Soziales Kulturprojekt:Landshut vertraut auf Oliver Twist

Soziales Kulturprojekt: Die Organisatoren des Theaterprojekts "Oliver Twist" auf der Burg Trausnitz in Landshut (v.l.): Kunstmaler Michael Lange, Regisseur Thomas Ecker, Schauspieler Reinhart Hoffmann, Claudia Hahn, die 1. Vorsitzende des Vereins Wir für Landshut e.V., Oberbürgermeister Alexander Putz und Stadtrat Stefan Gruber.

Die Organisatoren des Theaterprojekts "Oliver Twist" auf der Burg Trausnitz in Landshut (v.l.): Kunstmaler Michael Lange, Regisseur Thomas Ecker, Schauspieler Reinhart Hoffmann, Claudia Hahn, die 1. Vorsitzende des Vereins Wir für Landshut e.V., Oberbürgermeister Alexander Putz und Stadtrat Stefan Gruber.

(Foto: Hans Kratzer)

Der Verein "Wir für Landshut" plant auf der Burg Trausnitz ein Theaterstück, bei dem auch benachteiligte Kinder und Jugendliche mitwirken dürfen. Das Projekt, das überdies künstlerische Workshops umfasst, soll ihnen in schwieriger Zeit eine Perspektive bieten.

Von Hans Kratzer, Landshut

Es gibt eine ganze Reihe von Politikern, die den Eindruck erwecken, als hätten sie noch nie ein Buch gelesen (was nicht weiter schlimm ist). Beim Landshuter Oberbürgermeister Alexander Putz zielt dieser Anwurf sowieso ins Leere, was am Dienstag auf der Burg Trausnitz offenkundig wurde. Der Leser Putz erzählte leidenschaftlich über seine Vorliebe für Autoren wie Thomas Mann und John Irving. Und auch Charles Dickens liebe er sehr. Putz rühmte dabei dessen Werke "Great Expectations" und "Oliver Twist", die fast auf einer Stufe mit seinem Lieblingsroman aus jener Epoche stünden, nämlich "Die Elenden" von Victor Hugo.

Dass bei dem Termin in Landshut ausgiebig über Literatur und Theater gesprochen wurde, hatte einen triftigen Grund. Auf der Burg Trausnitz soll nämlich in der Vorweihnachtszeit ein soziales Kulturprojekt realisiert werden, das am Ende in acht Aufführungen des Stücks "Oliver Twist" münden soll. Zum ersten Mal überhaupt soll dann im Weißen Saal auf der Burg Trausnitz Theater gespielt werden.

Federführend wirkt dabei der Verein "Wir für Landshut e.V.", der mit diesem Benefizprojekt jene Kinder und Jugendlichen fördern und unterstützen will, die besonders nötig Hilfe brauchen. "Ich bin mir sicher, dass sich die Strahlkraft dieses sinnstiftenden Projekts weit über die Grenzen unserer Stadt hinaus entfalten wird", sagte OB Putz. "Wir wollen mit diesem sozialen Kulturprojekt als Leuchtturm in einer schweren Zeit wirken", ergänzte Claudia Hahn, die Vorsitzende des Vereins, der sich seit 2010 für die soziale Jugendarbeit in der Stadt Landshut einsetzt. Dabei soll nicht nur das Potenzial von Kindern und Jugendlichen geweckt, sondern es sollen auch Menschen aus verschiedenen kulturellen und gesellschaftlichen Heimaten zusammengeführt werden.

Eine Brücke ins Jetzt

Warum hilft dabei ausgerechnet der Evergreen "Oliver Twist", die Geschichte des Waisenknaben, der unter schwierigen Verhältnissen aufwächst und am Ende doch noch eine hoffnungsvolle Zukunft vor sich hat? Regisseur Thomas Ecker, der das Stück für die Bühne aufbereiten soll, antwortete, der 1838 erschienene Roman schlage eine ideale Brücke vom 19. Jahrhundert, in dem Dickens die Ungerechtigkeit des damaligen Sozialsystems am eigenen Leib erfahren habe, in die Jetztzeit. Twist vereinige Komponenten eines Märchens, eines Krimis und eines sozialkritischen Dramas, sagte Ecker, der mit dem Stück aufzeigen will, dass es auch in aussichtslosen Situationen Menschen gibt, die für Unterstützung und Halt sorgen. Diese Story passe hervorragend zum Vereinszweck von "Wir für Landshut", ergänzte OB Putz. Er verhehlte angesichts der Debatte um die kostspielige Sanierung des Stadttheaters nicht, wie sehr es ihn freue, dass man hier auch mit geringen Mitteln ein leuchtendes Theaterprojekt bieten könne.

Das Ensemble setzt sich aus Schauspielern und Schauspielerinnen von drei Landshuter Theatervereinen zusammen (Hofberg Theater, Theater Konrad und Theater Nikola) sowie aus benachteiligten Kindern und Jugendlichen, die es auch in einer blühenden Stadt wie Landshut zuhauf gibt. Sie werden nicht nur auf der Bühne agieren, sondern auch bei der Organisation, Regieassistenz, Bühnenmalerei und Statisterie mitwirken. "Es wird keine Hierarchie geben", betonte Ecker. Die Hauptrolle werde keinen höheren Stellenwert bekommen als die Rolle eines Statisten. Begleitend zum Spiel werden Workshops angeboten. Die dabei entstehenden Kunstwerke, Gemälde und Fotografien werden zusammen mit den Bühnenbildern des Kunstmalers Michael Lange bei einer Ausstellung im Landshuter Rathaus präsentiert.

"Wir möchten Kindern und Jugendlichen einen leichteren Zugang zu Kunst und Kultur ermöglichen", sagte Claudia Hahn. Ein schöner Nebeneffekt wäre, wenn sich daraus auch Nachwuchs für die Amateurbühnen rekrutieren ließe, die sich nach Corona mit der Gefahr der Überalterung konfrontiert sehen, wie der Vorsitzende der "Bühne Landshut", Reinhart Hoffmann, beklagte. Weitere Infos unter www.wir-fuer-landshut.de.

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