Ausfälle der AfD im Landtag:Das Parlament als „Klub der Schwererziehbaren“

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Im Plenarsaal im Maximilianeum wird im Idealfall eine gewisse Würde des Hohen Hauses gewahrt. Das war am Donnerstag anders. (Archivbild) (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

In der ersten Sitzung des Bayerischen Landtags nach der Bundestagswahl poltert die AfD bereits über angeblich gebrochene Wahlversprechen von Markus Söder und dessen CSU. Und flankiert ihr Spektakel mit Gebrüll.

Von Johann Osel

Erst in gut einer Woche sollen die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD im Bund anlaufen – doch die bayerische AfD hätte sich vorgestellt, das Ganze vorzuziehen und auf der öffentlichen Bühne des Bayerischen Landtags auszutragen. Donnerstagmorgen, die erste Vollsitzung nach der Bundestagswahl, der AfD-Fraktion steht der Vorschlag einer Aktuellen Stunde zu. Zufall, sie ist für dieses Debatten-Format turnusmäßig dran. „Ministerpräsident Markus Söder in die Pflicht nehmen“, lautet dessen Titel, keine Aufweichung von Wahlversprechen wie der Schuldenbremse. Daraus spricht das Selbstbewusstsein der AfD, nach den Zuwächsen hatte ja schon Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner getönt, man werde „die neue bayerische Heimatpartei“ anstelle der CSU.

Aber der Reihe nach. Andreas Winhart (AfD) sagt, die CSU wolle die Schuldenbremse gerade mit „Hinterzimmer-Politik“ und „Salami-Taktik“ abschaffen. Als Beleg dafür sieht er Äußerungen von Politikern der CDU, nicht der CSU wohlgemerkt. Auch Grundpfeiler wie Sicherheit gäbe es nach der Wahl nicht, schließlich seien schon „die ersten Afghanen gelandet, das Spiel beginnt von vorn“. Er bezieht sich auf die Aufnahme von 150 gefährdeten Menschen aus Afghanistan dieser Tage. Darauf zielt auch Jörg Baumann (AfD) ab. Er behauptet, die Wahlversprechen der CSU seien bereits „Schnee von gestern“: Wollte nicht Kanzlerkandidat Friedrich Merz vom ersten Tag als Kanzler an bei der Migration umzusteuern?

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In der CSU im Landtag glauben sie in diesen Minuten, im falschen Film zu sein, „so ein Quatsch“, hört man als Zwischenruf. Auf ein Nachhilfeseminar in einfachsten politischen Vorgängen, dass ein Wahlgewinner noch kein gewählter Kanzler ist, verzichten sie in der bayerischen Regierungspartei aber dann doch – und lassen diese Aktuelle Stunde sichtlich über sich ergehen.

Für die CSU ans Pult geht ihr parlamentarischer Geschäftsführer Michael Hofmann. Ein „ziemliches Gewürge“ sei der Vortrag der AfD gewesen, sagt er. Die Rechtsaußen-Fraktion versuche zwanghaft, irgendetwas TikTok-Taugliches zur Verwertung in den sozialen Netzwerken aus dieser Debatte zu ziehen. Zusätzliche Milliarden für das Bundeswehr-Sondervermögen seien womöglich nötig, „weil wir uns verteidigen wollen und uns nicht an den Hals von Putin schmeißen wollen, so wie Sie das offensichtlich vorhaben“. Und Hofmann hält der AfD vor: Dass es keine Koalition mit den Grünen gibt im Bund, „tut Ihnen weh“. Er sei zudem gespannt, wie oft die AfD im künftigen Bundestag mit der Linken stimmen werde, um die neue Regierung zu blockieren.

Die AfD wolle „unser Land brennen sehen“, sagen die Grünen

Jetzt gibt es bei der AfD kein Halten mehr. Es sind keine Zwischenrufe mehr, die durch den Saal sausen, es ist nichts anderes als Gebrüll. Manche AfD-Leute geben sich derart empört, dass sie Turnübungen auf ihren Stühlen vollziehen. Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) muss die Glocke bemühen. Hofmann hat da wohl wunde Punkte getroffen. Und er stellt fest: So wie sich die AfD hier aufführe, könnte sie sich glatt noch „einen Kasten Bier aufmachen. Der AfD ist Wahlkampf lieber als konstruktive Politik im Parlament“. Für Bernhard Pohl (FW) gleicht der Landtag auf der AfD-Seite einem „Klub der Schwererziehbaren“. Er gratuliere der CSU zum Wahlsieg, so Pohl, und der AfD dazu, „uns eine Stunde Lebenszeit gestohlen haben“.

Tim Pargent (Grüne) sagt: Dass die AfD an der Schuldenbremse nichts ändern wolle, sei klar. Sie wolle jede Bundesregierung, bis sie selbst an der Macht wäre, scheitern sehen, sie wolle „unser Land brennen sehen“. Weil, so Pargent zu den AfD-Abgeordneten, „mit Ihrem Sauhaufen zurecht niemand regieren will“. An die CSU appelliert er: Es helfe nichts, „wenn wir der Schuldenstreber unter den G-7-Staaten sind“. Markus Rinderspacher (SPD) warnt: „Der Wahlkampf ist zu Ende.“ Auf die AfD geht er nicht ein.

Wohltuend sind am Ende dieser hitzigen Stunde die Einlassungen des Finanzministers. Albert Füracker (CSU) tritt in seiner nüchternen Oberpfälzerkeit ans Pult, das Wort für die Staatsregierung war anfangs nicht vorgesehen. Der Landtag möge bitte nicht einen Beitrag zu den heutigen Faschingsumzügen leisten, mahnt er. „Es wird sich manchmal lohnen, die Dinge so zu diskutieren, wie sie intellektuell auch auf dem Tisch liegen.“

Konkret führt Füracker aus: Niemand diskutiere eine plötzliche Abschaffung der Schuldenbremse. Es sei ein Irrweg zu glauben, man könne mit Schulden alle Probleme lösen, Schulden alleine führten nicht dazu, dass ein Land gut dasteht. Andererseits gebe es Investitionen, die eine Rendite abwerfen – und viele Menschen im Land, die genau diese Investitionen fordern. „Diese Diskussion zu führen, muss erlaubt sein“, deswegen sei man noch „kein schlechter Mensch“. Was es sicher nicht brauche, findet Füracker: „Plärren“.

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