Landespolitik:Wie die Bayern-SPD sich die schlechten Umfragewerte erklärt

Außerordentlicher Parteitag SPD Bayern

Ein neues Gesicht für Bayern: Spitzenkandidatin Natascha Kohnen an der Seite von SPD-Generalsekretär Uli Grötsch.

(Foto: Lino Mirgeler/dpa)

Zuletzt ist die Partei auf einen historischen Tiefstand gefallen. Während andere Genossen bereits geübt sind in der Interpretation, hüllt sich Spitzenkandidatin Natascha Kohnen in Schweigen.

Von Andreas Glas, Lisa Schnell und Claudia Henzler

Tiefer, so dachten einige, könne die SPD in den Umfragen nicht mehr fallen, da kam am Mittwoch der Bayerntrend des BR-Politikmagazins "Kontrovers". Demnach stehen die Sozialdemokraten bei nur noch zwölf Prozent. Ihre Themen Wohnen und soziale Ungleichheit beschäftigen die Menschen, das zeigen die Zahlen, bloß die SPD profitiert davon nicht.

Warum das so ist, dafür gibt es in der Partei viele Erklärungen. Nur nicht von derjenigen, die solche Zahlen am meisten alarmieren müssten: Natascha Kohnen, Spitzenkandidatin und SPD-Landeschefin. Sie weilt am Donnerstag in Prag und führt dort politische Gespräche über die Gefahren der Droge Chrystal Meth. Der enge Zeitplan lasse keinen Kommentar zu, heißt es. Auch nicht zum Unwohlsein in den eigenen Reihen. Etwa 22 Prozent der SPD-Anhänger sind mit ihrer Partei unzufrieden.

Andere Genossen sind mittlerweile geübt in der Erklärung unangenehmer Umfragen, wenngleich nicht überrascht von den neuen Zahlen. Ulrich Maly, SPD-Oberbürgermeister von Nürnberg, etwa: "Das ist natürlich unschön, aber nicht wirklich unerwartet." Nach den Wirren, die nach der Bundestagswahl ausgebrochen seien, habe sich die Partei noch nicht sortiert. "Die inhaltliche Trauerarbeit ist natürlich noch nicht beendet." Dass sich der Bundestrend in Bayern mit einem Abschlag nach unten durchschlägt, sei normal. Hinzu komme, dass Ministerpräsident Markus Söder "mit der Tendenz zur Hyperaktivität ein großes Feuerwerk abbrennt", bei dem für Kohnen wenig Raum bleibe. Die Wirkung des Söderschen Feuerwerks konnte am Tag der Regierungserklärung im Landtag beobachtet werden. Bei einigen Sozialdemokraten blickte man in verblüffte Gesichter. Was sie da vernahmen, kam ihnen sehr bekannt vor aus dem eigenen Forderungskatalog. Immerhin hätten sich einige der guten Ideen der SPD durchgesetzt, sagte ein Abgeordneter. "Jetzt lässt er Bratwürste regnen", analysierte ein anderer Söders Strategie.

Uli Grötsch aber hat die Zuversicht nicht verloren. "Die CSU wird die Landtagswahl nicht gewinnen, wenn sie der SPD dauernd alles nachplappert", sagt der SPD-Generalsekretär. Er vertraut darauf, dass die Wähler das Original wählen. Außerdem gebe es ja durchaus Unterschiede. "Gerade beim Thema Wohnen hat die CSU den Schuss nicht gehört", sagt Grötsch. Söder kündigte 10 000 Wohnungen an, die eine neue staatliche Wohnungsbaugesellschaft bis 2025 bauen soll, die SPD fordert in den nächsten fünf Jahren 25 000 pro Jahr. Manch einer in der Fraktion ist der Meinung, es sei jetzt Zeit, neben dem Thema Wohnen noch ein weiteres auf das Tableau zu heben. Grötsch verweist da auf den Parteitag der SPD Mitte Juni, wenn sie ihr Wahlprogramm verabschieden will. Darauf könnten sich die Menschen in Bayern freuen. Es werde etwa eine deutliche Ansage geben, wie Bayern auch in Zukunft das sicherste Bundesland bleiben könne. Auch Integration werde im Wahlkampf noch eine Rolle spielen.

Söder allerdings kann als Ministerpräsident schon jetzt handeln, im September, einen Monat vor den Wahlen, sollen Familien und Pflegebedürftige Geld vom Staat auf ihren Konten haben. Die so Beschenkten werden sich freuen, das glaubt Grötsch auch. Dass sie sich einfach kaufen lassen, glaubt er aber nicht: "Die Menschen erwarten sich von Politik schon mehr, als kurz vor der Wahl mit großspurigen Ankündigungen daherzukommen." Etwa eine nachhaltige Politik und eine des Zusammenhalts. Söder spalte die Gesellschaft mit der Kreuz-Pflicht für Behörden, der dem Bayerntrend zufolge 56 Prozent der Bayern zustimmen. Kohnen aber führe zusammen.

Sie sei die richtige Spitzenkandidatin, sagt Gisela Niclas, SPD-Stadträtin in Erlangen. Kohnen habe deutlich gemacht, dass "die Menschen, wenn es um Politik geht, diese markigen Sprüche nicht mehr wollen und dass Politik auch anders geht". Eine Linie, mit der Kanzlerin Angela Merkel lange erfolgreich gewesen sei. "Das muss sich erst mal entfalten", glaubt sie. Andere in der Landtagsfraktion zeigen sich erfreut darüber, dass Kohnen, die sich nie an der CSU abarbeiten wollte, zuletzt mehr in die Offensive ging und nun versucht, die Unterschiede zur CSU deutlicher herauszustellen. In ihrer Rede zur Wahl des Ministerpräsidenten schaffte sie es, den großen politischen Bogen zu spannen, während ihre Oppositionskollegen von Alpenhummeln und der Düngeverordnung sprachen.

Dass sie gegen Söder im fiktiven Fall einer Direktwahl weit hinten läge, hänge auch damit zusammen, dass Kohnen zu wenige kennen, sagt Thomas Jung, Oberbürgermeister von Fürth: "Die Södersche Bekanntheit ist überragend." Um das zu ändern, sagt er Kohnen seine Unterstützung als erfolgreicher Kommunalpolitiker zu. Die Umfrage des BR habe ihn fassungslos gemacht. Dass die Grünen sich jetzt als Premiumopposition feiern? "Bitter", sagt Jung. Trost findet er darin, dass die Themen der SPD auch die seien, die die Menschen im Land bewegten: "Das gibt die echte Chance, aus dieser Stimmung auch Stimmen zu gewinnen." Auch die Asylpolitik beschäftigt die Menschen sehr, wie die Umfrage zeigt. Immer nur über Flüchtlinge zu reden, das aber helfe nicht, meint Jung und verweist darauf, dass die AfD trotz Söders Grenzpolizei in Umfragen weiterhin stark ist, sie liegt wie die SPD bei zwölf Prozent. Es sei wichtig, sich nicht von Schlagzeilen über Kreuz-Debatten ablenken zu lassen, sagt die oberfränkische Landtagsabgeordnete Inge Aures: "Man kann nicht mit Blick auf die anderen Punkte machen."

Ihr Landtagskollege Franz Schindler aus der Oberpfalz kann sich nicht erklären, warum die SPD gleich so "abgeschmiert" ist. Vielleicht liege es daran, "dass die Menschen einfache Antworten auf immer komplexer werdende Fragen wollen. Da tut sich eine SPD schwer, die den Anspruch hat, seriöse Politik zu betreiben." Draufhauen, nur um ein paar Prozent mehr zu bekommen, das dürfe nicht der Anspruch sein. Noch seien ja ein paar Monate Zeit bis zur Landtagswahl, die Hoffnung wolle er deshalb nicht aufgeben. Allzu hoch dürfe die SPD ihre Erwartungen an die Wahlen aber nicht hängen, rät die Regener SPD-Landrätin Rita Röhrl. Den Menschen zu beweisen, "dass wir uns um ihre Probleme kümmern und ein verlässlicher Partner sind", das brauche Zeit. "Es ist ein langer Weg, der noch einige Tränen und Schmerzen kosten wird."

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