Landtag:"Danke und vergelt's Gott"

In der aktuellen Stunde zum Hochwasser loben alle Fraktionen die Arbeit der Helfer und den Freistaat

Von Lisa Schnell

Reserl Sem ist der Schock noch anzumerken. Ihre Stimme ist dünn, droht manchmal fast zu brechen, immer wieder greift sie sich ans Herz. Es sind die Bilder aus ihrem Stimmkreis Rottal-Inn, die sie so bewegen. Als sie in Simbach ankam, stand die Stadt unter Wasser. "Brücken sind eingestürzt. Straßen gingen unter. Da hängen Menschen dran", sagt sie. Voller Dank ist sie für den Freistaat, der den Menschen, die nichts mehr hatten, in so kurzer Zeit eine Soforthilfe von 1500 Euro gegeben hat. "Danke und vergelt's Gott", sagt sie. Und selbst in den Reihen der Opposition klatschen die Abgeordneten betroffen in die Hände.

Selten verlief eine aktuelle Stunde im Plenum so friedlich und harmonisch. Gemeinsam gedenken Opposition und Regierung den sieben Opfern der Sturzflut, die in den vergangenen Tagen vor allem über Niederbayern hereinbrach. Gemeinsam drücken sie ihr Entsetzen über die Naturkatastrophe aus, ihr Mitleid für die Opfer und ihre Familien, ihren Dank an die Helfer und auch an den Freistaat, der so schnell und unbürokratisch hilft. Wer zu welcher Partei gehört, ist in diesem Teil der Reden kaum auszumachen. Die Unterschiede werden aber umso klarer, wenn es darum geht, wie die Ursachen der Sturzflut zu bekämpfen sind.

Je mehr sich das Erdklima überhitze, umso häufiger müssten wir mit sintflutartigem Regen und Überschwemmungen rechnen, sagt Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann. Die Grünen hatten die aktuelle Stunde einberufen. Statt aber das Klima zu schützen, begehe Umweltministerin Ulrike Scharf "Klimaverbrechen". Die Liste der Anschuldigungen von Hartmann ist lang. Er nennt die in Bayern geltenden Abstandsregelungen von Windrädern den "10-H-Unsinn" und beklagt den Flächenfraß. "Je mehr Flächen versiegelt werden, umso größer die Schäden", so Hartmann. Je schwerer die Landmaschinen, umso dichter sei der Boden. Je mehr Mais, umso weniger Fläche bliebe, wo der Boden Wasser aufnehmen könne.

Auch Florian von Brunn von der SPD fordert, Flächenfraß und Versiegelung, auch durch den Maisanbau, zu stoppen. Er richtet außerdem einen Appell an Umweltministerin Scharf, den Personalabbau in der bayerischen Wasserwirtschaft zu beenden. Seit 2004 seien in den Wasserwirtschaftsämtern 600 Stellen abgebaut worden. In Summe würden über 1000 Fachkräfte fehlen. Angesichts solch extremer Wetterereignisse sei das "verantwortungslos", so von Brunn.

Hubert Aiwanger, Parteichef der Freien Wähler, sieht die Verantwortungslosen in Berlin, weil der Bund Bayern kein Geld aus dem Hochwasserfonds bereitstellt. "Als die Flüchtlinge ankamen in Simbach, da waren wir gut genug, auch bundespolitische Dinge aufzufangen, und heute will der Bund von uns nichts wissen", sagt Aiwanger. Umweltministerin Scharf fordert Berlin auf, schnell zu zahlen und "in großen Scheinen". Sie warnt davor, den Eindruck entstehen zu lassen, alle Bäche könnten gegen Hochwasser geschützt werden. In Simbach hätte man für einen kleinen Bach mehrere Meter hohe Deiche gebraucht. "Die Grünen wären die ersten gewesen, die dagegen demonstriert hätten", sagt Scharf. Sie kündigt aber Verbesserungen im Hochwasserschutz an. So soll das Warnsystem für Sturzfluten verbessert und Kommunen von Experten aus der Wasserwirtschaft beraten werden. Der Opposition wirft sie vor, in Zeiten der Not ihr "politisches Kalkül" zu verfolgen. Das Hochwasser mit Windkraft in Verbindung zu bringen sei "herzlos und vollkommen unangebracht", sagt sie in Richtung Grüne.

Katastrophenbewältigung eigne sich nicht für Parteiprofilierung, sagt auch ihr Parteikollege Martin Huber. Fügt dann aber an: Wenn die Opposition die Klimapolitik der CSU kritisiere, sollte sie beachten, dass die meisten Kohlekraftwerke in rot-grün regierten Ländern stünden. Ganz zurückhalten konnte er sich selbst auch nicht.

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