ProzessauftaktMord im Seniorenheim? Pfleger soll Bewohnerin durch Insulinspritze getötet haben

Lesezeit: 3 Min.

Der angeklagte Altenpfleger (links) neben seinen Verteidigern Moritz Bode und Anna Stahn. Er muss sich am Landgericht Landshut unter anderem wegen Mordes verantworten.
Der angeklagte Altenpfleger (links) neben seinen Verteidigern Moritz Bode und Anna Stahn. Er muss sich am Landgericht Landshut unter anderem wegen Mordes verantworten. (Foto: Malin Wunderlich/dpa)

Der frühere Mitarbeiter eines Pflegeheims im Landkreis Freising soll zudem zweimal versucht haben, noch eine weitere Seniorin zu töten. Der Notarzt konnte sie retten. Zum Prozessauftakt am Landgericht schweigt der 36-jährige Angeklagte.

Von Alexander Kappen, Landshut

Es spreche einiges dafür, dass der Angeklagte die Taten begangenen habe, „sonst hätten wir das nicht zur Hauptverhandlung zugelassen“, sagt Vorsitzender Richter Ralph Reiter. Und es gebe einige Fragen, zu deren Aufklärung der Angeklagte beitragen könne, etwa die nach dem Motiv. Vor allem für die Angehörigen sei das sicher von Bedeutung. Doch der heute 36-jährige Altenpfleger, der sich vor der als Schwurgericht tagenden ersten Strafkammer des Landgerichts Landshut unter anderem wegen Mordes verantworten muss, schweigt zum Prozessauftakt am Montag zu den erhobenen Vorwürfen.

Die Staatsanwaltschaft legt ihm zur Last, im November 2023 in einem Pflegeheim im oberbayerischen Landkreis Freising eine 90-jährige Bewohnerin, die keine Diabeteserkrankung hatte, durch das Spritzen von Insulin heimtückisch getötet zu haben. Zudem soll er Anfang 2024 einer Bewohnerin des Heims in zwei Nächten, obwohl es zu diesen Zeitpunkten nicht indiziert war, ebenfalls jeweils eine große Menge Insulin verabreicht haben, „um diese zu töten“. Nur durch das Eingreifen des Notarztes, der vom Angeklagten selbst gerufen wurde, sei ein tödlicher Ausgang vermieden worden.

Der gebürtige Ingolstädter soll laut Anklage schon früher auffällig geworden sein. Im Februar 2023, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, sperrte er auf der geschlossenen Geronto-Station des Pflegeheims eine Bewohnerin in ihrem dunklen Zimmer ein, bis sie – verängstigt und um Hilfe schreiend – von einer anderen Pflegekraft dort gefunden wurde. Bereits im August 2020 soll er eine im Sterben liegende Bewohnerin in ihrem Zimmer zurückgelassen haben, ohne eine adäquate medizinische und pflegerische Versorgung zu veranlassen. Wenige Stunden später starb die 86-Jährige.

Neben Mord muss sich der Pfleger nun wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, vorsätzlicher Körperverletzung durch Unterlassen sowie Freiheitsberaubung verantworten.

Zu klären sei in dem Prozess, für den vier weitere Verhandlungstage angesetzt sind, „welchen Einfluss die bekundete psychiatrische Vorgeschichte des Angeklagten vielleicht auf die Taten gehabt hat“, so der Vorsitzende. Sofern die Kammer am Ende der Beweisaufnahme von seiner Schuld überzeugt sei.

Schon in seiner Kindheit war der Angeklagte ein Einzelgänger

Während er zu den Vorwürfen nichts sagt, gibt der Angeklagte zu seinen persönlichen Verhältnissen bereitwillig Auskunft. In unregelmäßigen Abständen sei er wegen Depressionen in psychiatrischer Behandlung gewesen, sagt er. Schon in der Schule sei er gemobbt worden, „weil ich nie zu meinen Schulkameraden hingegangen bin und immer mein Zeug allein gemacht habe“. Unordnung habe ihn geärgert, „und das habe ich in mich reingefressen“. Später wurde bei ihm eine Autismus-Spektrum-Störung festgestellt.

Auch im Berufsleben war er offenbar ein Einzelgänger. In seinem früheren Job als Schreiner sei er ebenfalls gemobbt worden, sagt er. Schließlich machte er eine Ausbildung zum Altenpfleger und fing 2020 in dem Seniorenheim im Kreis Freising an, wo er vornehmlich Nachtschichten übernahm.

Ehemalige Kollegen beschreiben den Angeklagten als distanziert und verschlossen. „Ich habe ihn einfach komisch gefunden“, sage eine Zeugin. Der ehemalige Pflegedienstleiter des Heims soll bei der Polizei berichtet haben, dass immer Patienten gestorben seien, wenn der Angeklagte Dienst hatte. Als ihm der Richter das in Verhandlung vorhält, relativiert der Zeuge das ein wenig: „Nachts sterben mehr Patienten als am Tag. Und bei vielen ist es zu erwarten gewesen.“

Allerdings, auch das berichtet er, habe der Angeklagte „in der Früh eher in einer lustigen Art davon erzählt, wenn in der Nacht wieder wer gestorben ist“. Dass der 36-Jährige laut Akten unter Kollegen den Spitznamen „Sensenmann“ gehabt haben soll, kann der Pflegedienstleiter dem Gericht nicht bestätigen.

Es geht in dem Prozess auch darum, wer in dem Heim Zugriff auf das Insulin hatte

Eine zentrale Rolle spielt in dem Prozess, wer in dem Seniorenheim Zugriff auf das Insulin hatte. Grundsätzlich habe die Schlüssel zu den Schränken nachts der Angeklagte als Fachkraft gehabt, berichten Mitarbeiter. Allerdings sei der Schlüsselbund schon mal in einer Schublade im Stationszimmer gelegen. Auch könne es vorgekommen sein, dass bereits angebrochene Packungen dort am Tisch lagen.

Die Seniorin, die der Angeklagte getötet haben soll und die offenbar an einer Lungenentzündung litt, kam in der betreffenden Nacht noch ins Krankenhaus, nachdem er selbst den Notarzt gerufen hatte. Dort starb sie drei Tage später. Eine in der Klinik entnommene Blutprobe ergab einen ungewöhnlich hohen Insulinwert. Dadurch wurden die Ermittlungen angestoßen.

Anfang 2024 bekam der Pfleger in dem Heim ein Arbeitsverbot. Bis November war er wegen Depressionen krankgeschrieben, ehe er in einem Heim in Niederbayern als Pfleger arbeitete. Im Februar 2025 wurde er festgenommen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Neuer politischer Kampfbegriff
:Was ist falsch an diesem „Stadtbild“?

Das Erscheinungsbild der Städte müsse sich ändern, sagt Markus Söder. Die AfD sagt das schon lange, denn es geht ja um: Migration. Aber was ist dieses „Stadtbild“ eigentlich? Über einen neuen deutschen Kampfbegriff – und was man in Deggendorf und Regensburg darüber lernen kann.

SZ PlusVon Andreas Glas

Lesen Sie mehr zum Thema

  • Medizin, Gesundheit & Soziales
  • Tech. Entwicklung & Konstruktion
  • Consulting & Beratung
  • Marketing, PR & Werbung
  • Fahrzeugbau & Zulieferer
  • IT/TK Softwareentwicklung
  • Tech. Management & Projektplanung
  • Vertrieb, Verkauf & Handel
  • Forschung & Entwicklung
Jetzt entdecken

Gutscheine: