Landtag:Die Tochter der Präsidentin

Sie ist die Tochter von Landtagspräsidentin - und sie ist bei den Grünen. Jetzt zieht Claudia Stamm für die scheidende Barbara Rütting in den Landtag ein.

H. Effern, K. Auer

Die Grünen in Oberbayern spulten ihre Listenaufstellung für den Landtag in Rosenheim herunter wie das etablierte Parteien eben tun. Sie umjubelten ihren Spitzenkandidaten, sie straften den ungeliebten Fraktionschef ab. Eine einzige Frau, die, ihr Baby stillend, in den hinteren Reihen saß, verbreitete die alte Grünen-Romantik.

Landtag: Claudia Stamm, die Tochter von Landtagspräsidentin Barbara Stamm, zieht in den Landtag ein.

Claudia Stamm, die Tochter von Landtagspräsidentin Barbara Stamm, zieht in den Landtag ein.

(Foto: Foto: dpa)

In ihrer engagierten Bewerbungsrede für einen attraktiven Listenplatz machte sie sich für Bildung und vor allem für Frauenthemen stark: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Ungleichbehandlung der Geschlechter in der Arbeitswelt.

Die Delegierten wählten Claudia Stamm, heute 38 Jahre alt, auf Platz neun. Den Einzug in den Landtag verpasste sie um nur 70Stimmen. "Ich freue mich schon, dass es nun doch noch klappt", sagt sie nach ihrem ersten informellen Besuch in der Fraktion.

Denn die Rundfunkredakteurin soll für Barbara Rütting, 81, ins Parlament nachrücken. Die Alterspräsidentin hatte ihrer Fraktion am Mittwoch mitgeteilt, dass sie ihr Mandat aus gesundheitlichen Gründen in der letzten Sitzungswoche vor Ostern zurückgeben wolle. Die frühere Schauspielerin und Umweltaktivistin hat Herzprobleme.

Ihr Verzicht hat wohl zur Folge, dass erstmals in der bayerischen Parlamentsgeschichte Mutter und Tochter im Landtag sitzen, wenn auch nicht für dieselbe Partei: Politisch haben sich die Wege von Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) und ihrer Tochter Claudia längst getrennt. Was aber, wie die beiden immer wieder betonen, eben nur für die Politik gilt. Die Mutter hat schon zum Mandat gratuliert.

Obwohl Claudia Stamm schon seit ihrer Jugend gegen die CSU-Herrschaft im elterlichen Haushalt opponierte, entschied sie sich erst Anfang 2008 für den Eintritt in eine Partei. Das offizielle Bekenntnis zu ihrem politischen Favoriten hatte einen ganz konkreten Grund: Sie wollte für die Münchner Grünen im Wahlkreis Giesing in den Landtag einziehen.

Ihren Wahlkampf absolvierte sie als Mutter in Elternzeit. "Ich war mehrmals mit ihr unterwegs und habe sie dort als angenehme und sympathische Frau kennengelernt", sagt Fraktionschef Sepp Daxenberger. Er geht davon aus, dass Claudia Stamm die Themen Frauen, Familie und Soziales auch in der Landtagsarbeit besetzen könnte.

Für Claudia Stamm gilt es nun, ihr Leben erneut umzuorganisieren. Erst im Dezember ist sie nach der Geburt ihres zweiten Kindes wieder an ihren Arbeitsplatz beim Radiosender B5 zurückgekehrt. "Ich habe schon kurz überlegt: Soll ich das jetzt machen?" Doch nun wird sie als zweites Mitglied ihrer Familie in den Landtag einziehen.

Als Genugtuung für ihr knappes Scheitern bei der Wahl sieht sie das allerdings nicht. "Ich empfand das schon als Erfolg für eine Einsteigerin. Zumal ich ein so gutes Erststimmenergebnis hatte, dass man nicht von einem Namensbonus ausgehen konnte." Natürlich spreche sie jeder auf ihre Mutter an, doch das nervt die älteste Tochter von Barbara Stamm heute weniger als früher. "Da haben mich sogar Lehrer mit ihrem Vornamen angeredet."

Nun gilt es für Claudia Stamm, sich nach der offiziellen Aufnahme in den Landtag, die vermutlich nach den Osterferien erfolgen soll, in der Fraktion zurechtzufinden. "Ich würde mich schon gern in dem einen oder anderen Thema einbringen, das mich im Wahlkampf beschäftigt hat." Wie genau das passieren soll, weiß sie noch nicht. In jedem Fall könnte ein Kollege für die Neue Aufgaben abgeben müssen. Denn Barbara Rütting, die schon im Wahlkampf gesundheitlich angeschlagen war, hatte keinen Ausschusssitz für die Grünen übernommen.

Nach der Landtagswahl eröffnete sie schon zum zweiten Mal als Alterspräsidenten die erste Plenarsitzung des Landtags. Doch von Weihnachten an war sie nicht mehr im Maximilianeum, und auch an der Winterklausur ihrer Fraktion nahm sie nicht teil. Ihre Ärzte hätten ihr Schonung empfohlen, heißt es aus der Fraktion.

Rütting ist politisch eine Spätberufene. Sie war in den Fünfzigern und Sechzigern ein Filmstar, spielte neben Klaus Kinski, Kirk Douglas und Maximilian Schell. Als "Geierwally" wurde sie berühmt. Eigentlich hatte sie Ärztin werden wollen, doch nach dem Zweiten Weltkrieg musste sie sich als Dienstmädchen und Fremdsprachenkorrespondentin in Dänemark durchschlagen.

Dann folgte die Karriere. Eine Flucht und Sinnsuche sei die Schauspielerei gewesen, sagt sie heute. Deswegen warf sie alles hin und kämpfte für den Frieden, Tiere und vollwertige Ernährung. Sie kettete sich vor Pharmakonzernen an und kreierte das verdauungsfördernde Barbara-Rütting-Brot. Die spinnt doch, hieß es immer wieder, doch das focht sie nicht an. 2003 kandidierte sie erstmals für den Landtag. Ihren Grünen-Kollegen machte sie es nicht leicht, nicht nur deswegen, weil sie Fraktionsdisziplin wenig kümmerte.

Immer wieder kritisiert wurde Barbara Rütting wegen ihrer angeblichen Nähe zur umstrittenen Glaubensgemeinschaft "Universelles Leben" (UL). Mehrmals hatte Rütting an Demonstrationen der Organisation teilgenommen. Auch auf Druck der Fraktion hatte sie sich später öffentlich von UL distanziert.

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