Landtagsfraktion der Grünen:Auf der Suche nach Charisma

Klausur Landtags-Grüne

Spielen sich auf Pressekonferenzen die Worte zu wie ein erprobtes Doppel: die Grünen-Fraktionschefs Margarete Bause und Ludwig Hartmann.

(Foto: Inga Kjer/dpa)
  • Gegensätze ziehen sich an: Die beiden Fraktionsvorsitzenden der Landtagsgrünen, Margarete Bause und Ludwig Hartmann, harmonieren erstaunlich gut - obwohl oder gerade weil sie so verschieden sind.
  • Doch für die kommenden Wahlen laufen sich andere warm: Katharina Schulze und Claudia Stamm werden als Spitzenkandidatinnen für die Landtagswahl gehandelt.

Von Frank Müller und Wolfgang Wittl

Diesen Montag, beim sogenannten Jour fixe, werden sie wieder einträchtig nebeneinander sitzen. Ludwig Hartmann wird Sachen sagen wie: "Ich will der Margarete nichts vorwegnehmen." Margarete Bause wird höflich anknüpfen: "Wie der Ludwig schon angedeutet hat." Das Zimmer wird erfüllt sein von Harmonie, zumindest aber von einem Respekt, den nicht jeder erwartet hatte nach der Landtagswahl mit diesem schwierigen Ergebnis als kleinste Fraktion. Doch Bause und Hartmann, so viel lässt sich nach fast zwei Jahren sagen, funktionieren zusammen erstaunlich gut als Fraktionsvorsitzende der bayerischen Grünen. Wohl auch deshalb, weil sie so verschieden sind.

Ludwig Hartmann ist keiner, der den Worten innerhalb seiner Sätze groß Raum zum Atmen ließe. Wenn er spricht, dann geht es schnell und Schlag auf Schlag. Hartmann ist erst 36 Jahre alt und schon weit gekommen. "Eigentlich habe ich noch viel Zeit", sagt er in einem Anflug von Entspannung. Aber die Themen, die Projekte, die Pläne. Überall läuft die Zeit davon. Allein bei den drei Kernthemen der Grünen - Bildung, Energiewende, Landwirtschaftspolitik - sei jeder nicht genutzte Tag einer zu viel, findet Hartmann. Er will etwas, das merkt jeder, der mit ihm spricht. Nicht immer versteht man allerdings ganz genau, was. In manchem Satz verhaspelt sich Hartmann. Bevor er dann darauf zurückkommt, ist er schon beim Folgesatz.

Bause ist das Gesicht der Grünen in Bayern

Margarete Bause formuliert jeden Satz so druckreif, als ob sie gerade einen Brief diktierte. Sie weiß mit ihren 56 Jahren, dass die Welt sich nicht an einem Tag verändern lässt. 1986, als sie als Folge von Tschernobyl zum ersten Mal in den Landtag einzog, ging ihr Co-Vorsitzender Hartmann noch zur Grundschule. Der Ministerpräsident hieß Franz Josef Strauß, und in der CSU wunderte man sich, dass jemand wie die Grünen überhaupt frei herumlaufen dürfe. Nach einer Pause mit Studium, Kind, Beruf und Landesvorsitz zog Bause 2003 erneut in der Landtag ein. Seitdem ist sie Fraktionssprecherin. Sie ist das Gesicht der Grünen in Bayern. Nur wie lange?

Hartmann ist der Mann für die internen Strukturen, schon vor der letzten Wahl galt er als der junge Aufstrebende. Als einer, der auch sich selbst nach vorne bringen will. Das wollen zwar alle, die in die Politik gehen, aber Hartmann vielleicht noch ein bisschen mehr. Dafür ist es in den vergangenen Wochen und Monaten erstaunlich still geworden um Ludwig Hartmann.

Hartmann strafft die Organisation

Was aus ihm denn geworden sei, fragten die ersten. Hartmann gibt Antworten, in denen das Wort Ich erstaunlich wenig vorkommt. Er wolle eine Fraktion, die noch effizienter und nachhaltiger arbeitet als bisher. Hartmann führte neue Formen der Büroorganisation ein, gab einzelnen Fachgebieten jeweils einzelne Budgets. Seitdem müssen E-Mails in den Betreffzeilen so ausgefüllt werden, dass sie sich anhand von Schlagworten fast von selbst in einzelne Ordner sortieren. Es gibt verbesserte Terminpläne und die Ansage, dass von jeder internen Sitzung binnen Stunden ein Protokoll zu erstellen ist. Das wird dann im Telegrammstil und mit breitem Verteiler auch an Außenbüros und Mitarbeiter geschickt.

Jeder soll auf dem gleichen Informationsstand sein, sagt Hartmann - das ist im geschwätzigen und mitunter intriganten Politikbetrieb ein hohes Risiko. Offenbar schätzt der Apparat solche Transparenz und Schnelligkeit. Dafür spricht zumindest, dass bislang trotz vieler Adressaten kein Kommunikationsdesaster passiert ist. In der Fraktion wird das neue Arbeiten durchaus gewürdigt. "Unter mir gab's das noch nicht", gibt der Abgeordnete Thomas Mütze offen zu, der selbst einmal Fraktionschef war. "Der Ludwig ist wirklich ein sehr akribischer Arbeiter."

Die Frage nach dem Super-Kretschman bleibt

Die Frage ist allerdings, ob für die Grünen Akribie die wichtigste Tugend in den nächsten Jahren ist. Alle Landtagsparteien schielen schon auf die nächsten Wahltermine, auf Personalpakete und Spitzenkandidaten. Aber wohl keine Partei hat es so eilig wie die Grünen. 2018 ist Landtagswahl, 2017 Bundestagswahl. Aber schon 2016 Landtagswahl in Baden-Württemberg.

Auf das Nachbarland mit seinem Grünen-Ministerpräsidenten schauen die bayerischen Grünen fasziniert. Dort an der Regierung, hier in der immerwährenden Opposition: Wenn sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann in Stuttgart erneut strahlend durchsetzen sollte, könnte dies auch in Bayern die Diskussion verstärken, ob man nicht einen besonders charismatischen und führungsstarken Charakterkopf an der Spitze bräuchte. Diese Leitfigur wäre wohl eher Bause als Hartmann.

Doch gibt es immer mehr Mutmaßungen, wonach Bause demnächst nach Berlin wechsle. Sie selbst räumt ein, das sei eine Option. Der Bundestag wäre eine neue Herausforderung, vielleicht lässt sich dort auch schneller mitregieren als in Bayern. Die Entscheidung fällt im nächsten Jahr. Im Moment, sagt Bause, gebe es andere Aufgaben: das Profil der Grünen schärfen, regierungstaugliche Konzepte erarbeiten, vorbereitet sein für alle Fälle.

Der Wunsch nach einer Urwahl wird lauter

Die Frage aber nach dem Super-Kretschmann bleibt. In der Partei wird der Wunsch nach einer Urwahl lauter, so wie es die Grünen im Bund und in München vorgemacht haben. Dann könnte für zwei Frauen der Nach-Bause-Ära die Stunde schlagen: Katharina Schulze und Claudia Stamm.

Schulze gilt als politisches Großtalent, hat erst den Münchner Grünen-Vorsitz abgegeben, um noch mehr Landespolitik machen zu können. Aber mit 31 Jahren ist sie auch sehr jung für den Sprung ganz nach vorne. Claudia Stamm, Tochter von CSU-Landtagspräsidentin Barbara Stamm, ist 44 und hat in der Partei viel erlebt. Für sie spricht, dass sie einen Namen hat über die Grünen hinaus. Gegen sie, dass sie intern schon häufig aneckte und als Quereinsteigerin manchen schiefen Blick auf sich zog.

Eines immerhin wissen die Grünen besser als andere: Gegensätze an der Fraktionsspitze müssen sich nicht ausschließen.

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