eigenen Stimmkreis - ihr Wiedereinzug in den Landtag ist deswegen unsicher. Doch wenn sie mit einem guten Ergebnis auch Seehofer die Wiederwahl sichert, dürfte sie einige Sorgen los sein.

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