Landespolitik:Regierungskrise an der Hotelbar

Landespolitik: In einer komplizierten Beziehung stehen Ludwig Spaenle (li.), Mechthilde Wittmann und Thomas Kreuzer zueinander. Wittmann wurde in Spaenles Münchner CSU-Bezirk degradiert. Die CSU-Abgeordnete ist die Lebensgefährtin von Fraktionschef Kreuzer, der mit Spaenle nicht gut kann.

In einer komplizierten Beziehung stehen Ludwig Spaenle (li.), Mechthilde Wittmann und Thomas Kreuzer zueinander. Wittmann wurde in Spaenles Münchner CSU-Bezirk degradiert. Die CSU-Abgeordnete ist die Lebensgefährtin von Fraktionschef Kreuzer, der mit Spaenle nicht gut kann.

(Foto: Kay Nietfeld/dpa, Nicolas Armer/dpa, Imago)
  • Die Bild-Zeitung berichtet, dass es an einer Hotelbar in Prag zu einem Streit zwischen Kultusminister Ludwig Spaenle und CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer gekommen sei.
  • Angeblich habe Kreuzer dem Minister vorgeworfen, nichts für Kreuzers Lebensgefährte Mechthilde Wittmann zu tun.
  • Bisher gibt es keine Bestätigung für den Vorfall. Es stellt sich die Frage, warum die Geschichte genau jetzt an die Öffentlichkeit dringt.

Von Frank Müller und Wolfgang Wittl

Es sollte ein gemütlicher Abend werden, genau deshalb hatten sich die etwa 50 Mitglieder der CSU-Landtagsfraktion an der Hotelbar eingefunden. Die Abgeordneten befanden sich auf Auslandsreise in Prag, es war Anfang Mai, man wollte den Tag entspannt ausklingen lassen. "Gute Beziehungen zu Tschechien weiter stärken", lautete der Titel der Fahrt. Auch Bildungsminister Ludwig Spaenle und Fraktionschef Thomas Kreuzer kamen an jenem Abend ins Gespräch. Doch von guten Beziehungen zwischen den beiden kann keine Rede mehr sein. Eher von einer Situation, die schon jetzt die ganze CSU und auch die Staatsregierung belastet.

Am Mittwoch berichtete die Bild-Zeitung, was sich an der Hotelbar zugetragen haben soll. Nahezu ganzseitig legt das Blatt dar, wie sich Spaenle und Kreuzer ins Gehege gekommen seien, mit klar verteilten Rollen. Fraktionschef Kreuzer sei der Attackierende gewesen, Spaenle der Attackierte. Anlass des angeblichen Streits: Kreuzers Lebensgefährtin Mechthilde Wittmann, Landtagsabgeordnete aus Spaenles CSU-Bezirksverband München.

Kreuzer habe Spaenle "lautstark" vorgeworfen, "nichts, aber auch gar nichts" für Wittmanns politisches Überleben zu tun. Und weiter: "Der Fraktionschef teilte dem verdatterten Spaenle barsch mit, sein Platz im Kabinett sei keineswegs sicher." Der Fraktionschef also soll einem der vier Superminister im bayerischen Kabinett beim gemeinsamen Bier mit Rauswurf gedroht haben? Eine Vorgehensweise, die sich - wenn überhaupt - allenfalls Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer herausnehmen dürfte?

Das Blatt beruft sich auf "mehrere Ohrenzeugen", schreibt von "Eklat" und "Kreuzer-Tirade". Seltsam ist nur, dass sich bislang niemand finden lässt, der diesen Vorfall bestätigt. In der CSU-Fraktion herrscht jedenfalls große Verwunderung über die vermeintlichen Vorkommnisse. "Wir waren bass erstaunt, jeder war überrascht", sagt ein Abgeordneter. Selbst CSU-Leute, die sich an diesem Abend in unmittelbarer Nähe von Spaenle und Kreuzer aufhielten, bekamen nichts mit. "Von einem lauten Streit hab ich nix vernommen", sagt einer. Einen "kurzen Disput" habe es gegeben, "aber im gepflegten Rahmen". Aber wenn die Drohungen nun leise ausgesprochen wurden, mehr gezischt als gebrüllt? Das kann ja unter Männern gefährlicher sein als manches laute Wort.

Der Kultusminister ist ein Mensch, der zwar gelegentlich an einer Bar steht, nicht aber im Ruf, sich dort zusammenfalten zu lassen. Ludwig Spaenle ist einer, der auch mal grob werden kann, der auch austeilen und zurückschlagen kann. Passt es in dieses Persönlichkeitsprofil, sich von einem Mann bedrohen zu lassen, der ihm sogar einmal untergeordnet war? Kreuzer war ein paar Monate lang Spaenles Staatssekretär, bevor er in die Staatskanzlei und dann an die Fraktionsspitze wechselte.

Kreuzer sagt, er habe mit Spaenle weder über die Förderung von Münchner Landtagsabgeordneten gesprochen, noch habe er jemandem gedroht. "Das ist sicher nicht der Fall." Wenn er sich "lautstark" geäußert hätte, wäre das wohl aufgefallen. Und überhaupt: "Niemand würde so ein Gespräch vor 50 Leuten führen, wenn er so etwas sagen wollte." Er sei sehr überrascht gewesen über den Zeitungsbericht, auch das sagt der Schwabe Kreuzer noch.

Mit dieser Überraschung steht der Fraktionschef nicht alleine in der CSU. Exakt sieben Wochen liegen zwischen dem Tag des vermeintlichen Vorfalls und der Veröffentlichung. Eine ungewöhnlich lange Zeitspanne in der nicht gerade für ihre Diskretion bekannten CSU. Man könnte aber auch sagen, dass der Text nur wenige Tage vor dem Bezirksparteitag der Münchner CSU erschienen ist. Am Montag stehen Spaenle und sein Vorstand zur Wiederwahl. Nicht wenige in der CSU sehen darin einen Zusammenhang. Sie vermuten, die Geschichte sei bewusst lanciert worden. Aber von wem? Wer würde davon profitieren?

Wie der Konflikt anfing

Kreuzer und Wittmann kommen nicht allzu gut weg in der Bild: Beziehungskiste, Amtsanmaßung, Einflussnahme zugunsten der Freundin, ein aufbrausender Fraktionschef, der er manchmal ja auch ist - all das schwingt mit. Spaenle findet sich in der Opferrolle wieder. Die ist nicht immer schmeichelhaft, muss aber kein Nachteil sein. Spaenle will zu dem Vorfall jedenfalls überhaupt nichts sagen.

Gesprochen hat er darüber aber schon, nämlich bei einer Sitzung des Münchner Bezirksvorstands nur wenige Tage nach dem Besuch in Tschechien, wie Teilnehmer bestätigen. Spaenle habe damals deutlich gemacht, wie sehr ihn das Geschehen in Prag aufgeregt habe. Von unglaublichen Vorgängen habe er geredet, die in Münchens CSU keinen Platz hätten. Namen habe er nicht genannt. Auch so habe jeder gewusst, auf wen er anspiele: auf Kreuzer und Wittmann.

Hat Spaenle etwas falsch verstanden, spielt Kreuzer die Geschichte herunter? Warum sollte sich der Kultusminister mit Wittmann und Kreuzer anlegen? Zum CSU-Bezirksparteitag am Montag wird auch Parteichef Seehofer erwartet. Dieser dürfte das letzte Treffen vor zwei Jahren im Hofbräukeller noch gut in Erinnerung haben. Damals wurde Kreuzers nunmehrige Freundin Wittmann nach allen Regeln der Kunst abgesägt. Bis dahin war sie eine der vier Stellvertreterinnen Spaenles, an diesem Abend stellte sie sich zur Wiederwahl - und fiel mit 42 Prozent durch.

CSU-Parteitage

Bezirksparteitage 2017 mit Neuwahlen

München, 26. Juni, Vorsitzender L. Spaenle (seit 2011)

Niederbayern, 8. Juli, A. Scheuer (2016)

Oberpfalz, 8. Juli, A. Füracker (2015)

Mittelfranken, 15. Juli, J. Herrmann, (2001)

Schwaben, 15. Juli, M. Ferber (2005)

Unterfranken, 21. Juli, G. Eck (2011)

Oberbayern, 22. Juli, Ilse Aigner (2011)

Augsburg, 26. Juli, J. Hintersberger (2011)

Oberfranken, 29. Juli, H.-P. Friedrich (2011)

Nürnberg, 29. Juli, M. Söder (2008)

Eine solche Ohrfeige gibt es nur selten bei CSU-internen Wahlen. Doch das Zerwürfnis hat eine lange Vorgeschichte in der Münchner CSU. Immer wieder gerieten Wittmann und das Partei-Establishment um Spaenle aneinander. Sie ist ehrgeizig und scharfzüngig und eckt oft an, Spaenle und sein Münchner Vize (und Staatssekretär im Ministerium) Georg Eisenreich wollen dagegen möglichst ungestört sein, wenn sie interne Posten mit ihnen genehmen Kandidaten besetzen. Und große Frauenförderer sind sie auch nicht gerade.

Als es dann vor zwei Jahren in der Münchner CSU bei internen Wahlen zur Rückkehr längst überwunden geglaubter Vorgänge kam, wurde die Situation plötzlich ungemütlich für Spaenle und Eisenreich. Karrierebewusste Nachwuchspolitiker hatten versucht, mit satzungsrechtlich problematischen Mitgliederverschiebungen und anderen Tricks Aufstellungsversammlungen in ihrem Sinne zusammenzusetzen. Über solche Vorgänge war bereits Spaenles Vorgängerin als Bezirkschefin, Monika Hohlmeier, gestolpert.

Wittmann werde von Spaenle und Eisenreich offenbar weiter als Gefahr im Kampf um höhere Ämter gesehen, vermuten Parteifreunde. Die Geschichte sei als ultimativer Versuch zu werten, sie endgültig loszuwerden. Eine "typisch münchnerische Intrige" sei da zu beobachten. Einer spricht gar von Machtdemonstration vor dem Parteitag, um wankelmütige Mitglieder auf Linie zu bringen. Spaenle habe gezeigt, dass ihn auch Wittmanns Freundschaft mit dem mächtigen Kreuzer nicht beeindrucke.

Der Parteichef zeigt sich im heraufziehenden Wahlkampf derart besorgt über so viel Unruhe, dass er sich am Donnerstag sogar von einem Auslandsbesuch aus Slowenien meldete. Spaenle und Kreuzer sollen die Sache gemeinsam aus der Welt schaffen, sagte Seehofer. Auch er war in Prag dabei, auch er hat damals und in den Wochen danach nichts von einem Streit mitbekommen. Falls keine Einigung möglich sei, habe er ein Gespräch mit seiner Beteiligung angeboten. Das klingt jedenfalls nach einer Drohung, die ernst zu nehmen ist.

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