Ausstellung über Burg Trausnitz:Dieser Brand hat nicht nur ein Leben ausgelöscht

Ausstellung über Burg Trausnitz: In den Morgenstunden des 21. Oktober 1961 brach im Fürstentrakt der Burg Trausnitz ein Brand aus. Nebel und Rauchschwaden trübten den Blick auf den Unglücksort.

In den Morgenstunden des 21. Oktober 1961 brach im Fürstentrakt der Burg Trausnitz ein Brand aus. Nebel und Rauchschwaden trübten den Blick auf den Unglücksort.

(Foto: Bayerische Schlösserverwaltung)

Auf der Burg Trausnitz wurden vor 60 Jahren tausende wertvolle Archivalien sowie unersetzliche Kunstschätze durch ein Feuer zerstört. Hier wurde deutlich, wie mangelhaft historische Gebäude bis dahin vor Feuersnot geschützt waren.

Von Hans Kratzer, Landshut

Diesen Besuch sollte die Musiklehrerin Franziska Höller ihr ganzes Leben lang nicht mehr vergessen. Im Oktober 1961 weilte sie auf der Burg Trausnitz in Landshut, wo ihre Tochter und ihr Schwiegersohn, der Archivrat Walter Jaroschka, in einer Dienstwohnung lebten. Am 21. Oktober, einem Samstag, wurde sie gegen 4 Uhr morgens wach, ein seltsames Geräusch hatte sie aus dem Schlaf gerissen. Als sie aus dem Fenster in den Burghof schaute, wurde sie erst recht unruhig. Im ersten Stock des sogenannten Fürstenbaus sah sie einen bleichen Schein, außerdem knisterte es dort heftig. Sofort weckte sie ihren Schwiegersohn. Auch der Archivdirektor Sebastian Hiereth, der ebenfalls auf der Burg wohnte, war schon hellwach und alarmierte um 4.22 Uhr die Rettungskräfte.

Ausstellung über Burg Trausnitz: Feuerwehren, Bundeswehr und Technisches Hilfswerk versuchten noch Archivalien zu retten. Ein Feuerwehrmann kam bei den Löscharbeiten ums Leben.

Feuerwehren, Bundeswehr und Technisches Hilfswerk versuchten noch Archivalien zu retten. Ein Feuerwehrmann kam bei den Löscharbeiten ums Leben.

(Foto: Feuerwehr Landshut)

Die Archivare Johannes Stoiber und Monika Franz vom Staatsarchiv Landshut haben zum 60. Jahrestag das Brandereignis auf der Burg Trausnitz rekonstruiert. Ihre Ergebnisse sind in einer am Donnerstag eröffneten Ausstellung sowie im dazu erschienenen Begleitkatalog dokumentiert. Die verheerenden Folgen des Großbrands beschäftigen das Staatsarchiv und die Schlösserverwaltung bis heute. Nicht einmal die Ursache des Feuers ist hundertprozentig geklärt. Sicher ist nur, dass sich gut 160 Landshuter Feuerwehrmänner gleich nach der Alarmierung auf den Weg zur Burg machten. Das Feuer, das in der Putzkammer und im Rittersaal entdeckt wurde, war um diese Zeit noch nicht großmächtig und gut zu löschen, ein Problem war jedoch die starke Rauchentwicklung. Nichts Gutes verhieß zudem die spürbar heftige Bewegung in den Fehlböden. Die Männer begannen, die Archivalien mit Planen abzudecken und ins Freie zu bringen. Dazu wurden das Technische Hilfswerk und die Bundeswehr angefordert.

Ausstellung über Burg Trausnitz: Altes Feuerwehrauto aus Landshut, das beim Brand auf der Trausnitz im Einsatz war.

Altes Feuerwehrauto aus Landshut, das beim Brand auf der Trausnitz im Einsatz war.

(Foto: Hans Kratzer)

Gegen sechs Uhr morgens lösten die Schwelgase aus der Glut in den Fehlböden eine Verpuffung aus, sofort stand der gesamte Fürstenbau in Flammen. Die Katastrophe nahm nun auch deshalb ihren Lauf, weil auf der Burg Wassermangel herrschte. Unter anderem wurde die Berufsfeuerwehr aus München angefordert, mit ihrer Hilfe gelang es, von der Stadt aus eine belastbare Wasserleitung zur Burg zu legen. Kurz vor neun Uhr stürzte ein Kamin im Fürstenbau ein, wodurch mehrere Feuerwehrmänner verletzt wurden. Der Landshuter Ludwig Denner erlitt so schwere Kopfverletzungen, dass er einige Tage später daran starb.

Der Brand zerstörte ein Leben. Darüber hinaus gingen einmalige Kunstwerke und Archivgut in einem Ausmaß verloren, das heute noch Verlustschmerzen auslöst. Landshut erlebte damals die größte bayerische Archivkatastrophe nach dem Zweiten Weltkrieg. Deutschlandweit wurden die Verluste nur noch übertroffen vom Einsturz des Kölner Stadtarchivs im Jahr 2009. Es erwies sich als fatal, dass die staatliche Archivverwaltung damals noch große Teile der Burg als Staatsarchiv für Niederbayern nutzte.

Ausstellung über Burg Trausnitz: Es war einmal: Zerstört wurde beim Burgbrand dieses Ensemble aus Erkerzimmer und Tafelstube im Fürstenbau.

Es war einmal: Zerstört wurde beim Burgbrand dieses Ensemble aus Erkerzimmer und Tafelstube im Fürstenbau.

(Foto: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege)

Das Verderben erstreckte sich aber nicht nur auf wertvolles Papiergut. Weitgehend zerstört wurde überdies der sogenannte Fürstenbau, der kunsthistorisch bedeutendste Trakt der Burg. Die Fürstenwohnung mit ihrer grandiosen Ausmalung aus Renaissance und Barock sowie das Absteigequartier König Ludwigs II., ein Gesamtkunstwerk des Historismus, gingen auf ewig verloren.

Ausstellung über Burg Trausnitz: Auch das Arbeitszimmer König Ludwigs II. auf der Burg Trausnitz wurde ein Raub der Flammen.

Auch das Arbeitszimmer König Ludwigs II. auf der Burg Trausnitz wurde ein Raub der Flammen.

(Foto: Staatsarchiv Landshut)

Die Ermittlungen ergaben, dass sich das Feuer in einer Putzkammer entzündet hatte. Im Fehlboden hatte sich dann jener Schwelbrand ausgebreitet, der in den Morgenstunden die Detonation im Fürstenbau auslöste. Es gab viele Gerüchte. Unter anderem wurde geraunt, Kinder hätten auf der Burg gezündelt, andere behaupteten, es habe in den Räumen ein Fest stattgefunden. Der Zeitzeuge Hermann Hiereth, ein Sohn des damaligen Archivdirektors, sagt dagegen, es habe definitiv kein Fest stattgefunden. Es habe damals auf der Burg ja gar keinen brauchbaren Raum für ein Fest gegeben. Die Staatsanwaltschaft kam zu dem Ergebnis, ein nicht abgeschalteter Tauchsieder, der zum Erwärmen des Putzwassers benutzt wurde, habe den Brand verursacht.

Ausstellung über Burg Trausnitz: In der Ausstellung über den Burgbrand wird auch der Tauchsieder gezeigt, der den Brand verursacht haben soll.

In der Ausstellung über den Burgbrand wird auch der Tauchsieder gezeigt, der den Brand verursacht haben soll.

(Foto: Hans Kratzer)

Allerdings wird diese Version von manchen immer noch angezweifelt. Der Tauchsieder, so besagt deren Theorie, könne das Feuer niemals ausgelöst haben. Bei Versuchen, die den Fall nachstellten, habe sich das zweifelsfrei gezeigt. Die Putzfrau wurde letztlich zu drei Wochen Haft auf Bewährung verurteilt. Die Kritiker führen das milde Urteil als Beleg dafür an, dass auch der Richter nicht so recht an die Tauchsiederversion glaubte.

"Die Burg brennt!" Dieser Schreckensruf kursierte am Morgen in der ganzen Stadt, auch wenn sich der Nebel und die Rauchschwaden vermischten und den Blick auf die Burg zunächst eintrübten. Ungläubig starrten die Landshuter auf den Burgberg hinauf. "Ein Stück Geschichte Niederbayerns löste sich in Rauch auf", sagt Martin Rüth, der Direktor des Landshuter Staatsarchivs. Immerhin, da gesteht er zu, hat der Brand dazu geführt, dass erstmals ernsthafte Konzepte zum Schutz von Archiven entwickelt wurden. Und dass das Staatsarchiv 2016 in ein neues Gebäude umziehen konnte, in dem die Archivalien weitaus sicherer verwahrt werden können als auf der Burg. Dabei schien diese bis 1961 uneinnehmbar zu sein. Sie hatte seit dem Mittelalter alle Kriege und Nöte heil überstanden. Sie war der Stolz der Stadt.

Ausstellung über Burg Trausnitz: Mit Tränen in den Augen schauten viele Landshuter an jenem Samstag zu ihrem brennenden Wahrzeichen hinauf.

Mit Tränen in den Augen schauten viele Landshuter an jenem Samstag zu ihrem brennenden Wahrzeichen hinauf.

(Foto: Bayerische Schlösserverwaltung)

Der damalige Handelsschüler Joseph Schuster erinnert sich, dass am 21. Oktober 1961 die ganze Schule ungläubig auf die Burg starrte. Ein Unterricht war nicht möglich. "Wir haben vier Stunden lang nur den Brand beobachtet." Die Lehrerin Anna Wagner habe bejammert, welche Burgteile gerade in sich zusammenfielen und welcher Saal gerade zerstört wurde. "Sie hat zwei Stunden lang nur geweint", erinnert sich Schuster.

Die Brandkatastrophe auf der Trausnitz wurde zu einem Präzedenzfall für ganz Deutschland. Nun wurde endgültig die Notwendigkeit eines funktionellen Brandschutzes für historische Räumlichkeiten erkannt. Die feuerpolizeilichen Vorschriften wurden strenger, aber es weiteten sich auch die Rettungsmöglichkeiten.

Ausstellung über Burg Trausnitz: Blick auf den zerstörten Flügel der Burg Trausnitz. Die Brandruine im Oktober 1961.

Blick auf den zerstörten Flügel der Burg Trausnitz. Die Brandruine im Oktober 1961.

(Foto: Feuerwehr Landshut)

Zwar lag haufenweise Schriftgut des Staatsarchivs in Schutt und Asche, vor allem die kostbaren Briefprotokolle, die wie kaum ein anderes Medium Aufschluss über das Leben der Vorfahren geben. Zudem verbrannte fast die Hälfte der Akten des Hochstifts Passau aus der Zeit vor 1806. Aber nicht alle Akten waren vollständig vernichtet. In weiser Voraussicht wurden damals die vom Löschwasser durchtränkten Bände getrocknet, laminiert und damit vorläufig gerettet. Stark angesengte Stücke wurden im Burgkeller eingelagert. Von da an arbeitete die Zeit wieder für die Archive. Denn der Fortschritt in der Restaurierungstechnik machte es drei Jahrzehnte später möglich, verbrannte Akten mit dem Verfahren der Papierspaltung zum Teil wieder lesbar zu machen.

Die Burg brennt. Die Landshuter Katastrophe vom 21.10.1961, Ausstellung im Staatsarchiv Landshut, Schlachthofstr.10, bis 23. Dezember, Eintritt frei (3-G-Regelung). Zur Ausstellung ist auch ein Katalog erschienen.

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