Süddeutsche Zeitung

Service für Liebhaber:Unterwegs mit Vogelphilipp

Wenn die Vögel balzen, beginnt in der Natur eine einzigartige Konzertsaison. Wer dort durchblicken will, sollte sich mit Philipp Herrmann auf eine digitale Vogelstimmenwanderung begeben.

Von Hans Kratzer

Am 17. April, so erinnert sich Philipp Herrmann, habe er erstmals in diesem Jahr den Gesang der Nachtigall gehört. Das ist in der niederbayerischen Bezirkshauptstadt Landshut gar nicht so einfach, denn schon der Dichter Hans Carossa beschrieb diese Region einst als "Heimat ohne Wein und Nachtigallen". Normalerweise kehren die Nachtigallen Ende April aus ihrem Winterquartier in Mittelafrika zurück. Wenn eine angekommen ist, dann folgen die anderen alle auf einen Schlag, sagt Herrmann, der auch als Vogelphilipp bekannt ist. "Das ist krass", sagt er, und es erstaunt ihn immer wieder, wie reibungslos das alles funktioniert, obwohl das Reisesystem der Vögel für den Menschen undurchschaubar ist. Tatsächlich ist die Nachtigall in Südbayern nur spärlich vertreten. In Franken kommt sie häufiger vor. Vogelkenner Herrmann muss trotzdem viele Fragen dazu beantworten, denn er betreibt seit einigen Jahren zusammen mit dem Bund Naturschutz eine Vogelstimmen-Hotline. Mittlerweile kontaktieren ihn Anrufer aus ganz Deutschland.

Seine Auskünfte kann man über den Internetdienst Whatsapp einholen, allerdings nur bis Ende April. Das Interesse wächst von Jahr zu Jahr, heuer beantwortete Herrmann mehr als 3000 Anfragen zu Vogelstimmen. Mehr als 250 Arten sind in Deutschland als Brutvögel zu Hause, mehr als die Hälfte davon sind Singvögel. Und die sorgen zum Beginn der Balzzeit im März für ein lautstarkes Konzert, das morgens zwischen 4 und 5 Uhr beginnt und bis in die Dämmerung hinein forthallt. Amsel und Kohlmeise singen bereits Anfang April, die Mönchsgrasmücke wird dann Ende April am häufigsten nachgefragt. Sie komme Mitte April hier an, sagt Herrmann. Der Gesang der Vögel habe zwei Bedeutungen: Er soll Konkurrenten fernhalten und Weibchen anlocken.

Da die Vogelstimmenbestimmung nur im April angeboten wird, haben Herrmann und der Bund Naturschutz im Vorjahr begonnen, im Mai digitale Vogelstimmenführungen anzubieten. Wer sich für Vögel und ihren Gesang begeistert, kann sich bei Herrmann unter dem Stichwort "Vogelstimmenwanderung" melden und über den "Whatsapp Status" seinen digitalen Exkursionen folgen. "Die Idee dazu entstand 2021 im Rahmen der Vogelstimmenhotline", erklärt Martina Gehret, Leiterin der Mitmachprojekte des Bundes Naturschutz. "Trotz des Versammlungsverbots durch Corona im letzten Jahr wollten wir ein zusätzliches Angebot machen, Natur zu erleben und neue Arten kennenzulernen - und ohne Kontakt bleiben nur digitale Schulungsangebote." Und die kamen schon im ersten Jahr sehr gut an. Mehr als 2000 Interessierte verfolgten die Führungen auf dem Smartphone. Das erworbene Wissen kann über Vogelstimmenrätsel geprüft und weiter trainiert werden.

Und so funktioniert das Angebot: 1. Die Telefonnummer vom Vogelphilipp abspeichern: 0160/4424450. Danach das Wort "Vogelstimmenwanderung" per Whatsapp schicken. Und schließlich die Aktivitäten des Vogelphilipp im Whatsapp Status verfolgen.

Nachtvögel seien zuletzt oft nachgefragt worden, sagt Herrmann. Rotkehlchen und Amseln singen nämlich auch in der Nacht, was die Leute verblüffe. Auch der im Klang sehr variable Kleiber wie auch der scheue Pirol werden nicht auf Anhieb erkannt. In den Osterferien erreichten ihn zudem Anfragen zur Zwergohreule. Die kommt aber in Deutschland nur selten vor. "Bei einer solchen Anfrage reißt es mich immer", sagt Herrmann. Aber die Lösung war schnell gefunden. Die Zwergohreule lebt im Mittelmeerraum, deshalb war für Herrmann klar: Die Fragenden melden sich aus dem Urlaub.

In Bayern ist eher die Waldohreule heimisch, wie auch Schleiereule und Waldkauz. Seltener ist der Uhu, der Steinbrüche liebt. Auffällig ist der hohe Ton der jungen Waldohreulen, der jetzt zu hören ist, wenn man Wälder passiert, die an Wiesen grenzen. Auf denen gehen sie bevorzugt auf Mäusejagd. Ihre Schlafplätze befinden sich auf hohen Waldbäumen, wo sie auch im Winter eng zusammenrücken.

Allgemein sei ein Rückgang der Vogelarten festzustellen, sagt Herrmann. Kein Wunder, denn die Insektenfresser sind auf Insekten angewiesen, die ebenfalls unter starkem Schwund leiden. Vor allem der Bestand an Meisen und Staren hat nachgelassen. "In viele Nistkästen gehen keine Vögel mehr hinein. In unserer Häuserreihe daheim sind von sechs Nistkästen nur zwei besetzt", sagt Herrmann. Gebäudebrütern wie Spatz, Mauersegler und Schwalbe fehlen die Nischen, da beim Bauen heutzutage alles dichtgemacht wird und die Vögel kaum noch Schlupflöcher finden. Auf seiner Homepage gibt der Bund Naturschutz deshalb Tipps und Anleitungen, wie der eigene Garten vogelfreundlich gestaltet werden kann. In erster Linie, indem man eine wilde und nicht aufgeräumte Ecke so belässt. Dann ist es nicht schwer, Vögel in den Garten zu locken.

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