Landrat von Ansbach:"Die Welt besteht nicht nur aus Politik"

Zehn Jahre lang war Rudolf Schwemmbauer Landrat von Ansbach. Nun gibt er sein Amt vorzeitig ab - weil er an Parkinson erkrankt ist. Warum er die Diagnose öffentlich gemacht hat und ein Politiker auch einmal Schwäche zeigen sollte.

Katja Auer

Zehn Jahre lang war Rudolf Schwemmbauer, 68, Landrat im Landkreis Ansbach, der so groß ist wie das Saarland. Am Montag gibt er sein Amt vorzeitig ab. Weil er an Parkinson erkrankt ist.

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(Foto: oh)

SZ: Herr Schwemmbauer, wie geht es Ihnen?

Rudolf Schwemmbauer: Mir geht es gut, ich fühle mich den Umständen entsprechend gesund. Ich sehe es als Plus an, dass die Krankheit sehr früh erkannt wurde, deswegen gibt es kaum irreparable Schäden. Wenn man zehn Jahre Landrat war und dabei höchstens sechs Tage krank, kommt die Diagnose Parkinson umso wuchtiger.

SZ: Wie haben Sie denn gemerkt, dass etwas nicht stimmt?

Schwemmbauer: Ich leite seit mehr als 20 Jahren den Bürgermeister-Chor. Beim Dirigieren sind die Bewegungen sehr aufeinander abgestimmt. Da habe ich gemerkt, dass meine linke Hand nicht mehr synchron lief mit der rechten Hand. Das habe ich dann untersuchen lassen, und dann kam im Mai 2009 die Diagnose: beginnender Parkinson. Da war ich schockiert. Denn sowas trifft ja immer nur die anderen.

SZ: Sie sind mit Ihrer Diagnose sehr offen umgegangen. Wie haben die Menschen reagiert?

Schwemmbauer: Es war für mich selbst überraschend, dass Parkinson eine solche Heimlichkeit anhaftet. Wenn heute jemand einen Herzschrittmacher braucht oder Krebs hat oder Alzheimer, dann spricht man offen darüber. Parkinson scheint noch recht unbekannt zu sein. Wobei mir dann bewusst geworden ist, dass es gar keine so seltene Krankheit ist. Viele, gerade Angehörige von Parkinson-Kranken, haben mich angesprochen und sich bedankt, dass ich mich geoutet habe, weil sie sich beinahe eingesperrt gefühlt haben mit diesem Thema.

SZ: Behandeln Sie die Leute jetzt anders? Vorsichtiger? Freundlicher?

Schwemmbauer: Ich spüre schon Teilnahme. Manche gehen sehr offen damit um und andere wissen nicht, was sie sagen sollen. Dann spreche ich das Thema selber an. Ich habe ja nicht die Pest oder die Cholera, nichts Ansteckendes. Wenn man offen miteinander umgeht, ist das für ein Gespräch sehr befreiend.

SZ: Im Rückblick: War es richtig, die Krankheit öffentlich zu machen?

Schwemmbauer: Das ging gar nicht anders. Als Landrat steht man in der Öffentlichkeit, da kann man nicht jeden zweiten Tag in der Zeitung erscheinen, gesund und munter, und dann von einem auf den anderen Tag seinen Rücktritt verkünden. Ich hätte im Juni 2011 nicht einfach sagen können, dass ich aus gesundheitlichen Gründen aufhöre. Da hätten alle spekuliert, was ich denn habe. Also habe ich in Absprache mit meiner Familie beschlossen, in die Offensive zu gehen.

SZ: Hat Sie Ihre Krankheit denn beeinträchtigt?

Schwemmbauer: Nein. Ein Landrat sollte klar bei Verstand sein, und da fühle ich mich nicht beeinträchtigt. Aber die Welt besteht nicht nur aus Politik, auch wenn ich sie viele Jahre lang mit Leidenschaft betrieben habe. Man muss merken, wenn die Grenzen erreicht sind. Ich höre präventiv auf. Wenn mir mein Arzt zu mehr Bewegung rät und ich sitze von morgens sieben bis abends 22 Uhr im Auto, im Büro, in Sitzungen, dann passt das nicht zusammen.

SZ: Darf man als Politiker keine Schwäche zeigen?

Schwemmbauer: Das ist wohl ein Tribut, das der Mensch vom Politiker verlangt. Aber ich bin schon der Meinung, dass man Schwäche zeigen kann. Ich glaube sogar, dass Politiker Fehler machen dürfen, sie müssen nur hinterher auch dafür einstehen, was vom Bürger verstanden und akzeptiert wird.

SZ: Haben Sie welche gemacht?

Schwemmbauer: Ich habe die Lebenserfahrung gemacht, dass nicht alle Menschen so positiv denken wie ich, dass jemand intrigant sein kann oder taktiererisch. Ich habe immer das Gute im Menschen vorausgesetzt und bin damit manchmal gescheitert. Im Lauf der Jahre konnte ich das besser einschätzen.

SZ: Hadern Sie mit Ihrer Krankheit, weil Sie Ihnen zwei Jahre Amtszeit nimmt? Sind Sie politisch fertig geworden?

Schwemmbauer: Die Politik hört niemals auf! Es war nicht die leichteste Entscheidung, frühzeitig aufzuhören, schließlich habe ich bei meiner Wiederwahl 2008 gedacht, dass ich mit 70 noch topfit bin. Sich einzugestehen, dass es nicht mehr geht, ist das Harte an der Angelegenheit. Natürlich gäbe es noch viel zu tun, wie die demographischen Herausforderungen oder dass wir uns um unsere Krankenhäuser kümmern müssen. Aber das macht mich nicht verrückt. Diese Probleme hätte ich in zwei Jahren auch nicht lösen können.

SZ: Die Eitelkeit hätte manchem Politiker geboten weiterzumachen.

Schwemmbauer: Das wollte ich meinem Ich und meinem Körper nicht antun. Und nach 55 Berufsjahren ist es nicht verwerflich, in den Ruhestand zu gehen.

SZ: Haben Sie keine Angst vor dem Ruhestand? Vor der Leere? Oder einfach vor der Krankheit?

Schwemmbauer: Ich fürchte mich nicht. Es ist nicht jedem vergönnt, 100 Jahre alt zu werden. Ich lebe jetzt viel bewusster und genieße jeden Tag. Ich werde in kein Loch fallen. Ich habe fünf Hektar Wald, ich werde Fahrrad fahren, und auf dem Golfplatz werde ich schon umworben. Und ich werde weiter den Bürgermeister-Chor leiten. Im Oktober machen wir eine Reise nach Oberbayern und singen in der Wieskirche. Wie immer für einen guten Zweck.

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