Süddeutsche Zeitung

Landtag streitet über Verfassungsschutz:"V-Leute sind notwendig"

Kurz vor dem NSU-Prozess debattiert der Landtag über den bayerischen Verfassungsschutz. Innenminister Herrmann hält Änderungen beim Kampf gegen Neonazis für unnötig. Begründung: Wenn die Feuerwehr "mal eine Viertelstunde zu spät" komme, stelle auch niemand die Feuerwehr insgesamt infrage.

Von Frank Müller

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hält grundsätzliche Änderungen beim Kampf gegen den Rechtsextremismus für unnötig, will aber Verbesserungen im Detail. Das machte Herrmann am Mittwoch bei einem Auftritt im Innenausschuss des Landtags deutlich. Der Minister sagte, er setze weiter auf einen eigenständigen bayerischen Verfassungsschutz mit dem entsprechenden Einsatz von V-Leuten in der Neonazi-Szene. Forderungen der Opposition nach einer kompletten Reform des Landesamts für Verfassungsschutz erteilte Herrmann eine Absage. Wenn die Feuerwehr "mal eine Viertelstunde zu spät" komme, stelle auch niemand die Feuerwehr insgesamt infrage.

Mit diesem Vergleich löste Herrmann bei der Opposition Unmut aus. Der Verfassungsschutz habe bei der NSU-Mordserie, die ihren Schwerpunkt in Bayern hatte, viele Versäumnisse zu vertreten. "Es ist ja nicht so, dass da der bayerische Verfassungsschutz eine Viertelstunde zu spät gekommen ist", sagte der SPD-Abgeordnete Florian Ritter. "Es war so, dass er vor einem brennenden Haus stand und gesagt hat, es brennt nicht." Die Grünen nahmen insbesondere die weiter geplanten Einsätze von Rechtsextremisten als V-Leute aufs Korn. "Der NSU-Untersuchungsausschuss hat gezeigt, dass der Einsatz von V-Leuten offenbar mehr schadet als nutzt", erklärte die Grünen-Expertin Susanna Tausendfreund.

Herrmann wie auch der Bundesinnenstaatssekretär Klaus-Dieter Fritsche sagten aber, ein Verzicht auf sie komme nicht infrage. "V-Leute sind notwendig", sagte Fritsche. Denn es komme auch künftig darauf an, gefährliche Entwicklungen in der Nazi-Szene in Erfahrung zu bringen, bevor sie in Verbrechen münden. Die Zusammenarbeit der Länder habe sich durch das neue bundesweite Terrorabwehrzentrum stark verbessert. Herrmann gestand aber Probleme bei der NSU-Aufklärung ein. "Ich sehe die Defizite und Versäumnisse, die es im letzten Jahrzehnt gegeben hat", sagte der Innenminister. Als "aus heutiger Sicht völlig unverständlich" bezeichnete es Herrmann, dass der Verfassungsschutz der Nürnberger Polizei nicht frühzeitig eine von dort im Jahr 2006 angeforderte Datei mit Daten bayerischer Rechtsextremisten übergeben hatte. In Nürnberg wurde bereits zu diesem Zeitpunkt ein rechtsextremer Hintergrund für möglich gehalten.

Im ebenfalls am Mittwoch tagenden NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags wies der Leitende Nürnberger Oberstaatsanwalt Walter Kimmel allerdings den Vorwurf zurück, solchen Theorien nicht entschieden nachgegangen zu sein. "Wie hätten wir daraufkommen sollen?", fragte Kimmel.

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Quelle:
SZ vom 11.04.2013
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