Landshut:"Es macht den Eindruck, als wolle man uns Theaterleute loshaben"

Landshut: Vorher, nachher: Das Stadttheater in Landshut soll in völlig neuem Glanz erstrahlen. Simulation: Bächlemeid Architekten

Vorher, nachher: Das Stadttheater in Landshut soll in völlig neuem Glanz erstrahlen. Simulation: Bächlemeid Architekten

  • Der Architektuenentwurf für das neue Stadttheater in Landshut wurde vom Oberbürgermeister als "Meilenstein" gefeiert.
  • Nun gibt die Stadt Landshut bekannt, dass das Bauprojekt nicht im geplanten Zeitrahmen umgesetzt werden kann, denn auf einmal ist kein Geld mehr da.
  • Haben sich der Oberbürgermeister und die Stadtverwaltung bei der Finanzplanung verzettelt?

Andreas Glas, Landshut

Nur ein halbes Jahr ist es her, da schwärmte Alexander Putz vom Architektenentwurf für das neue Stadttheater. Ein "Meilenstein" jubilierte der Oberbürgermeister, eine "Bereicherung für die Kulturstadt Landshut". Knapp 50 Millionen Euro sollte das Bauprojekt kosten. Zu teuer für eine klamme Stadt? Ach was, sagte Putz (FDP) im August im Interview mit der Landshuter Zeitung. Das sei "gut investiertes Geld", hinter dem Projekt stehe ja "eine gründliche Planungsvorbereitung". Wenn sich der Oberbürgermeister so verbindlich äußert, wenn die Stadt so gründlich geplant hat: Was soll da noch schiefgehen mit dem neuen Stadttheater?

Nun, drei Monate später, gibt es eine ernüchternde Antwort auf diese Frage. Sie lautet: alles.

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Das aktuelle Landshuter Stadttheater.

(Foto: imago images / Westend61)

In einer Pressemitteilung hat die Stadt bekannt gegeben, "dass das für die kommenden Jahre beabsichtigte, umfangreiche Investitionsprogramm in Rekordhöhe nicht in der bisher erhofften Geschwindigkeit umgesetzt werden kann". Bis ins Jahr 2023 ist von einem Fehlbetrag von 70 Millionen Euro die Rede. Urplötzlich ist also kein Geld mehr da für das Meilenstein-Projekt, das Putz gerade noch als sicher betitelt hatte. Die Sanierung und Erweiterung des Stadttheaters wird wohl eingefroren, mindestens vier Jahre. Wenn das passiere, "ist das Theater erledigt", prognostiziert Intendant Stefan Tilch.

Auch Jochen Decker ist geknickt. Er sagt: "Das ist extrem überraschend, das schlägt einem ins Gesicht." Seit drei Jahrzehnten ist Decker Regisseur und Schauspieler am Stadttheater. Ein Urgestein, wie man so sagt. Einer, der ein Gespür hat für Landshut und seine Menschen. "Es macht den Eindruck, als wolle man uns Theaterleute loshaben", sagt Decker. Bei der Stadtspitze sei "kein Wille da, uns zu unterstützen, uns zu würdigen".

"Würdelos", das sagt Decker auch über die Arbeitsbedingungen beim Stadttheater. Weil das Stammhaus im Bernlochner-Komplex marode ist, ist das Theater momentan ausgelagert - in ein Zelt in einem Landshuter Gewerbegebiet. Die Akustik sei schlecht, sagt Decker, "da hören Sie jedes Motorrad, das draußen vorbeifährt". Das Zelt sei undicht, "es regnet hinein". Da seien "Ratten und Mäuse, die in der Garderobe vor sich hin verwesen und es stinkt aus der Kanalisation". Alles sehr unschön, aber die Theatermacher haben sich arrangiert - weil sie davon ausgingen, dass das Theaterzelt nur eine Übergangslösung ist. Eben solange, bis das Stammhaus saniert ist und einen neuen, modernen Anbau bekommt. Und jetzt? Ist auf einmal alles anders. Das Stadttheater hat keine echte Perspektive mehr.

Landshut: Jochen Decker, Schauspieler und Regisseur am Landshuter Stadttheater, wird nachgesagt, dass erein Gespür für die Stadt und ihre Menschen hat.

Jochen Decker, Schauspieler und Regisseur am Landshuter Stadttheater, wird nachgesagt, dass erein Gespür für die Stadt und ihre Menschen hat.

(Foto: Peter Litvai)

"Ein Desaster", findet Sigi Hagl, Stadträtin und Oberbürgermeisterkandidatin der Grünen. "Wenn man im August noch behauptet, dass die Finanzierung sicher ist und das Theater jetzt vor dem Aus steht, dann muss man sich schon fragen, wie das zustande kommt", schießt Hagl in Richtung OB Putz - und hat auch gleich eine Antwort parat: "Wenn ein Oberbürgermeister offenbar die Haushaltslage im eigenen Haus nicht kennt, dann ist das schon ein Armutszeugnis."

War doch nicht alles so gründlich geplant, wie Putz behauptet hat? Haben sich OB und Stadtverwaltung bei der Finanzplanung verzettelt? Eine Gesprächsanfrage an Putz ließ die Stadt am Montag zunächst unbeantwortet. Bei Facebook dagegen beteiligt sich Putz sehr fleißig an der Debatte ums Theater. Als Gründe für die neue Finanzlage nennt die Stadt unter anderem steigende Baukosten und die abflauende Konjunktur. Weil das Geld knapp ist, müsse der Stadtrat nun "Priorisierungen treffen", schreibt Putz. Was er damit meint: Die ebenfalls geplanten Investitionen in Schulen müssten jetzt Vorrang haben gegenüber den Theater-Plänen. Erst die Pflicht, dann die Kultur, so kann man Putz wohl interpretieren.

Dass der OB die Landshuter Schulen gegen das Stadttheater ausspiele, sei "eine perfide, widerwärtige Art", sagt Schauspieler Decker. Er hält das für eine Ausrede. Für ihn ist der Stopp des Bauprojekts nur ein weiterer Beleg für die Ignoranz der Stadtpolitik. Bereits in den Neunzigerjahren habe jeder sehen können, dass das Stammhaus des Theaters marode sei, dass "dieses Ding nicht mehr lange funktionieren" werde. "Aber 15, 20 Jahre hat sich kein Mensch dafür interessiert. Da fragt man sich, warum nicht?

Ein marodes Eisstadion haben sie schon erkannt", sagt Decker mit Blick auf die 22 Millionen Euro teure Sanierung der Landshuter Eishockeyhalle. Das sei auch richtig und wichtig, sagt Decker. "Aber diese Wichtigkeit, die wünsche ich mir halt auch für unser Theater." Mit seinen Kollegen will er nun eine Kampagne starten, um den Druck auf die Politik zu erhöhen - und mithelfen, das Theater-Projekt vielleicht doch noch irgendwie durchzusetzen.

Auch Grünen-Stadträtin Hagl glaubt, dass die Theaterpläne den Schulneubauten nicht im Weg stehen. Die Pläne seien weiterhin ein "umsetzbarer Entwurf". Im Zweifel müsse man eben darüber nachdenken, die Gewerbesteuer zu erhöhen, damit genug Geld für alle wichtigen Projekte in die Stadtkasse fließt. OB Putz will dagegen den Freistaat um eine Finanzspritze für die Theater-Pläne bitten. Das, schreibt er bei Facebook, sei "der einzige Weg, den ich perspektivisch sehe".

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