Landtag:So will die CSU Druck auf Flüchtlinge machen

Installation von Bündnis 90/Die Grünen

Bündnis 90/Die Grünen wollen mit ihrer Installation in der Münchner Innenstadt für einen eigenen Entwurf für ein Integrationsgesetz und eine plurale Gesellschaft werben.

(Foto: dpa)
  • Für die CSU ist es "ein großer Wurf": Im Landtag wird über das Integrationsgesetz debattiert.
  • Die Opposition hält das Gesetz für verfehlt, die Grünen wollen einen eigenen Entwurf einbringen.
  • Die wichtigsten Inhalte im Überblick.

Von Anna Günther, Lisa Schnell und Dietrich Mittler

An diesem Mittwoch wird im Landtag in erster Lesung das Bayerische Integrationsgesetz behandelt. Für die CSU ist das ein "großer Wurf", aus Sicht der Oppositionsparteien ist es "vollständig verfehlt", ein "Abschottungs- und Ausgrenzungsgesetz". Die Grünen wollen einen eigenen Gesetzentwurf einbringen, die SPD hat ein Rechtsgutachten erstellen lassen. Beide Parteien sowie mehrere Verbände drohen mit einer Verfassungsklage, falls der CSU-Entwurf als Gesetz verabschiedet wird. Das sind die zentralen Punkte:

Leitkultur

Die CSU pocht darauf, dass Migranten die "identitätsbildende Prägung unseres Landes (Leitkultur)" nicht nur kennenlernen, sondern für ihr weiteres Handeln als verbindlich erachten. Jeder habe sich an Recht und Gesetz zu halten, das christlich-jüdisch-abendländische Wertefundament sei für das Zusammenleben bindend. Gewachsene kulturelle Traditionen seien zu respektieren, gleiches gelte für alltägliche Sitten. Alle Integrationsangebote haben sich an dieser Leitkultur auszurichten, bis hin zur Pflege der lokalen Dialekte.

Diese Vorgabe stößt auf Widerstand von der Opposition über Gewerkschaften bis zu Verbänden. Vertreter der katholischen Kirche sprechen von einem "einseitigen" Integrationsbegriff. DGB-Chef Matthias Jena weiß nicht, was damit gemeint sein soll. Als "politischen Kampfbegriff", der in einem Gesetzentwurf nichts zu suchen habe, versteht ihn SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Bayern sei viel mehr als "Glockengeläut, Böllerschüsse und Leberkässemmel". In der "Mottenkiste der Vergangenheit" verortet die Fraktions-Chefin der Grünen, Margarete Bause, den "Leitkult der CSU". Im Integrationsgesetz ihrer Partei bilden nur das Grundgesetz und die Bayerische Verfassung die Wertebasis für Migranten.

Innere Sicherheit

In ihrem Gesetzentwurf hat die CSU Tatbestände aufgenommen, die im Strafgesetzbuch so nicht auftauchen und künftig als Ordnungswidrigkeit bestraft werden sollen. Wer dazu auffordert, die verfassungsmäßige Ordnung zu missachten und einer anderen Rechtsordnung - etwa der Scharia - zu folgen, dem könnten bis zu 50 000 Euro Geldbuße drohen. Wer zu erkennen gibt, dass er die freiheitlich demokratische Grundordnung ablehnt, kann zu einem Demokratiekurs verpflichtet werden. Das soll auch für Deutsche gelten.

Bei Strafgefangenen "mit Sprach- und Integrationsdefiziten" sollen ebenfalls solche Kurse stattfinden. Zudem sieht der CSU-Entwurf eine Änderung des Polizeiaufgabengesetzes vor: Asylunterkünfte werden als gefährliche Orte definiert, an denen die Polizei ohne konkreten Anlass Identitätskontrollen durchführen kann.

"Es braucht keine Sondergesetzgebung für Zugewanderte", sagte Bause. Das von der CSU entworfene "Sonderstrafrecht" sei nicht "verfassungskonform". Auch die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) zweifelt, ob das Land überhaupt Gesetzgebungskompetenz hat. Grüne, SPD und ein Bündnis aus Gewerkschaften und Verbänden wollen deshalb gegen das Gesetz klagen.

Bildung

Bei den Jüngsten funktioniert Integration am besten, so sollen schon die Erzieher die "Integrationsbereitschaft der Familien von Migrantinnen und Migranten" fördern. Wie das genau aussieht, hat die CSU nicht näher beschrieben. Bisher spielen interkulturelle Kompetenzen in der Ausbildung kaum eine Rolle, das will die CSU ändern. Um alle Kinder und deren Eltern zu erreichen, soll der Sprachtest vor der Einschulung Pflicht werden - auch für deutsche Kinder. Schwächen können so vor der ersten Klasse ausgeglichen werden.

Allerdings behält es sich die CSU vor, "flexibel von der frühkindlichen Sprachförderung abzusehen". Kinder, die aus sicheren Herkunftsländern kommen und "erkennbar Deutschland alsbald wieder verlassen", können vom Angebot ausgeschlossen werden. Ganz ausgeschlossen von der Schulpflicht können Kinder werden, die in Erstaufnahmeeinrichtungen oder den sogenannten Abschiebezentren in Bamberg und Manching leben.

Üblicherweise sind diese drei Monate nach ihrer Ankunft in Bayern schulpflichtig - wenn sie eine Aufenthaltsgestattung haben. Das soll künftig an den Aufenthaltsort gekoppelt werden. Damit nutzt die CSU eine EU-Richtlinie, nach der die Schulpflicht beschränkt werden kann, sofern es in den "Unterbringungseinrichtungen geeignete Formen" von Unterricht gibt. Wie diese aussehen sollen, das kann man im Ministerium noch nicht sagen.

"Dass man den Kindern das Recht auf Bildung vorenthält", ist für Bause eine "der größten Sünden des Gesetzes". Das verstoße gegen die UN-Kinderrechtskonvention. Der Städtetag mahnt, die Kosten der Integration in Kitas oder Schulen dürften "nicht auf kaltem Weg kommunalisiert werden". Die Grünen wollen in ihrem Entwurf die Kommunen finanziell "nachhaltig" unterstützen.

Unterbringung und Integration

Wohnung/Unterbringung

Die CSU will die Staatsregierung dazu ermächtigen, "die Verteilung von Ausländerinnen und Ausländern sowie ihrer nachzugsberechtigten Familienangehörigen im Freistaat zu regeln". Dies zielt darauf ab, der Bildung von Gettos und damit zugleich auch der Entstehung von Parallelgesellschaften entgegenzuwirken. Auch soll der Wanderungsdruck auf die Metropolen gemindert werden. Migranten - das betrifft vor allem die Flüchtlinge und Spätaussiedler - wird von Behördenseite ein Wohnort zugewiesen. Der Wunsch der Betroffenen, wo sie leben möchten, ist dabei irrelevant.

Der Bayerische Städtetag geht davon aus, dass diese Regelung eine Integration erleichtern kann. Sie trage zu einer gleichmäßigeren Verteilung von Soziallasten bei und verhindere die Bildung von sozialen Brennpunkten. Die SPD fordert eine zeitliche Befristung der Wohnsitz-Auflage. Dass der Gesetzentwurf die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum ausblende, stößt bei Grünen wie auch beim Städtetag auf Widerstand. Insgesamt bräuchte Bayern 70 000 Wohnungen mehr im Jahr, so Christine Kamm, die asylpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag.

Helfer

Im Gesetzentwurf wird das Engagement der Flüchtlingshelfer, der Wohlfahrtsverbände und Kommunen gelobt. Doch verlässliche staatliche Fördermittel werden nicht zugesichert, abgesehen von drei Ausnahmen: Der Staat will laut Gesetzentwurf Angebote der Rückkehrer-Beratung unterstützen, außerdem die Angebote der Migrationsberatung sowie die Sprachkurse. Aber: Staatliche Mittel zur Integrationsförderung stehen im neuen Gesetz unter Haushaltsvorbehalt. Zudem sind die Förderleistungen nicht einklagbar. Die ehrenamtlichen Helferkreise müssen ihre Arbeit auch weiterhin weitgehend aus eigenen Mitteln bestreiten. Die Träger von Kindergärten können ebenfalls nicht mit verlässlichen Zuschüssen für ihre Integrationsarbeit rechnen. Auf die Behebung der Wohnungsnot für Zugewanderte geht der Gesetzentwurf erst gar nicht ein.

Im Gesetzentwurf der Grünen würden Helfer nicht nur unterstützt, sondern auch finanziell gefördert, sagt Kamm. Ein großes Anliegen sei es den Grünen außerdem, die Kommunen zu entlasten - sowohl finanziell als auch durch regionale Integrationszentren. Hier soll koordiniert werden, welche Angebote für genau diesen Landkreis sinnvoll sind. Politikwissenschaftlerin Bendel kritisiert, dass im Gesetzentwurf der CSU nicht auf die gestiegene Gewalt von rechts eingegangen wird und fordert "konkrete Förderinstrumente zur Prävention von Rechtsextremismus".

Integrationsleistungen

Sprach- und Integrationskurse will die CSU für Migranten zur Pflicht machen. Wer sich dem verschließt, muss mit Leistungskürzungen rechnen. Migranten, die an Sprachkursen teilnehmen, aber "aus selbst zu vertretenden Gründen" das erwartbare Sprachniveau nicht erreichen, können wiederum zu einer "angemessenen Erstattung von Förderkosten" verpflichtet werden.

Bevor die CSU ans Sanktionieren denkt, solle sie erst mal genügend Sprachkurse zur Verfügung stellen, sagte Rinderspacher. Um das zu erreichen, wäre es außerdem sinnvoll, wenn die Maßnahmen nicht unter Finanzierungsvorbehalt stünden, sagt Kamm. Anders als die SPD lehnt sie Sanktionen ab. "Kein Flüchtling bricht einen Kurs ab, weil er keine Lust darauf hat", sagte sie. In ihrem Gesetzentwurf haben nicht nur diejenigen, die sich rechtmäßig in Bayern aufhalten, einen Anspruch auf Förderung, sondern alle mit Migrationshintergrund.

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