Landratsamt darf schließen:"Erhebliche Mängel"

Kontrolleure rügen Zustände in Seniorenresidenz Gleusdorf

Von Dietrich Mittler, Würzburg/Gleusdorf

Die umstrittene Seniorenresidenz Schloss Gleusdorf in Unterfranken darf geschlossen werden. Das Landratsamt Haßberge kann den Betrieb untersagen, obwohl über den Widerspruch gegen die drohende Schließung noch nicht gerichtlich entschieden ist. Zu diesem Beschluss kam jetzt das Verwaltungsgericht Würzburg (Aktenzeichen W 3 S 18-1547). "In seiner Abwägungsentscheidung hat das Gericht dem Schutz von Gesundheit und Menschenwürde der Heimbewohner und dem Interesse am Erhalt einer funktionierenden staatlichen Heimaufsicht den Vorrang vor den wirtschaftlichen Interessen der Betreiberin gegeben", teilte das Gericht in einer Stellungnahme mit. Lediglich in einem Punkt kamen die Richter dem Pflegeheim entgegen: Die Frist für die angeordnete Schließung wurde auf den 15. Februar 2019 verlängert - also um gut zwei Wochen.

Die 3. Kammer wies damit den Antrag der Heimträger-Seite zurück, die auf eine aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gepocht hatte und so zumindest vorläufig den weiteren Betrieb der Pflege-Einrichtung im unterfränkischen Untermerzbach sichern wollte. Sowohl die Heimkontrolleure des Landratsamts als auch der Medizinische Dienst der Krankenversicherung legen der Seniorenresidenz "wiederholte Mängel", ja sogar "wiederholte erhebliche Mängel" zur Last. Wie aus der Begründung des Gerichts hervorgeht, wurde nicht nur die schriftliche Dokumentation der pflegerischen Prozesse gerügt. Mängel seien auch bei der sogenannten Dekubitusprophylaxe zur Verhinderung von ebenso schmerzhaften wie gefährlichen Druckgeschwüren festgestellt worden. Auch das Hygienemanagement habe nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprochen.

In ihrer Stellungnahme sind die Würzburger Verwaltungsrichter lediglich auf jene Vorwürfe der Heimkontrolleure eingegangen, auf die die Seniorenresidenz bereits reagiert hat. Doch bereits dabei füllen die Vorwürfe der Heimkontrolleure, die Gegenrede seitens der Seniorenresidenz sowie die jeweilige Einschätzung des Gerichts 15 Seiten. Neben Fällen wie einer "fehlenden Wunddokumentation", der Unterschreitung der gesetzlichen Fachkraftquote und der fehlenden Hygiene beim Wechseln einer "mit Urin" verunreinigten Inkontinenzeinlage finden sich dort auch solche Vorkommnisse: Ein Heimbewohner sei - so die Heimkontrolleure - von zwei Pflegekräften unsanft an den Handgelenken hochgezogen worden, ohne dass der Rollstuhl, in dem er saß, festgestellt worden sei. Dazu die dem Gericht vorliegende Erwiderung der Heimträger-Seite: "Der Begriff ,unsanft' könne nicht definiert werden." Das Gericht - im Einklang mit den Kontrolleuren - geht hier indes von einem erhöhten Sturzrisiko und großer Verletzungsgefahr aus. Ebenfalls war der 3. Kammer nicht ersichtlich, warum bei einem mit Insulin versorgten Heimbewohner "nur einmal wöchentlich eine Blutzuckerkontrolle durchgeführt worden ist".

Für die Würzburger Richter sind die "Mängelfeststellungen" der Heimkontrolleure auch bei noch nicht abschließender gerichtlicher Beurteilung der einzelnen Vorkommnisse "nicht zu beanstanden". Zudem stuften sie die Chancen der Heimträger-Seite bezüglich des bereits eingeleiteten Widerspruchsverfahren gegen die drohende Betriebsschließung "tendenziell als schlecht" ein. "Es besteht ein Interesse daran, dass die Öffentlichkeit ihr Vertrauen in eine effektiv funktionierende und durchsetzungsfähige Heimaufsicht behält", heißt es in der schriftlichen Begründung des Verwaltungsgerichts. Zudem bestehe ein Interesse der Gesellschaft daran, "dass ihre ältesten und oftmals schwachen und gebrechlichen Mitglieder eine angemessene und insbesondere menschenwürdige Existenz führen können".

Demgegenüber, so geht aus der Begründung des Gerichts weiter hervor, seien die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Heimschließung auf die Geschäftsführerin der Einrichtung - trotz der angeführten "derzeit bestehenden hohen Verbindlichkeiten" - hinzunehmen. Schließlich stellten diese "keine Gefahr für Leib, Leben und Menschenwürde" dar.

"Gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg wird der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in München angerufen werden", erklärte am Dienstag Thomas Mönius, einer der Rechtsvertreter der Einrichtung. Zu inhaltlichen Vorwürfen werde "ausschließlich im Verfahren Stellung genommen". Tenor dürfte sein, dass die von den Heimkontrolleuren aufgelisteten Sachverhalte "weder zahlreich noch schwerwiegend" seien, wie das Verwaltungsgericht jetzt die Sichtweise der Seniorenresidenz Schloss Gleusdorf zusammenfasste.

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