Frauenhäuser und Notrufe für weibliche Gewaltopfer sind aus Sicht der Landtags-Grünen "chronisch unterfinanziert". In der Folge fehle es sowohl an Beratungskräften als auch an dringend benötigten freien Plätzen in den Notunterkünften. Viele Frauen in Bayern müssten deshalb zu ihren gewalttätigen Partnern zurückkehren.
Der Staatsregierung sei diese Problematik dank einer vom Sozialministerium in Auftrag gegebenen Studie längst umfänglich bekannt. "Aber der Wille, diesen Frauen zu helfen, ist nicht erkennbar", kritisierte Verena Osgyan, die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, am Mittwoch in München. Und das sei "eine Schande".
Häusliche Gewalt:Zu wenig Frauenhäuser in Bayern
Jede zweite Frau in Notlage kriegt keinen Platz, es fehlt am Personal. Das Sozialministerium verspricht ein Gesamtkonzept, fühlt sich aber nur halb zuständig.
In einem Paket aus sieben Anträgen fordern die Grünen nun staatliche Investitionen in Höhe von jährlich vier bis fünf Millionen Euro für den Schutz von gewaltbedrohten Frauen und ihren Kindern, "um den Bedarf wenigstens einigermaßen zu decken". Mit diesem Geld sollten unter anderem mehr professionelle Beratungskräfte angestellt werden können. Von Bayerns Frauenhäusern und Frauennotrufen werden die aktuellen Forderungen der Grünen mitgetragen. "Unser aller Ideal ist es, keine Frau in Not abzuweisen", betonte Maike Bublitz, die Geschäftsführerin des Frauennotrufs in München. Doch auch freiwillig geleistete Überstunden helfen offenbar nicht, dieses Ziel auch nur annähernd zu erreichen.
Wie die im Februar 2016 herausgegebene Studie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ergab, mussten 2014 in Bayern in mehr als 2800 Fällen Frauen aus Platzgründen von Frauenhäusern abgewiesen werden. Und diese Studie des Instituts für empirische Soziologie (ifes), kritisierte Osgyan, habe die Staatsregierung im vergangenen Jahr erst freigegeben, nachdem die Opposition im Landtag Druck gemacht habe. Allein öffentlichem Druck sei es zudem zu verdanken, dass schließlich auch die Förderung der Frauenhäuser um 200 000 Euro pro Jahr erhöht wurde.
Nach Ansicht der Grünen hätten es jedoch allein für den Sofortbedarf gut 1,3 Millionen Euro sein müssen. "Ein Tropfen auf den heißen Stein", sagt Osgyan also über die letzte Erhöhung, schon angesichts der Tatsache, dass die Zahl bekannt gewordener Fälle häuslicher Gewalt rasant gestiegen seien - allein von 2002 bis 2012 um 30 Prozent. Die 33 staatlich geförderten Frauennotrufe seien 2016 indes mit keinem zusätzlichen Cent bedacht worden.
Platz ist nur für die Hälfte der Hilfesuchenden
Dabei - zu diesem Schluss kommt auch die ifes-Studie - gebe es dringenden Handlungsbedarf. Hochgerechnet seien im Freistaat jährlich mindestens 90 000 bis 140 000 Frauen von körperlicher und/oder sexueller Gewalt durch ihre aktuellen oder früheren Partner betroffen. Viele dieser Fälle geraten laut Osgyan gar nicht ins Bewusstsein der Öffentlichkeit, da die misshandelten Frauen aus Scham schweigen. Doch selbst wenn nur ein Bruchteil von ihnen schließlich in den insgesamt 40 Frauenhäusern Hilfe suche, für die Hälfte von ihnen gebe es dort keinen Platz.
Indes erklärte auch Sozialministerin Emilia Müller auf Nachfrage: "Es ist mir ein großes Anliegen, dass ausreichend Platz in Frauenhäusern zur Verfügung steht." Gewalt gegen Frauen sei "nie akzeptabel", sagte die Ministerin. Ihr Haus arbeite derzeit mit den Kommunen und allen Beteiligten daran, "Lösungen zu finden, wie wir Plätze in den Frauenhäusern schaffen können". Dafür setze sie sich persönlich im Landtag ein. Aus dem Sozialministerium heißt es allerdings auch: "Das Unterstützungssystem für gewaltbetroffene Frauen ist im Rahmen der Daseinsvorsorge in allererster Linie Aufgabe der Landkreise und kreisfreien Städte."
Weite Wege in ein Frauenhaus
Die Staatsregierung unterstütze jedoch die Kommunen und beteilige sich an den Personalkosten der Frauenhäuser. "So stehen für das Jahr 2017 rund 1,2 Millionen Euro zur Verfügung - 20 Prozent mehr als 2016", sagte eine Sprecherin des Ministeriums. Und was die Förderung der Frauennotrufe betreffe, da stünden 2017 rund 535 000 Euro bereit.
"Wir sind systematisch unterfinanziert", sagt jedoch Sabine Böhm. Die Nürnberger Traumafachberaterin leitet in ihrer Heimatstadt nicht nur die Beratungsstelle für gewaltbetroffene Frauen und Mädchen, sie ist zugleich auch Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft der Frauennotrufe und Frauenberatungsstellen in Bayern. In dieser Eigenschaft bekommt sie auch mit, wie von Gewalt betroffene Frauen auf dem Land oft weite Strecken zurücklegen müssten, um zum nächsten Frauenhaus zu gelangen. Noch schwerer sei es für Frauen und Mädchen mit Behinderung. Gerade sie aber würden oft zu Opfern von körperlicher und sexueller Gewalt. Böhms Fazit: "Wir brauchen mehr staatliche Unterstützung.