Süddeutsche Zeitung

Landtag:AfD provoziert Eklat bei Feierstunde

Fraktion verlässt während der Rede von Charlotte Knobloch zum Gedenken an Nazi-Opfer den Plenarsaal

Von J. Osel, I. Bernstein

Bei einem Gedenkakt für die Opfer des Nationalsozialismus im bayerischen Landtag hat die AfD-Fraktion am Mittwoch einen Eklat ausgelöst. In Folge einer Rede von Charlotte Knobloch, der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, verließ ein Großteil ihrer Abgeordneten demonstrativ das Plenum. "Diese sogenannte Alternative für Deutschland gründet ihre Politik auf Hass und Ausgrenzung und steht nicht nur für mich nicht auf dem Boden unserer demokratischen Verfassung", hatte die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland zuvor gesagt. "Es ist unser aller Verantwortung, dass das Unvorstellbare sich nicht wiederholen darf." Wie groß diese Aufgabe sei, sehe man mit Blick auf den Einzug der AfD in Landtage und Bundestag. Daraufhin folgte der Auszug einer Mehrheit der AfD-Politiker, darunter auch die Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner.

Die verbliebenen Gäste der Feier spendeten Knobloch stehend Applaus, die restlichen AfD-Leute im Saal - darunter Co-Fraktionschef Markus Plenk - blieben dabei auf ihren Plätzen sitzen. Auch als Knobloch in ihrer Rede die freie Gesellschaft und alle Parteien zum Schutz der Demokratie aufrief, griff sie die AfD scharf und direkt an: "Heute und hier ist eine Partei vertreten, die diese Werte verächtlich macht und Verbrechen der Nationalsozialisten verharmlost und enge Verbindungen ins rechtsextreme Milieu unterhält." Erst nach Knoblochs Rede kamen die AfD-Abgeordneten wieder ins Plenum zurück.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nannte das Verhalten der AfD-Abgeordneten "respektlos", es "entlarvt und zeigt den wahren Charakter. Echte Demokraten hätten sich anders verhalten." Viele Beobachter des Geschehens äußerten sich auf Twitter: "Dass die AfD den Saal bei der Rede der Schoah-Überlebenden Charlotte Knobloch verlassen hat, zeigt einmal mehr, welch Geistes Kind diese Partei ist", schrieb SPD-Mann Florian Ritter. Holger Laschka, Pressesprecher der Grünen-Fraktion, kommentierte: "Politisches Anliegen: Stören und provozieren. Armselige, geschichtsvergessene AfD-Kasper." Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) mahnte im Plenum, den Holocaust nicht zu relativieren. Dabei kritisierte sie Äußerungen des Thüringer AfD-Politikers Björn Höcke. Es gelte, Spuren zu suchen, Trauer zu zeigen und an das Leid zu erinnern. "Überlassen wir den Tätern von damals nicht den späten Triumph!"

Ebner-Steiner verteidigte in einer Mitteilung das Verlassen des Saals. Nicht das sei der Eklat gewesen, sondern die "Unterstellungen" durch Knobloch. Als "Gast des Landtags" habe diese die Veranstaltung "dazu missbraucht, die komplette AfD und die demokratisch legitimierte Fraktion durch übelste pauschale Unterstellungen zu diffamieren". Die "feindselige Redepassage" sei "absolut unangebracht".

Markus Plenk, ihr Partner an der Fraktionsspitze, ist im Saal geblieben, er gilt als für AfD-Verhältnisse moderat. Zuletzt mehrten sich in der Fraktion Stimmen, wonach Plenk in seiner Rolle zu wenig Raum in der Öffentlichkeit gegeben werde und offizielle Mitteilungen meist nur Ebner-Steiner zitierten - so entstehe ein schiefes Bild der politischen Bandbreite, beklagte ein Insider. Interne Kritik soll die Fraktionschefin vor allem mit ihrer ersten Rede im Landtag ausgelöst haben, genauer gesagt mit der Wortwahl. Da hatte sie gesagt, durch die "antideutsche und antibayerische Politik" drohe Bayern in eine "multiethnische Besiedlungszone" umgewandelt zu werden. Laut Bayerischem Rundfunk blieben außer Plenk auf ihren Plätzen: der Ex-CSU-Mann Franz Bergmüller sowie Uli Henkel und Raimund Swoboda - jene beiden Abgeordneten, die bei der Wahl zum Vize-Präsidenten des Landtags gescheitert waren.

Traditionell veranstalten der Landtag und die Stiftung Bayerische Gedenkstätten jährlich gemeinsam den Gedenkakt. Aigner hatte in der Einladung betont, wie wichtig es sei, die letzten Überlebenden des Nazi-Terrors zu Wort kommen zu lassen. Daher habe man sich ganz bewusst dafür entschieden, beim Gedenkakt die Zeitzeugen in den Mittelpunkt zu stellen - zum Beispiel auch Else Höllenreiner. Sie sprach für ihren gesundheitlich angeschlagenen, aber dennoch anwesenden Ehemann Hermann, der als Angehöriger der Sinti als Kind in Konzentrationslagern war.

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SZ vom 24.01.2019
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