Süddeutsche Zeitung

Landgericht München:Die Miesbacher Amigo-Affäre kommt vor Gericht

  • Im Jahr 2014 ist der frühere Miesbacher Landrat Jakob Kreidl über die Sponsoring-Affäre um sein Geburtstagsfest gestürzt.
  • Am 24. Oktober beginnt vor dem Landgericht München II die juristische Aufarbeitung des Skandals.
  • Auch der frühere Miesbacher Sparkassen-Chef Bromme und zwei weitere Sparkassen-Manager sind angeklagt.

Von Matthias Köpf und Christian Sebald

Es ist jetzt viereinhalb Jahre her, dass den früheren CSU-Politiker Jakob Kreidl sein 118 000 Euro teures Geburtstagsfest und die umstrittene Sponsoringpraxis der Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee alle seine Ämter gekostet hat. Am 24. Oktober beginnt nun vor dem Landgericht München II die juristische Aufarbeitung des Skandals. Außer Kreidl sind in dem Strafprozess der frühere Miesbacher Sparkassen-Chef Georg Bromme und zwei weitere Sparkassen-Manager angeklagt. Das Verfahren gegen einen fünften Beschuldigten, ebenfalls ein Sparkassen-Manager, wurde eingestellt.

Mit zwei weiteren Beschuldigten, einem früheren Miesbacher Vize-Landrat und einem Ex-Sparkassen-Manager, verhandelt die Staatsanwaltschaft auf Anregung des Gerichts über eine Rücknahme der Anklage. Im Zentrum des Prozesses stehen denn auch Kreidl und Bromme. Dem Ex-Politiker soll die Staatsanwaltschaft Untreue in 17 Fällen vorwerfen, davon zehn in Tateinheit mit Vorteilsnahme. Bei dem früheren Sparkassenchef soll die Anklage auf Untreue in 68 Fällen lauten, davon 37 in Tateinheit mit Vorteilsgewährung. Kreidl und Bromme wollten sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Bisher haben sie sich allerdings stets strikt dagegen verwahrt.

Die fürstliche Feier zu Kreidls 60. Geburtstag im Jahr 2012, welche die Sparkasse mit 77 000 Euro und der Landkreis Miesbach mit 33 000 Euro gesponsert hatten, ist nur ein Punkt in der Anklage. Die Staatsanwaltschaft soll außerdem 15 weitere Sachverhalte auflisten, die zeigen sollen, wie sehr die Angeklagten ihre Positionen in der Kreissparkasse oder in der Kommunalpolitik zu ihrem persönlichen Vorteil ausgenutzt haben sollen. Darunter soll ein 55 000 Euro teures Geburtstagsfest für einen früheren Vize-Landrat der Freien Wähler ebenso sein wie eine 85 000 Euro teure Bürgermeister-Fahrt nach Interlaken.

Diese Bürgermeister-Fahrt hatte bereits 2014 hohe Wellen geschlagen. Ihr offizieller Zweck soll nach SZ-Informationen "Informationsgewinnung im Bereich Regionalentwicklung" gewesen sein. Die Staatsanwaltschaft indes soll überzeugt sein, dass die dreitägige Schweiz- Reise mit Ausnahme von zwei zweistündigen Vorträgen ausschließlich touristischer Natur gewesen sein soll. Ex-Sparkassenchef Bromme, der seinerzeit kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Sparkassen-Vorstand stand, soll sie als seine "Abschlussfahrt" mit den führenden Kommunalpolitikern in der Region betrachtet haben.

Außerdem soll die Staatsanwaltschaft Bromme und Kreidl die beinahe 180 000 Euro teure Sanierung des Landratsbüros im Miesbacher Landratsamt anlasten, welche die Kreissparkasse finanziert hat. So wie auch einen merkwürdigen Grundstückshandel in Holzkirchen, bei dem die Sparkasse von der Gemeinde Bauland erworben und der Gemeinde danach insgesamt 400 000 Euro an Spenden überwiesen hat.

Honorar ohne Gegenleistung

Eine weitere Anschuldigung soll den Beratervertrag betreffen, den Kreidl und zwei Sparkassen-Manager mit Bromme für die ersten fünf Jahre nach dessen Ausscheiden aus dem Sparkassen-Vorstand geschlossen haben. Über die gesamte Laufzeit soll er mit mehr als 500 000 Euro dotiert gewesen sein. Bis zur außerordentlichen Kündigung des Vertrags im Juni 2014 soll Bromme 234 000 Euro Honorar erhalten haben, ohne entsprechende Gegenleistungen erbracht zu haben. Von 2008 bis 2013 sollen der Miesbacher Sparkasse durch diese und andere Untreuefälle ein Schaden von wenigstens 1,25 Millionen Euro entstanden sein.

Insgesamt musste die Sparkasse als Folge der Affäre noch weit mehr Geld ausgeben, darunter hohe Summen für Anwälte und Wirtschaftsprüfer. Zwischenzeitlich stand ein Gesamtschaden von weit mehr als fünf Millionen Euro im Raum. Ihre Haftpflichtversicherung, die auch ein Fehlverhalten des Managements abdeckt, hat der Sparkasse zwei Millionen Euro erstattet. Alle Schadenersatzansprüche gelten mittlerweile als erledigt.

Der Miesbacher Kreistag hat schon 2015 alle Forderungen des Landkreises an Kreidl für abgegolten erklärt. Im gleichen Jahr ist es der Sparkasse gelungen, eine besonders eigenwillige Anschaffung wieder zu verkaufen: Sie reichte die 96 Hektar große Geitauer Alm, die Bromme der Gemeinde Bayrischzell abgekauft hatte, an die Benediktinerabtei Scheyern weiter, die dort im Leitzachtal ihre Wurzeln hat.

Prozess bis Ende Januar 2019

Bisher sitzen geblieben ist die Sparkasse auf dem Psallierchor im Kloster Tegernsee, an dem Bromme für 1,5 Millionen Euro ein "immerwährendes Nutzungsrecht" erworben hatte. Die ursprüngliche Apsis der Klosterkirche war abgetrennt und zuletzt von der Familie Wittelsbach als Bibliothek genutzt worden. Sie ist schwer zugänglich und daher auch kaum öffentlich nutzbar. Als Käufer kommt vor allem die Kirche in Frage, mit der es bisher aber keine Einigung gab.

Der Prozess gegen Kreidl, Bromme und die beiden anderen Sparkassen-Manager soll bis Ende Januar 2019 gehen. Bis dahin sind laut Gerichtssprecher Florian Gliwitzky 21 Verhandlungstermine anberaumt. Offen bleibt dagegen, wie das Strafverfahren gegen sechs weitere Beschuldigte weitergeht. Sie sind allesamt amtierende oder frühere Mitglieder des Sparkassen-Verwaltungsrats. Der prominenteste ist Kreidls Nachfolger als Landrat, der Grünen-Politiker Wolfgang Rzehak. Aber auch ein amtierender CSU-Bürgermeister einer Gemeinde am Tegernsee ist darunter, der frühere Chef der CSU-Kreistagsfraktion und ein namhafter Autohändler im Oberland.

Die Anklageschrift gegen die sechs soll am gleichen Tag wie die gegen Bromme, Kreidl und Co. an das Landgericht gegangen sein. Beobachter rechnen damit, dass es erst nach dem Ende dieses Prozesses über die Zulassung der zweiten Anklage entscheiden wird. Gegen Kreidl und Rzehak als kommunale Wahlbeamte laufen zudem Disziplinarverfahren. Die Landesanwaltschaft hat sie im Frühjahr auf Grundlage der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen eröffnet und gleich wieder ausgesetzt, bis der Strafprozess abgeschlossen ist.

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Quelle:
SZ vom 11.10.2018/vewo
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