Landkreis Fürth:Berlin wurde mal von Cadolzburg aus regiert

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Die Hohenzollern haben viele Spuren in Franken hinterlassen - und legten hier den Grundstein für ihre Macht über Preußen.

Von Olaf Przybilla

Vor zwei Monaten ist das Museum auf der Cadolzburg eröffnet worden. In diesem Kastell haben die Hohenzollern, die deutsche Dynastie schlechthin könnte man sagen, ihren entscheidenden Karrieresprung gemacht. Hier, in einer schon damals überschaubaren Ortschaft, stiegen die Zollern in den Kreis der Kurfürsten des Reiches auf. Sie durften künftig den König küren, jenen Herrscher also wählen, der hernach in Rom zum Kaiser gekrönt wurde. Geschichte wird man nie als eine Abfolge gleichsam zwangsläufiger Konsequenzen erzählen können. Und doch: Hätten die Hohenzollern diesen Karrieresprung nicht gemacht in der fränkischen Provinz - aus ihnen wäre womöglich nie das Geschlecht geworden, das später das deutsche Kaiserreich dominiert hat.

Dass diese Burg erst jetzt als ein auch touristisch erlebbarer Ort deutscher Geschichte entdeckt worden ist, trägt schon fast unwirkliche Züge. Ja, die Burg wurde im Zweiten Weltkrieg schwer getroffen. Dass aber eine entscheidende Station der prägenden deutschen Dynastie über Jahrzehnte förmlich vergammelte, würde man einem Briten oder Holländer wohl niemals hinreichend erklären können. Es ist ja schon Einheimischen schwer zu vermitteln: Wenn diese Cadolzburg so wichtig sein soll - warum hat man dann über Jahrzehnte kaum etwas gehört davon? Tja.

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Von Olaf Przybilla

Man müsste nun davon erzählen, dass die Cadolzburg in Franken liegt, was wiederum seit mehr als zwei Jahrhunderten einem Land angehört, dessen Geschichtsschreibung sich mit Vorliebe jenem Geschlecht zuwandte, das dieses Land auch regiert hat: Wittelsbach. Es ist der Landes-Historiografie in Bayern auch gar nicht zur Last zu legen, dass sie sich deutlich stärker am Hause Wittelsbach orientierte. Schließlich gab es im 19. Jahrhundert auch eine preußische Geschichtsschreibung, die sich durchaus dafür interessieren durfte, wo die Zollern zum Karrieresprung angesetzt hatten - sollten die sich doch kümmern um die Cadolzburg! In der Wahrnehmung der Menschen fielen spätestens im 20. Jahrhundert zwei Dinge auseinander: hier Bayern, historisch dominiert von Wittelsbach. Dort Preußen, wo die Hohenzollern ihre Spuren hinterlassen haben. Die Preußen-Herrscher in Franken? Das war eher etwas für historische Oberseminare.

Aber selbst in Seminargebäuden bayerischer Universitäten dürfte die Zahl derer überschaubar sein, die auf Anhieb sämtliche Orte, an denen die Hohenzollern im heutigen Land Bayern prägende Spuren hinterlassen haben, aufzählen können. Als einzelnes Phänomen kennen diese Orte viele, das schon. Dass es aber das Preußen prägende Geschlecht war, das sie miteinander verbindet, wissen wenige. Schon wenn man nur die Wichtigsten aufzählt, kommt ähnlich viel Kulturgut zusammen, wie in manchem europäischen Mittelstaat.

Da ist die Nürnberger Kaiserburg, wo die Zollern als Burggrafen regierten. Da ist das Schloss Ansbach, von wo aus ein Reichsterritorium regiert wurde. Da ist die Universität Erlangen mit ihren Prachtbauten, die von Hohenzollern gegründet wurde. Da ist die Grablege von Heilsbronn, ein Kleinod im windstillen Westmittelfranken, in dem wohl die wenigsten bedeutende Hohenzollern-Herrscher vermuten dürften. Und da ist natürlich das Welterbe der Wilhelmine in Bayreuth: das Markgräfliche Opernhaus und allerlei andere Prunkbauten von kunsthistorischem Rang. Preußische Hochkultur mitten in Bayern.

Die Internetseite "Hohenzollern-Orte" führt 79 Stationen auf, die für den Karriereweg der Dynastie an die Spitze des Reiches bedeutsam waren. 57 davon erzählen von Orten in Franken. Das ist, bei allem Respekt, nun doch eine leicht unproportionierte Verzeichnung, so bedeutend war Franken für das Preußen-Geschlecht wieder nicht. Sie lässt aber tief blicken: In dieser Aufzählung fehlen die herausragenden Orte preußischer Machtrepräsentanz - Berlin und Potsdam - praktisch vollends. Was nur darauf schließen lassen dürfte, dass man dort, in Sanssouci etwa, auf eine Erwähnung in einer gemeinsamen Liste mit Cadolzburg, Langenzenn und Himmelkron keinen Wert legt. Oder sich eine solche womöglich gar verbeten hat. Berlin wurde mal von Cadolzburg im Landkreis Fürth aus regiert? Das ist keine Information, auf die sie in Berlin immer schon gewartet haben. Ein fränkisches Schicksal.

Bei Wilhelmine, der Lieblingsschwester Friedrichs des Großen, hat das alles schon so angefangen. Auch die Prinzessin, die Bayern ein späteres Weltkulturerbe bescheren sollte, hatte anfänglich einen eher bescheidenen Eindruck vom schönen Land der Franken. Sie näherte sich direkt vom vornehmen Berliner Hof ihrer künftigen Heimat und was sie, von Nordosten kommend, dort als erstes vor Augen bekam, hörte ebenfalls ganz anheimelnd auf den Namen "Hof".

Hof in Oberfranken allerdings. Ihre Gedanken dazu hat die Königstochter in Memoiren niedergeschrieben: Wie ihr da etwa 1732 drei Dutzend Adelige als Empfangskomitee gegenüberstanden, die sich eher nicht comme il faut präsentierten: "Sie sahen alle aus wie der Knecht Ruprecht; statt der Perücken ließen sie ihre Haare tief ins Gesicht hineinfallen und Läuse hatten in diesen Strähnen seit undenklichen Zeiten ihren Wohnsitz." Man hätte diese Herrschaften durchaus "für Bauernlümmel halten können", notiert Wilhelmine. Zeitlebens sollte die Beziehung der Preußin, toupiert, zu den Franken, verlaust, von Irritationen geprägt sein. Denn in Bayreuth, der Heimat des Markgrafen Friedrich, ihres Gatten, war es auch nicht viel besser als in Hof.

Trotzdem oder gerade deshalb nahm die Geschichte eine historische Wendung. Ja, die Markgräfin war angeödet im fränkischen Kleinfürstentum. Aber sie tat auch etwas dagegen. Sie tat sogar so viel dagegen, dass sich Bayreuth ihretwegen heute Weltkulturerbestadt nennen darf, ein Titel, mit dem sich die Hauptstadt der Wittelsbacher bekanntlich nicht schmücken darf. Wilhelmines Ehemann, der Markgraf Friedrich von Brandenburg-Bayreuth, hatte ein gewisses Verständnis signalisiert für den Frust der Gemahlin. Jedenfalls stand er deren Plan, es sich in Franken etwas komfortabler einzurichten, nicht grundsätzlich im Wege. Wilhelmine durfte sich zur bedeutendsten Bauherrin ihrer Zeit entwickeln. 2012 wurde das Markgräfliche Opernhaus Welterbe.

Seit die Cadolzburg vor neun Wochen wiedereröffnet wurde, haben sich mehr als 20 000 Besucher angeschaut, wo die Zollern ihren entscheidenden Schritt als Dynastie gemacht haben. Für einen historischen Ort, der lange im Bewusstsein selbst der Franken kaum noch existent war, ist das eine imposante Zahl. Dass deswegen gleich eine Renaissance sämtlicher historischer Preußen-Orte in Franken blühen könnte, wagt Sebastian Karnatz kaum zu hoffen. Da bleibt der Kunsthistoriker bei der Bayerischen Schlösserverwaltung, der für die Ausstellung auf der Cadolzburg verantwortlich zeichnet, Realist. Aber ein bisschen mehr Aufmerksamkeit für Kulmbach, Goldkronach, Abenberg und zwölf weitere historische Orte der Hohenzollern in Franken, das fände Karnatz dann doch "enorm wünschenswert". Mal sehen.

In Bayreuth zeugen allein drei Bauten vom Willen zum Preußen-Prunk: hier das Markgräfliche Opernhaus. (Foto: David Ebener/dpa)
© SZ vom 26.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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