Landshut:Bayerns Frauenhäuser müssen jede zweite Hilfesuchende ablehnen

Landshut: Einer Studie zufolge mussten im vergangenen Jahr etwa 2 000 Frauen abgelehnt werden, die bei einem Frauenhaus in Bayern um Hilfe baten.

Einer Studie zufolge mussten im vergangenen Jahr etwa 2 000 Frauen abgelehnt werden, die bei einem Frauenhaus in Bayern um Hilfe baten.

(Foto: dpa)
  • Frauenhäuser leiden bereits seit Jahren unter Personal- und Platzmangel.
  • Eine Studie bringt nun Bewegung in die politische Debatte.
  • Unter anderem sollen die Zuständigkeiten verändert werden.

Von Lisa Schnell

Um acht Uhr abends kam der Anruf im Frauenhaus. Sie habe es jahrelang mitgemacht, jetzt halte sie es nicht mehr aus, sagte eine ängstliche Frauenstimme am Telefon. Die Anruferin stand schon auf der Straße, nach Hause zum prügelnden Ehemann traute sie sich nicht mehr. Sie müsse weg, sagte sie, sofort. Nur, wohin?

Alle Zimmer im Frauenhaus der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Landshut waren besetzt, erzählt Leiterin Angelika Hirsch am Telefon. Auf der Couch im Wohnzimmer machten sie der Verzweifelten dann ein notdürftiges Bett. Sie hatte Glück: Am nächsten Tag wurde ein Platz in einem anderen Frauenhaus frei.

Oft aber gibt es gar keinen Platz, in ganz Bayern nicht. Etwa 2000 Frauen, die geschlagen wurden oder psychisch misshandelt, mussten 2014 von Frauenhäusern abgewiesen werden. Damit stand etwa jede zweite vor verschlossener Tür. So das traurige Ergebnis einer Studie des Instituts für empirische Soziologie an der Universität Erlangen. Manche verlässt dann der Mut, sagt Hirsch vom Frauenhaus Landshut.

Sie begeben sich zurück in die Spirale der Gewalt, aus der sie sich befreien wollten. "Dann halt ich es halt aus", sagten sie sich. Sie müssen es nicht aushalten, sagen die SPD-Politikerinnen Ruth Müller und Simone Strohmayr. "Frauen, die Gewalt erfahren haben, brauchen Schutz und dürfen nicht abgewiesen werden", sagt Strohmayr und fordert einen Rechtsanspruch auf einen Platz im Frauenhaus.

Gerade haben sie und Müller wieder mehrere Frauenhäuser in Bayern besucht. Mindestens 35 Prozent mehr Plätze seien nötig, sagen sie. So fordern es auch die Grünen und die Studie der Uni Erlangen, die das Sozialministerium selbst in Auftrag gegeben hat. Jetzt gibt es in Bayern 426 Schutzplätze für Hilfe suchende Frauen und 504 Plätze für deren Kinder.

Der Platzmangel ist aber nicht das einzige Problem, sagt Strohmayr. Auch personell seien die Frauenhäuser viel zu schlecht aufgestellt. Für sechs Frauen und zwölf Kinder haben sie im AWO-Frauenhaus Landshut nicht einmal zwei Vollzeitstellen. Oft sind die Kinder traumatisiert, die Mütter brauchen auch nach ihrem Aufenthalt noch Betreuung. "Das kann man eigentlich nicht schaffen", sagt Hirsch. Ihre Überstunden schreibt sie schon gar nicht mehr auf. Ohne die Ehrenamtlichen, die ab 17 Uhr das Beratungstelefon übernehmen, ginge es gar nicht. Ausgebildet seien die aber nicht.

Jetzt sollen die Zuständigkeiten geändert werden

Derzeit sind Frauenhäuser Aufgabe der Landkreise. Sie sollten aber in die Zuständigkeit des Freistaats fallen, sagen Grüne und SPD. Der beteilige sich jetzt mit nicht mal zehn Prozent an der Finanzierung. Das letzte Mal wurde die staatliche Förderung vor sieben Jahren um 13 Prozent erhöht. "Der Freistaat lässt die Frauen im Regen stehen", sagt Verena Osgyan von den Grünen. Zum Abbau der Gewalt gegen Frauen und Kinder seien im Haushalt unter zwei Millionen Euro eingeplant.

Viele Frauenhäuser stünden jedes Jahr kurz davor zuzumachen, erzählt Strohmayr. Manche Frauenhäuser müssten deshalb einen Tagessatz von den Frauen verlangen. Finanziell schwache Opfer aber wie Studentinnen könnten den oft nicht aufbringen.

Die Missstände seien seit Jahren bekannt. Schon Ende 2015 hätten die Ergebnisse der Erlanger Studie vorgelegen, doch erst auf Druck der Grünen habe die Staatsregierung sie im Sozialausschuss vorgestellt, sagt Osgyan. Auch Sozialministerin Emilia Müller nannte die Ergebnisse der Studie "alarmierend". Sie setzte eine Arbeitsgruppe ein. Der wolle man nicht vorgreifen, deshalb gehe man auf Forderungen der Opposition nicht ein, heißt es aus dem Ministerium. Ende 2017 soll es ein Gesamtkonzept geben.

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