Landgericht Bayreuth:Tödliche Schläge gegen ein Baby

Das Neugeborene starb, der Bruder ist schwerstbehindert: Zum Prozessauftakt gesteht eine 22-jährige Mutter aus Pegnitz, ihre Kinder misshandelt zu haben.

Olaf Przybilla

Zwei Jahre alt ist Raphael. Und wenn es stimmt, was eine Krankenschwester über ihn berichtet, dann muss sein Leben wie ein dunkler Tunnel sein. Kommunizieren könne Raphael nicht und vermutlich, sagt sie, werde er das auch niemals lernen. Raphael muss rund um die Uhr versorgt werden, er leidet unter einer schweren Schädigung seines Hirns und muss künstlich beatmet werden.

Tochter erschlagen: Mutter gesteht zu Prozessbeginn

Im Gerichtssaal des Landgerichts Bayreuth verbirgt die 22-jährige Angeklagte Melanie F. ihr Gesicht hinter einer Aktenmappe.

(Foto: dpa)

Warum das so ist, war der Krankenschwester lange nicht klar. Bis die Mutter von Raphael, eine 22 Jahre alte Reinigungskraft aus Pegnitz in Oberfranken, bis diese Mutter ihre sieben Tage alte Tochter Amelie erschlagen hat. Und bis sie eingeräumt hat, dass sie Raphael kurz nach dessen Geburt im Krankenhaus so heftig geschüttelt habe, dass dessen Hirn irreparabel geschädigt wurde dabei.

Seit Mittwoch muss sich die Kindsmutter vor dem Schwurgericht in Bayreuth verantworten, die Anklage lautet auf schwere Körperverletzung, Misshandlung Schutzbefohlener und Totschlag. "Dann bin ich mit Amelie ins Wohnzimmer gegangen und da ist es dann halt passiert", sagt sie. Der Vorsitzende Richter unterbricht: "Sie sagen: Es ist passiert, was meinen Sie damit?"

Weil Amelie nicht habe aufhören wollen zu schreien, habe sie ihre sieben Tage alte Tochter mit der flachen Hand auf den Kopf geschlagen, antwortet die Angeklagte. Der Gerichtsmediziner wird später fragen, ob sie bei der Aussage bleibe, obwohl der Befund der Obduktion etwas anderes nahelege, aber bestimmt keinen Schlag mit der flachen Hand. Sie antwortet: "Ja."

Der Gerichtsmediziner wird sein Gutachten erst in den nächsten Verhandlungstagen vortragen; am Mittwoch aber hat bereits eine Ärztin als Zeugin ausgesagt. Was sie schildert, legt ebenfalls nahe, dass die Mutter Amelie beileibe nicht so geschlagen hat, wie sie es nun einräumt.

Die Ärztin, die Amelie am 10. Oktober 2009 in der Klinik untersuchte, berichtet von Blutergüssen am Kopf von Amelie, "vorne, hinten und an der Seite", sagt die Ärztin. Ob sie die Mutter zur Rede gestellt habe, was mit dem Säugling passiert sei, fragt der Richter. "Nein, das wollte ich gar nicht wissen", sagt sie.

Nach dem ersten Verhandlungstag zeichnet sich in Bayreuth ein geradezu verstörendes Bild ab. Das eine ist, dass da eine Mutter ihr erstgeborenes Kind noch in der Klinik so lange geschüttelt hat, dass dieses zum Pflegefall geworden ist. Dann aber hat diese Mutter ihre Tat mehr als ein Jahr verschwiegen und sich noch als Opfer dargestellt.

Danach erschlägt diese Mutter in ihrer Wohnung ihre Tochter, während sich eine Krankenschwester im Zimmer nebenan um den schwerstbehinderten Sohn kümmert. Und hernach läuft diese Mutter auf die Straße und ruft: "Ich habe es gewusst, dass das passiert, ich habe es gewusst."

Was aber Zeugen berichten, das hört sich völlig anders an. Eine Ärztin aus der Klinik, in der Raphael in den ersten Monaten seines Lebens behandelt wurde, beschreibt, wie fürsorglich sich die damals 20 Jahre alte Frau gekümmert habe um ihren Sohn: Stundenlang habe sie ihn im Arm gehalten und liebkost.

Die Krankenschwester, die sich um Raphael kümmerte, während die Mutter im Zimmer nebenan war, berichtet von einer liebevoll sich aufopfernden Frau, die ihren Sohn, soweit es irgendwie ging, selbst pflegen wollte, auch während der Schwangerschaft und nach der Geburt von Amelie. Eine andere Krankenschwester fügt hinzu: "Ich kenne Familien, die gehen mit Schwerstbehinderten ganz anders um."

Sie habe sich überfordert gefühlt, sagt die Angeklagte. Ob sie Angst gehabt habe zu versagen, wird sie gefragt. "So in der Art", sagt sie. Ob sie der Meinung sei, man müsse Säuglinge nur fest genug schlagen, damit sie aufhören zu weinen, fragt ihr Anwalt. "Nein", antwortet sie. Der Prozess wird heute fortgesetzt.

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