Landtag:Chaos in der AfD

Fraktionschef Markus Plenk will seinen Posten aufgeben und liebäugelt mit einem Wechsel zur CSU. Auch andere Abgeordnete sind mit dem völkischen Kurs der Co-Vorsitzenden Ebner-Steiner unzufrieden

Von Johann Osel, Ingrid Fuchs und Wolfgang Wittl

Da hatte wohl Katrin Ebner-Steiner am Mittwoch beim Maibock-Anstich im Hofbräuhaus ein letztes Zeichen der Versöhnlichkeit inszenieren wollen. "Mia hoitn zam - Gemeinsam für unsere Heimat!" schrieb die AfD-Fraktionschefin auf Facebook, legte den Arm um die Schulter ihres Co-Vorsitzenden Markus Plenk und schickte ein Foto davon in die Welt. Gäste des Politspektakels hatten einen anderen Eindruck: Weil die beiden nebeneinander saßen, konnten sie kaum anders, als miteinander zu sprechen. Das Nötigste. Neben Plenk saß auch der CSU-Mann Josef Zellmeier, Vorsitzender des Haushaltsausschusses. Die zwei schienen sich deutlich besser unterhalten zu haben. Am Freitagnachmittag kam dann der Paukenschlag: Fraktionschef Markus Plenk, 50, will seinen Posten aufgeben, aus der Fraktion und voraussichtlich der Partei austreten. Er habe beschlossen, einen Mitgliedsantrag bei der CSU zu stellen. Damit stürzt die AfD-Fraktion endgültig ins Chaos.

Zunächst hatte der Spiegel über Plenks Plan berichtet; und auch darüber, dass er der CSU beitreten wolle. Plenk gilt als für AfD-Verhältnisse moderat, als Gegenpart zu seiner Kollegin an der Fraktionsspitze: Ebner-Steiner gehört dem völkischen Flügel an. "Ich bin liberal und völlig ideologiefrei", sagte er mal über sich. "Kein braunes Fitzelchen an der Weste", hört man in der Partei. Der Biobauer und Unternehmensberater wurde Ende 2015 AfD-Mitglied. Den Anstoß zum Austritt gaben wohl die Turbulenzen dieser und der vergangenen Woche: Raimund Swoboda, wie Plenk im gemäßigteren Lager, trat aus. Die Tonangebenden der Fraktion um Ebner-Steiner nannte Swoboda "rechtsradikale Gesinnungshasardeure". Als der Abgeordnete Franz Bergmüller sich öffentlich mit Swoboda solidarisierte und vor dem Abdriften der AfD nach rechts warnte, wollte Ebner-Steiner über einen Fraktionsausschluss Bergmüllers abstimmen lassen - das wurde kurzfristig abgesagt, mutmaßlich wegen fraglicher Mehrheiten dafür. Die Maßnahme gegen Bergmüller war mit Plenk nicht abgesprochen, er nannte diese "faschistoid". Plenk sagte dem Spiegel, er "habe es satt, die bürgerliche Fassade einer im Kern fremdenfeindlichen und extremistischen Partei zu sein". Er mache sich sonst "mitschuldig" an der "Zersetzung der Demokratie". Am Abend erklärte sich Plenk offiziell: "Wer Dinge in diesem Land bewegen will, darf nicht nur provozieren, sondern muss auch konkrete Sachpolitik machen." Jüngst hat auch die Beschäftigung zweier Mitarbeiter viel Ärger ausgelöst, beide standen früher der NPD nahe. Zwar will sich die Fraktion nun von ihnen trennen; Plenk sagte aber im BR, dass ihm auch der sorglose Kontakt zu derlei Leuten "die Augen geöffnet" habe. Zuletzt hatte das Plenk-Lager gegenüber der Süddeutschen Zeitung noch betont, die politische Ausrichtung sei ein Fluss - den man fließen lasse, "bis der richtige Moment da sei, um ihn umzulenken".

Ob jetzt weitere Austritte folgen, blieb am Freitag völlig ungewiss. Fraktionskenner sprachen von bis zu fünf "Wackelkandidaten". Das moderatere Lager stört sich sowohl an den Inhalten der Fraktion - der ständigen Betonung von Patriotismus und dem radikal anmutenden Kampf gegen das "System der Altparteien" - als auch am rüden Umgang intern. Am Freitagabend oder Sonntag wollte der Fraktionsvorstand Krisensitzung halten. Das Gremium stand, Plenk abgezogen, bisher treu hinter dem Kurs von Ebner-Steiner.

Die Fraktionschefin reagierte in einer Mitteilung: "Reisende soll man nicht aufhalten". Allerdings liege ihr kein Austrittsschreiben vor. "Wenn er nun das Landtagsmandat, das er der AfD und seinen Wählern verdankt, nicht zurückgibt, sondern zur CSU mitnimmt, dann spricht das für sich." Seine Entscheidung habe sie "schon länger vermutet". In Fraktionskreisen war zu hören, dass die Fraktion ohne Plenk "reibungsloser arbeiten" werde, ohnehin sei der Co-Vorsitzende nicht durch Arbeitseifer aufgefallen. Der Aufruf von Ministerpräsident Markus Söder beim Politischen Aschermittwoch der CSU an die Moderaten in der Partei - "Kehrt zurück und lasst die Nazis in der AfD allein" - könnte demzufolge Plenk schon früh zu der Absicht bewegt haben. Selbst ein geplantes Manöver der Christsozialen, ausgerechnet den Fraktionschef herauszulösen, sei nicht auszuschließen. Inwiefern die CSU offen ist für Abtrünnige aus der AfD, wird dort längst debattiert. Die Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze schrieb derweil auf Twitter, die AfD sei schon "rechtsextremistisch" gewesen, als Plenk zur Landtagswahl antrat.

Aus der CSU wollte sich am Freitag kein Spitzenpolitiker äußern, ob Plenk willkommen sei. Man nehme den Austritt zur Kenntnis, sagte ein CSU-Mann lediglich. Überrascht zeigte sich indes niemand. Die Entscheidung habe sich in den vergangenen Tagen angedeutet und sage alles über den Zustand der AfD im Landtag aus. Man müsse nun "die weitere Entwicklung abwarten", hieß es aus der CSU. Eine kategorische Ablehnung Plenks war am Freitag zunächst jedenfalls nicht zu vernehmen.

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