Süddeutsche Zeitung

Landshut/Quetta:Reisen und lächeln

Zwei junge Männer machen sich mit einem Camper auf den Weg nach Indien. Unterwegs wollen sie den Menschen helfen, die ihnen begegnen

Von Jacqueline Lang, Landshut/Quetta

Eine Weltreise mit einem Camper zu machen, davon träumen viele. Nur die wenigsten verwirklichen diesen Traum. Dominik Metzger, 23 und sein Freund Luca Toboll, 26, haben sich tatsächlich auf den Weg gemacht. Und nicht nur das, sie haben eigens den Verein "Travel for Smiles" gegründet. Die Idee, die im Vereinsnamen steckt, ist simpel: Den Menschen, denen sie auf ihrer Reise begegnen, ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.

Wie den Schulkindern im Iran, die nun warme Schuhe für den Winter haben. Dem älteren Ehepaar auf Chios, dessen Wohnung jetzt ein Ofen warm hält. Und einer Gruppe von Geflüchteten, denen sie eine Großladung Pizza spendierten. "Das sind ganz ehrliche Momente. Jeder muss das mal gemacht haben, um zu verstehen, was wir erleben", sagt Toboll.

Ende Oktober 2018 sind Dominik Metzger und Luca Toboll von Landshut aus losgefahren. Über Österreich, Slowenien, Montenegro, Kroatien, Albanien nach Griechenland und von dort über die Türkei und den Iran nach Pakistan. Ein bisschen mehr als drei Monate sind sie nun unterwegs. Bis Ende März wollen sie noch Nepal, Bangladesch und Indien bereisen. Das Ziel ihres gemeinsamen Abenteuers: Kalkutta.

Von dort will Toboll zurückfliegen, weil Anfang April das neue Semester beginnt. Er studiert Musikvermittlung und Erziehungswissenschaften in Köln. Metzger, der sein Energiewirtschaft- und Technikstudium an der Hochschule Landshut abgeschlossen hat und zeitlich ungebunden ist, will mit dem Bus zurückfahren nach Landshut. So lautet zumindest der vorläufige Plan. Doch wenn die beiden bislang eines auf ihrer Reise gelernt haben, dann ist es das: Nicht alles im Leben lässt sich planen.

Statt gemeinsam über die Türkei in den Iran einzureisen, musste Toboll einen Umweg über Georgien und Armenien machen. Der Grund: Probleme mit dem Visum. "Wir wurden an der Grenze getrennt", sagt Toboll am Telefon. Ausgerechnet in dem Moment sei auch sein Handy kaputt gegangen. Insgesamt zehn Tage wartete Metzger im Iran auf Toboll. Dort dann erneut Probleme: In der pakistanischen Botschaft habe man ihnen kein Visum ausstellen wollen, sagt Metzger. Das sei nur von Deutschland aus möglich. Auch ihre Zweitpässe per Post zu verschicken sei nicht möglich, hätten ihnen die Beamten erklärt. "Die Möglichkeit wäre gewesen, Pakistan zu umschiffen, aber das wäre gegen unser Konzept gewesen, die ganze Strecke mit dem Auto zurückzulegen", sagt Metzger.

Die Alternative: Mit dem Flieger zurück nach Deutschland und so Weihnachten und Silvester mit Familie und Freunden verbringen. Das sei ein schöner Zufall gewesen, sagt Toboll. Vor allem für Tobolls Freundin, die ihren Freund noch im Iran glaubte, als er plötzlich neben ihrem Bett stand. Seit Anfang Januar sitzen die beiden nun wieder in ihrem weißen VW T4, den an der Seite das Vereinslogo, eine große Weltkugel mit mehreren Smileys, ziert. Gerade fahren sie durch Pakistan.

Doch ganz ohne Planung ging es natürlich nicht. Zwei Jahre lang haben die beiden jede Woche geskypt. Metzger saß in Landshut vor dem Laptop, Toboll in Köln. Sie haben Routen geplant und wieder verworfen, haben einen Camper gekauft und ausgebaut, Spenden gesammelt, einen Verein gegründet, Hilfsorganisationen kontaktiert, auf Volksfesten gekellnert und so Geld angespart. Etwa 3000 Euro für sechs Monate, also etwa 500 Euro pro Monat, haben sie einkalkuliert.

Die Hilfsprojekte, die Metzger und Toboll auswählten, haben unterschiedliche Schwerpunkte und liegen quer über die Reiseroute verteilt. Etwa drei Wochen wollen die Freunde die ausgewählten Projekte jeweils unterstützen. Metzger hat dafür extra eine Ausbildung zum Rettungssanitäter gemacht. Bislang haben sie in einem Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Chios mitgeholfen und eine Suppenküche in Istanbul unterstützt. In Nepal wollen sie eine Nichtregierungsorganisation (NGO) unterstützen, die Straßenkindern hilft. "Die Projekte geben unserer Reise den Rahmen", sagt Metzger.

Den Gedanken an einem Ort länger zu bleiben und noch mehr zu helfen, ja, den hätten sie schon öfter gehabt. "Aber dieses Mal haben wir uns dafür entschieden, uns möglichst breit aufzustellen und viele verschiedene Projekte und Länder kennenzulernen", sagt Metzger. Den Kontakt zu den vielen neugewonnenen Freunden wollen sie auf jeden Fall aufrechterhalten, sagen sie. Und vielleicht ergebe sich ja zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal die Möglichkeit, an einem Ort länger zu bleiben und zu helfen, sagt Metzger.

Neben den mehrwöchigen Hilfsprojekten von NGOs organisieren Metzger und Toboll auch eigene kleine Projekte, die sie durch die Spenden finanzieren. Mit den bereits gesammelten 5400 Euro schnüren sie Essenspakete für Obdachlose, verteilen Spielzeuge an Kinder oder kaufen Setzlinge für den Gemeinschaftsgarten einer Sprachschule.

Wichtig sei es ihnen nicht, nur "die Ärmsten der Armen" zu unterstützen, sagt Metzger, sondern eben jene Menschen, denen man begegne. Ihre Gastgeber hätten häufig Tipps, wo Hilfe entlang ihrer Route notwendig sei oder einen Kontakt zu einem Freund, bei dem sie in der nächsten Stadt übernachten können. Ihr Vorhaben, es wäre nicht dasselbe ohne die Hilfsbereitschaft der Menschen, da sind sich Metzger und Toboll sicher.

Ob es auch schon gefährliche Situationen gegeben habe? Einmal, im kurdischen Siedlungsgebiet der Türkei, seien bewaffnete Männer an ihnen vorbeigerast. Luca Toboll vermutet, dass es sich um PKK-Kämpfer gehandelt haben könnte. Ein mulmiges Gefühl hätten sie in dem Moment schon gehabt, sagt Metzger. Im Iran habe sie die Polizei schon ein paar Mal mit Maschinengewehren in der Hand geweckt und ihnen befohlen, statt auf einem Feldweg vor der Wache zu übernachten. Ob es sich dabei um eine reine Vorsichtsmaßnahme handelt oder ob es wirklich häufig zu Überfällen kommt, Metzger und Toboll wissen es nicht. In Pakistan werden sie aktuell von einem Militärkonvoi begleitet. "Vielleicht ist es naiv, aber wir haben uns noch nie unsicher gefühlt. Aber ein bisschen Glück muss man halt auch haben", sagt Dominik Metzger.

Dass die beiden mit ihrer Reise Gutes im Sinn haben, dass dürfte ihnen wohl niemand absprechen wollen. Trotzdem mussten sich die beiden die Frage gefallen lassen, wie nachhaltig ihre Hilfsaktionen sind. Denn es ist nicht von der Hand zu weisen: Die beiden sind zwei junge, weiße Männer aus dem Westen, die mit ihrem deutschen Reisepass nahezu überall auf der Welt mit offenen Armen empfangen werden und gleichzeitig jederzeit ins sichere Deutschland zurückkehren können, wenn es brenzlig wird. Eine Möglichkeit, die den meisten Menschen, denen sie begegnen, verwehrt bleibt. Daran ändert auch ein Gemüsegarten oder eine kuschelige Winterjacke nichts. Das wissen die beiden, trotzdem findet Toboll die Kritik nicht gerechtfertigt. "Unser Verein heißt Travel for Smiles und nicht Travel to change the world", sagt er. "Wir sind zwei Jungs die sich einfach mal auf den Weg gemacht haben, die Welt sehen und dabei Gutes tun wollen", sagt Metzger. Und so geht es weiter Richtung Indien.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4304548
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 28.01.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.